Herr Schäfer, wie laufen die internationalen Verkäufe für den "Schwarm"?

Wir freuen uns sehr, dass wir die Serie gemeinsam mit unseren Partnern von Beta Film erfolgreich vermarkten. Verhandlungen in einigen großen Territorien stehen kurz vor dem Abschluss und werden in Kürze bekannt gegeben. Auf der MIPTV spielt "Der Schwarm" sicher in so manchem Verkaufsgespräch eine wichtige Rolle, nachdem jetzt belastbare Auswertungsdaten vom ZDF und weiteren Koproduktionspartnern vorliegen.

Die Rezensionen in der deutschen und internationalen Presse waren insgesamt eher verhalten, Frank Schätzing hat sich von der Serie distanziert. Lässt das manchen Einkäufer zögern?

Man kann das von zwei Seiten betrachten. Einige sagen: prima, kostenlose PR, uns hätte nichts Besseres passieren können. Andere hätten sich dann doch eine positivere Würdigung gewünscht. Ich gehöre eher zu der Fraktion, die sich über die enorme Aufmerksamkeit und den damit verbundenen Werbeeffekt freut. Letztlich müssen unsere Käuferinnen und Käufer jedoch für sich selbst entscheiden, ob das Programm ins jeweilige Sender- oder Plattformschema passt.

Wie ist der Vertrieb zwischen ZDF Studios und Beta Film eigentlich genau aufgeteilt?

Wir haben ganz einfach die Weltkarte genommen und die eine Hälfte in Beta-Rot, die andere in ZDF-Studios-Orange angemalt. (lacht) Im Ernst: Wir haben uns darüber verständigt, wer in welchen Territorien Stärken hat, und so eine faire Absprache getroffen. Für jeden Markt gibt es einen klaren Ansprechpartner, so dass wir uns nicht gegenseitig auf die Füße treten.

Beta-Film-Geschäftsführer Moritz von Kruedener hat auf der Series Mania gesagt, dass er das Koproduktionsmodell beim "Schwarm" nicht ideal fand, weil es "viel zu viele Partner" gab. Sehen Sie das ähnlich?

Bei den produktionellen Fragen ist Moritz natürlich viel näher dran. Ich bin ja erst vor neun Monaten an Bord gekommen und kann die Vorgeschichte nicht so gut beurteilen. Aber generell ist es nicht einfach, so viele verschiedene Partner für eine Koproduktion unter einen Hut zu bekommen. Als Daumenregel kann man sagen: Je größer der Finanzierungsanteil, desto größer auch der Wunsch, Einfluss auf die Produktion zu nehmen. In diesem Fall waren mehrere Partner einfach notwendig, um das außergewöhnlich hohe Budget darstellen zu können. Glücklicherweise hatten sich die Schlüsselpartner France Télévisions und Rai frühzeitig darauf verständigt, dass die redaktionelle Hoheit beim ZDF liegen sollte. Dann gab es natürlich noch Wünsche von den Partnern aus Japan und Schweden, wie man ja auch am Cast sieht. Ich glaube, wir müssen im Markt zunehmend lernen, mit solchen Konstellationen umzugehen. Angesichts der Entwicklung von Produktionskosten einerseits und der verfügbaren Mittel von Streamern und Sendern andererseits bedarf es einfach neuer, kreativer Finanzierungsformen und dazu gehört auch eine solche Multi-Partnerschaft wie beim "Schwarm".

 

Um weiterhin teure Programme in ausreichender Zahl finanzieren zu können, wird sich jeder Marktteilnehmer zunehmend mit Koproduktionen befassen müssen.
Markus Schäfer, CEO, ZDF Studios

 

ZDF Studios war auch vorher schon eine Größe im internationalen Markt. Spüren Sie dennoch, dass Sie nach einem Mammutprojekt wie diesem anders wahrgenommen werden?

Zu hundert Prozent. ZDF Studios – bis vor einem Jahr ZDF Enterprises – hat einen Stufenprozess durchlaufen und über die letzten fünf Jahre zielgerichtet daran gearbeitet, auf der internationalen Ebene stärker wahrgenommen zu werden. Das basiert zunehmend auf international marktfähigen Programmen, die aus dem ZDF kommen, aber auch auf Investitionen in internationale Programme, die keinen unmittelbaren ZDF-Bezug haben. In Verbindung mit dem Rebranding, das unser Leistungsversprechen klarer zum Ausdruck bringt, sehe ich das als eine logische Treppe, auf der "Der Schwarm" eine weitere wichtige Stufe ist.

Wie sehen Sie die künftige Gewichtung zwischen Produktion und Vertrieb? Angesichts des Streaming-Booms und der massiven vertikalen Integration entstand mitunter der Eindruck, dass es bald nichts mehr zu vertreiben gebe. Das scheint sich gerade wieder zu drehen, weil die Streamer sich nicht mehr so viele Buyouts leisten können.

Letztlich entscheiden darüber die verfügbaren Geldmittel, also aktuell der erschwerte Zugang zu Kapital, unter anderem bedingt durch die Stagnation der Subscriber-Zahlen, also einer Limitierung der Einnahmen. Daraus entsteht ein anderes Kostenbewusstsein und eine neue Nachfrage nach koproduzierten Projekten. Wir sehen verstärkt Modelle, bei denen auch Streamer Rechte abgeben, die dann vertriebsfähig sind. Das wird sich nach meiner Einschätzung fortsetzen bis hin zu dem Punkt, an dem die Streamer irgendwann ihre Kataloge aufmachen und ihren bis dato exklusiv ausgewerteten Rechtepool zur Zweitverwertung in den Markt geben. Das könnte eine interessante Dynamik auslösen.

Als Zwischenschritt haben Sie vor Koproduktionen mit Streamern keine Berührungsängste?

Surviving Summer © Netflix/ZDF Studios Erst Netflix, dann ZDF Studios: Bei "Surviving Summer" sind die Rechte zeitlich aufgeteilt
Überhaupt nicht. Wir sind beispielsweise mit unserer fortgesetzten Zusammenarbeit mit Netflix bei "Surviving Summer" sehr glücklich. Die zweite Staffel der australischen Teenagerserie von Joanna Werner und Josh Mapleston haben wir gerade abgedreht, die erste war voriges Jahr weltweit ein riesiger Erfolg. Hierbei ist bemerkenswert, dass wir nicht über eine territoriale, sondern über eine zeitliche Aufteilung der Rechte reden. Das globale First Window liegt bei Netflix, im Anschluss haben wir den weltweiten Vertrieb des Second Windows. Das hat bei Kinder- und Jugendserien einen deutlich höheren Wert als bei klassischen Fiction-Serien, weil durch das schnelle Nachwachsen der Zielgruppe ein längeres Shelf Life entsteht. Ich bin davon überzeugt, dass es von diesen Modellen künftig mehr geben wird. Aus ganz einfachen betriebswirtschaftlichen Überlegungen: Um weiterhin teure Programme in ausreichender Zahl finanzieren zu können, wird sich jeder Marktteilnehmer, ob Streamer oder Sender, zunehmend mit Koproduktionen und Content-Partnerschaften befassen müssen.

Wollen Sie das weitere internationale Wachstum von ZDF Studios auch durch Akquisitionen von Produktionsfirmen vorantreiben?

Wir haben da keine ausformulierte M&A-Strategie. An erster Stelle geht es uns darum, passendes hochwertiges Programm in die Pipeline zu bekommen, in der Regel durch Ko-Entwicklung, Kofinanzierung und Koproduktion. Wenn sich darüber hinausgehende Partnerschaften mit gesellschaftsrechtlicher Beteiligung anböten, würde ich das nicht ausschließen, aber es steht nicht oben auf unserer Liste.

Und innerhalb von Deutschland?

In Deutschland sind wir nicht nur bestrebt, unseren Gesellschafter mit Programm zu versorgen, sondern selbstverständlich alle Teile des Marktes. Wir prüfen unser Portfolio regelmäßig darauf, was wir an Bedarf des ZDF und des Marktes abdecken können und was nicht. Die Lücken sind relativ klar: Wir haben eine starke Fiction-Säule und eine starke Doku-Säule, dazwischen sind wir nicht ganz so stark aufgestellt. Dementsprechend fragen wir uns natürlich, wie wir eine noch bessere Genre-Abdeckung hinbekommen können. Ein wichtiger Schritt ist die Gründung der Content Laden GmbH gemeinsam mit Tom Gamlich und Jan Fritzowsky, zwei herausragenden Factual-Entertainment-Machern. Unser neues Unternehmen in München wird ab Mai innovative und hochqualitative Factual-Entertainment-Formate entwickeln und produzieren.

ZDF-Intendant Norbert Himmler hat dem Produktionsmarkt versprochen, dass das ZDF maximal ein Drittel seines Budgets für Auftragsproduktionen an eigene Töchter und Beteiligungen vergibt. Resultiert daraus eine natürliche Wachstumsgrenze für Sie?

Ehrlich gesagt, sehe ich das für die ZDF-Studios-Gruppe als Ansporn. Aktuell liegt der Anteil laut ZDF-Produzentenbericht nämlich nur um die 20 Prozent. Wir haben also noch jede Menge Luft nach oben, stehen dabei aber ganz klar im Wettbewerb mit allen anderen Produzentinnen und Produzenten im Markt um die besten Ideen und Programme.

Herr Schäfer, herzlichen Dank für das Gespräch.

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