Einmal so cool telefonieren wie ein „Tatort“-Kommissar. Das Handy klingelt. Der Ermittler geht ran. Er fragt „Was?“ Er schiebt noch ein trockenes „Wo?“ nach, und dann folgt etwas im Sinne von „ich komme“ oder „Ich bin gleich da.“ Kurze knappe Kommunikation, ganz ohne Sperenzchen. Wie gern erlebte man mehr Menschen, die mit solcher Minimalkonversation durchs Leben kommen. Es gibt sie kaum noch, die Mundfaulen, die sich mit einer Geste oder einem Blick verständlich machen können. Alle labern den Raum zu, was die Flatrate eben hergibt. Auch die meisten Kommissare erliegen kurz nach dem coolen Telefonat einem vom Drehbuch verordneten Laberflash. Es muss halt alles erklärt werden, weil der Zuschauer so doof ist. Also eilen die Protagonisten von „Was haben wir bis jetzt?“ zu „Was haben wir bis jetzt?“.

Die Bibi ist anders. Man kennt die Bibi Fellner aus dem Wiener „Tatort“. Dort geht sie im Rang eines Majors dem von Harald Krassnitzer gespielten Chefinspektor Moritz Eisner zur Hand. Außerdem hat die Bibi ein Alkoholproblem. Sie ist also eine gebrochene Figur, eine, die aus eigener Erfahrung fühlen kann, was es heißt, wenn nicht alles so läuft, wie es soll. Gespielt wird die Bibi von Adele Neuhauser, und die macht die Frau Major zu etwas ganz Großem. Wenn sie denn nur den Raum bekommt, den sie verdient.

Zu Beginn dieser „Tatort“-Folge wird eine bulgarische Kellnerin, die zum Rauchen auf die Straße gegangen ist, von einem Zwölfjährigen mit einer Wasserpistole bespritzt. Was nicht gleich deutlich wird, explodiert plötzlich zur traurigen Wahrheit, denn in der Wasserpistole war kein Wasser, sondern Benzin. Die Kellnerin steht in Flammen. Später stirbt sie im Krankenhaus. Kurz vor dem Attentat hat sie noch versucht, die Bibi zu erreichen. Aber die hat auf ihrem Handy nur die Kennung eines unbekannten Anrufers entdeckt und weggedrückt, weil sie gerade in einer Therapiestunde saß. Entsprechend groß die Aufwühlung als sie kurz danach an den Tatort gerufen wird.

In der Folge geht es um Zwangsprostitution und um die brutalen Methoden, mit denen Zuhälter ihre Opfer gefügig machen und halten. Es geht auch um den Zwölfjährigen, der den Kommissaren einen Zettel überreicht, dass er eben erst zwölf ist und sie ihn deshalb nicht bestrafen dürfen. Er ist ein Mörder, aber er ist nicht schuldfähig.

In der Folge geht es um die Motive des Jungen, es geht natürlich auch um die Frage, wer ihn beauftragt hat, und da kommt ein bulgarischer Zuhälter, ein hundsgemeines Großmaul aus der Bushido-Klasse, ins Spiel. Der wurde gerade aus dem Gefängnis freigelassen. In das hat ihn die bulgarische Kellnerin gebracht, die einst für ihn anschaffen musste, dann aber gegen ihn aussagte und nun tot ist.

Es sind keine schönen Bilder, die Sabine Derflinger da nach einem Buch von Martin Ambrosch in Wien in Szene gesetzt hat. Die Stadt ist grau, und die Verhältnisse sind grauenhaft. Alle Behörden wissen von der Zwangsprostitution, aber niemand tut etwas gegen die Gewalt. Außer der Bibi. Die stellt sich gegen die Täter, gegen ihre Vorgesetzten, gegen das Unrecht. Sie wird handgreiflich. Und sie ist bereit einzustecken. 

Das ist auch nötig, denn sie muss verdammt viel einstecken in diesem „Tatort“. Insbesondere gegen Ende wird es brutal. So brutal, dass man sich prompt fragt, wie brutal wohl der expliziert als brutal angekündigte Kölner „Tatort“ aussehen muss, der demnächst erst um 22 Uhr läuft.

Krassnitzers eigentlich als Hauptfigur gedachter Kommissar Moritz Eisner gerät dabei eher an den Rand der Erzählung. Aus der Geschichte von Bibi und Moritz wird hier ein Solo für die Bibi. Adele Neuhauser strahlt in dieser Rolle so viel Kraft aus, dass es mancher „Tatort“-Kollegin für drei Folgen reichen würde. Sie lässt die Bibi zerfließen, trauern, weinen, leiden, aber auch wieder aufstehen. Die Bibi ist halt mit ganzem Herzen bei der Sache und reitet nicht bloß auf Paragraphen herum.

Richtig schlecht bei diesem trotz der Brutalität und einer völlig überflüssigen Traumsequenz sehr ansehnlichen „Tatort“ kommt eigentlich nur Wien weg. Von der Stadt bleibt nur der schlechteste aller Eindrücke. Man möchte hinterher überall hin, aber nicht nach Wien.