Schön, mal was Gutes sagen zu dürfen. Weil etwas gut ist. Dieser „Tatort“ zum Beispiel, der sich an ganz vielen Punkten den Genregesetzen widersetzt, der anstrengt, ohne anstrengend zu sein, der den Zuschauer fordert und gerade dadurch packt. Der Grund dafür heißt Dominik Graf.

Der Regisseur hat schon mehrfach den „Tatort“ bereichert und außergewöhnliche Filme entstehen lassen, wo es so leicht ist, Dutzendware abzuliefern. Siehe Ludwigshafen. Graf hat seinen eigenen Kopf, und er hat den großen Namen, der es ihm erlaubt, die Dinge ein bisschen anders zu handhaben.

Das beginnt schon damit, dass Graf einen eigenen Vorspann kreiert. Über wuselnde München-Bilder setzt er die Gesichter der Handelnden, und auch auf die erste Leiche muss man ein wenig warten. Es blitzen Szenen auf von Bürgerprotesten gegen Bauvorhaben, es riecht nach Korruption, nach dem Elend der Mieter, nach der Skrupellosigkeit der Bauherren. Aber das ist nicht alles. Irgendwann geht die Geschichte weit zurück in dunkle Tage, irgendwann macht sie auch einen Schlenker in Ivo Batics Heimat und lässt ungute Gefühle aufkommen.

Im Mittelpunkt steht derweil eine Traditionsvilla, die auf wackeligem Grund gebaut wurde. Der Hang am Haus könnte ins Rutschen geraten, sagt ein Bauarbeiter, aber da sind die Insassen längst auf der schiefen Bahn. Der Sohn einer einstigen Zirkusprinzessin wird tot in einer Baugrube gefunden, und eine dubiose Eventmanagerin schwebt durch die Handlung wie ein Zwerg in David-Lynch-Filmen. Verwirrung ist auf jeden Fall gestiftet, der Rest ergibt sich.

„Herrschaftszeiten, warum haben wir nicht wieder mal so’n richtig simplen Fall“, raunzen die Kommissare irgendwann, aber da stecken sie bereits mitten drin. So viele Erzählfäden liegen aus, dass Ivo Batic und Franz Leitmayr rasch der Kopf schwirrt. Sie sind in diesem Fall weniger ein Duo als vielmehr zwei Soloermittler, die beide auf ihre Art sehr besondere Erlebnisse haben.

Das beginnt schon früh, als Leitmayr sich von einem nicht ganz aktuellen Navi durch die Straßen Münchens führen lässt und nicht dorthin kommt, wo er hinwill. „Hier sind überall Baustellen. Was ist denn hier los?“, grantelt er beim Scheitern. Das hat Symbolkraft, das steht für die Schwierigkeit, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und vor allem nicht zu sehr auf irgendwelche Stimmen zu hören.

Dazu kommt die Beton gewordene Kulisse des Polizeipräsidiums, die Tristesse und Bürostaub geradezu zu schwitzen scheinen, aber gerade deshalb einen solch formidablen Hintergrund liefert.

Dominik Graf fährt ohnehin schwer was auf bei diesem Film nach einem Buch von Bernd Schwamm. Die Bilder blitzen nur so vorbei. Hier ein hektischer Zoom, dort ein Zeitraffer, abrupte Schnitte dazwischen. Jedem anderen hätte man solch eine Inszenierungsidee um die Ohren geschlagen und das Drehbuch als überladen zur erneuten Bearbeitung zurückgeben. Nicht bei Graf. Bei dem kann man darauf vertrauen, dass etwas wird, dass die übermächtige Bildsprache schon ihren Sinn offenbart. Viel mehr muss man dazu nicht wissen. Der Rest ist die wunderbare Erkenntnis, dass richtig gutes Fernsehen in Deutschland noch geht. Sogar am Sonntagabend.