Einen großen Vorteil hat dieser neue „Tatort“ aus Erfurt. Er ist jung. Oder besser gesagt: Er gibt sich jung. Er hat ein Team, das an der Supermarktkasse beim Alkoholkauf wohl regelmäßig nach dem Ausweis gefragt wird („Man sieht Ihnen Ihr Alter nicht an.“), und er hat Sprüche als Dutzendware parat. Jung ist gut, denn wie man weiß, altert dem Fernsehen gnadenlos der Zuschauerboden weg. Wer wirklich jung ist, schaut kein Fernsehen mehr, höchstens mal Tagesschau oder eben „Tatort“. Könnte das Kalkül des MDR also aufgehen? Junge Akteure binden junge Zuschauer? Hmmm. Wenn das mal keine Milchmädchenrechnung ist.

Zu Beginn jagen die alerten Kommissare Henry Funck (Friedrich Mücke) und Maik Schaffert (Benjamin Krammer) einen Frauenmörder. Es geht über Stock und Stein, und der Gejagte zeigt ein paar schöne sportliche Wendungen. Doch bevor der Eindruck entsteht, es handele sich um eine Martial-Arts-Vorführung, hat der Bösewicht eine Kugel im Körper, und die eifrigen Ermittler sehen sich mit einer internen Ermittlung konfrontiert, weil sie wieder mal nicht gewartet haben, bis die schluffigen Kollegen vom SEK angerückt sind. „Räumt eure Schreibtische auf, packt eure Schwimmflügelchen ein und fahrt an die Ostsee“, sagt die strenge Chefin. Aber dann keimt der Verdacht, dass der gefasste Killer nur für zwei von drei vorliegenden Morden verantwortlich sein könnte, dass die dritte Leiche auf einen noch Unbekannten aus dem Studentenmilieu verweist. Also dürfen der smarte Henry (Typ einsamer Frauenverführer) und der burschikose Maik (Typ einsamer Fußballfankumpel) weiter ran. Leider bindet ihnen die Chefin eine Kugel ans Bein. Die Kugel ist eine Praktikantin namens Johanna (Alina Levshin), frisch von der Uni und entsprechend unbedarft. Bekommt sie einen Energydrink angeboten, sagt sie „Ich steh nicht so auf Stoffwechselbeschleuniger.“ Als Maik kurz danach seinen Kollegen Henry fragt, was er von der Praktikantin hält, äußert der sich deutlich. „Hat 'nen geilen Arsch“, sagt er. Männer unter sich. Dass das mal klar ist.

Es ist dieses bemühte Jungseinwollen, das diese „Tatort“-Premiere so unerträglich macht. Offenbar sind die Macher dem Irrtum erlegen, dass es reicht, möglichst spruchstark aufzutreten. Leider wirkt die Mehrzahl der Sprüche sehr aufgesagt. Als etwa Henry von einer jungen Frau eine gescheuert bekommt, fragt Kollege Maik: „Was haste denn mit der gemacht? Fuck and go?“ Ja, so flapsen sie, die jungen Leute. Lassen ihren Schreibtisch zur Müllwüste verkommen, aber wenn es darum geht die nächste kecke Bemerkung rauszuhauen, sind sie ganz vorne dran.

Geschrieben und inszeniert hat diesen Fall Thomas Bohn, den man von den Hamburger Atzorn-Fällen und diversen Lena-Odenthal-Auftritten kennen kann. Leider zeigt sich beim neuen Erfurter Team, dass die öde Odenthal nicht aus sich heraus so langweilig agiert, es sind sehr offenbar die Mächte im Hintergrund, die da so ihre Fäden ziehen. In Wahrheit verbirgt sich auch in Erfurt hinter der hippen Fassade ein sehr altbackenes Krimikonzept. Es gibt unglaublich viele Aufnahmen von Kommissarköpfen, viel zu viele Zusammenfassungen des bereits Gesehenen, und dann kommt natürlich auch noch die Konstellation mit dem nur anfangs tapsigen Praktikanten-Lämmchen und den selbstbewussten Jungbullen zum Tragen, als es darum geht, dass Studenten vor dem bösen Prüfungsstress in die Knie gehen und sich mit einer Droge namens Zerkalin wieder auf die Beine helfen. Unschwer ist zu erkennen, welches Medikament da Pate stand. Für alle, die das nicht erkennen, hat die Praktikantin noch eine Erklärung parat. Das sei eine „Droge für die Pflichterfüllergeneration“, sagt sie, und ganz am Ende kaut Henry unfreiwillig die Gedanken des Anlernlings nach. „Weisste, was ich krass finde? Dass die alle Drogen nehmen, um mit dem Uni-Stress klarzukommen“, sagt Henry, und Kumpel Maik antwortet: „Ja, echt krass.“ Natürlich. Läuterung to go. Echt krass.

Folgt man dem Geschehen eine Weile mit seinem Wechsel aus Sprüchen, altbackener Inszenierung und gelegentlichen Action-Sprenkseln, reift unweigerlich das Gefühl, sich mal bei den Akteuren von „Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“ für jahrelanges Dissen entschuldigen zu wollen. Gegen die Erfurter „Tatort“-Kommissare sind die RTL-Polizisten tatsächlich gereifte Figuren mit echtem Tiefgang, die das, was sie sagen, mit Leben füllen können und nicht einfach Drehbuchsätze nachplappern.

Das Dilemma dieses „Tatort“-Debüts fasst zwischendrin der verletzte Frauenmörder sehr schön zusammen. Als die Kommissare ihn zu seinen Taten befragen, sagt er lapidar: „Alles, was Sie sagen, glaube ich nicht.“ Besser kann man diesen sich verzweifelt jung gebenden und doch so unfassbar alt aussehenden Versuch eines Krimis kaum zusammenfassen.