Möglicherweise ist es nicht die allerbeste Idee, einen „Tatort“-Kommissar, der gerade erst erfolgreich als Hamburger Ermittler eingeführt wurde, schon in der zweiten Ausgabe auf Reisen zu schicken. Wer nämlich Wotan Wilke Möhrings erstes Abenteuer als Kommissar Falke erlebt hat, war durchaus geneigt, sich diesen Typen noch einmal genauer anzuschauen. Seine komische Art, Milch direkt aus der Tüte zu trinken, seine Rotzigkeit, sein bei den Stones ausgeliehener Handyklingelton. Die ersten Takte von „Sympathy for the Devil“ erklangen, wenn Falke angebimmelt wurde. Das hatte seinen Reiz, weil es Möglichkeiten bot, sich schnell unterzuhaken bei diesem Typen.

Nun steht der zweite Fall an, und man wartet ebenso vergeblich auf die Milchtüte wie auf die Stones. Falke macht, kaum im Dienst, schon Urlaub. Auf Langeoog. Er besucht einen alten Kumpel und seine Frau und damit auch deren nicht nur ein wenig verstörten kleinen Bruder. Schöne Bilder stehen am Anfang. Von sandigen Dünen, von großem Blick, von weitem Watt. Viel Nordsee-Idylle, bis dann der verstörte Bruder blutverschmiert in den Dünen gefunden wird. Neben ihm eine tote Frau, vielfach erstochen. Alles deutet auf den jungen Mann als Täter hin. Falke kann das nicht glauben, wird aber bei seinem Ermittlungsdrang jäh gestoppt. Er ist nicht zuständig. Das erledigt eine Kommissarin aus Aurich. Die wird gespielt von Nina Kunzendorf, die so um zwei Ecken in den „Tatort“ zurückkehrt, kaum dass sie in Frankfurt abgeheuert hat.

Das wundersame Engagement liegt natürlich an Autor und Regisseur Stefan Kornatz, der auch schon für eine von Kunzendorfs Frankfurter „Tatort“-Episoden verantwortlich zeichnete. Aber die seltsame Dopplung verwirrt nur kurz, weil Kunzendorf ihre Kommissarin ganz anders anlegt. Leise und bedächtig und strunzbieder geht sie dem Fall nach und hält Falke außen vor, merkt aber bald, dass er möglicherweise mehr aus dem Verdächtigen herausbekommen könnte als sie selbst. Falke verheddert sich dabei rasch zwischen dem Anspruch, den Jungen entlasten zu wollen und sich den vorliegenden Fakten zu stellen. Rasch ruft er seine Hamburger Kollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) zu Hilfe.

Kornatz, der den Film gemeinsam mit Max Eipp geschrieben hat, macht aus dem ganz offensichtlichen Fall rasch ein veritables Verwirrspiel. Er bleibt nah an dem Jungen, an seiner Verwirrtheit, an seiner Amnesie. Er weiß nicht mehr, was in den Dünen geschah. Er wollte seine Geliebte mit K.O.-Tropfen gefügig machen und wurde selbst ohmächtig. Immer weiter treibt ihn die Frage, was geschehen ist, was geschehen sein könnte. Je weiter der Film fortschreitet, desto klarer sieht er die Schuld bei sich.

Als irgendwann alles klar scheint, ist gar nichts klar. Da geht es erst richtig los, da bekommt der Film noch einmal einen neuen Twist. Der hilft dann auch über so manche extrem breit ausgespielte Szene hinweg. Ein wenig Straffung hätte diesem Krimi, der mehr ein Psychospiel ist, schon gut getan. Dann wäre auch die Erinnerung an Falkes Milchtüte und seinen Klingelton nicht so arg schmerzhaft geworden. Bleibt zu hoffen, dass er in Folge drei nicht wieder den Fish-out-of-Water spielen muss. Ein ganz kleines bisschen traditionell dürfen „Tatort“-Folgen schon sein, wenn sie gerade auf der Startbahn Schwung aufnehmen.