Wenn einer Schelte kriegt, weil er zu schräg wirkt, dann gibt es im deutschen Fernsehen offenbar nur eine folgerichtige Maßnahme. Man treibt der Figur das Schräge aus. Man könnte natürlich auch an der einst bewusst gesetzten Schrägheit arbeiten, sie ein bisschen professionalisieren, liebevoll ausarbeiten und nicht einfach so dahinrotzen. Aber nein, deutsches Fernsehen ist deutsches Fernsehen, und man kann sich leicht ausrechnen, wie es in Saarbrücken zugegangen sein muss, als Devid Striesow mitsamt der restlichen Mannschaft für die ersten beiden Vorstellungen seines Kommissars Stellbrink in die Tonne gekloppt wurde. Manche sahen ihn gar als schlechtesten „Tatort“-Kommissar der Republik an, was angesichts von Striesows Prominenz und der beachtlichen Menge von Ermittlern schon etwas heißen will.

Beim dritten Fall ist das einzig Schräge an Kommissar Stellbrink noch die Tatsache, dass er Roller fährt und dabei bescheuert aussieht. Alles andere fügt sich inzwischen ins Nullachtfünfzehn-Schema der dem dummen Zuschauer immer alles ausführlich erklärenden Soko-Klasse, und die Knallchargen rund um Stellbrink agieren weiterhin so hölzern, dass Pinocchio gegen sie wie ein tentakeliges Weichtier wirkt. Dabei spürt man durchaus, dass die Macher sich diesmal vorgenommen haben, die Fehler der Debütfolgen keinesfalls zu wiederholen. Das ist ihnen an ein paar Stellen auch gelungen, allerdings haben sie dafür an anderer Stelle neue Fehler gemacht.

Aus der Story hätte mit etwas Geschick durchaus etwas werden können. Ein beliebter Schwimmlehrer, der auf offener Straße von einem vermummten Mob ins Koma geprügelt wird und plötzlich als Kinderschänder dasteht, beunruhigte Eltern, die aus der Erkenntnis, dass sie jahrelang möglicherweise dem falschen Mann vertrauten, eine veritable Hysterie entwickeln, das sind schon Bestandteile, aus denen man einen feinen Krimi fertigen könnte. Im Raum steht die brisante Frage, was wahr ist und wie leicht man bereit ist, aufgrund weniger Halbinformationen im Netz, einen eben noch bejubelten Menschen zu verdammen oder sich in nur so genannten sozialen Medien zu seiner Hinrichtung zu verabreden. Solche Grundsätzlichkeiten sind gerne mal ein feiner Stoff, um einen Krimi auf Touren zu bringen. Wenn überall Zweifel angebracht sind und nichts zusammenpasst, dann schlägt die Stunde jener, die sich mit der Machete ins Dickicht wagen.

Striesows Stellbrink könnte so ein kleiner Indiana Jones sein, er könnte Licht ins Dunkel bringen. Leider aber beschränkt er sich mit seinem Kindchengesicht aufs penetrante Dummgucken. Das passt insofern, als seine Kollegen sich leidlich mühen, ihm den Rang als bester Dummgucker streitig zu machen. Elisabeth Brück kriegt als Stellbrinks Kollegin Lisa Marx das Grimmige nicht aus dem Gesicht, und die von Sandra Steinbach gespielte Staatsanwältin ist weiterhin eine mimische Vollkatastrophe. Dazu kommt der als Pathologenersatz angetretene Kriminaltechniker Horst, der den drei anderen in einer Art War-Room immer wieder den Stand der Dinge nahebringt. Ja, das sieht hip aus, oder besser gesagt: Es soll hip aussehen, ein bisschen nach Tom Cruise in „Minority Report“ wohl. In Wahrheit wirkt es, als habe irgendwer ein paar gläserne Stellwände übrig gehabt und die als Kulisse angedient.

Regisseur Hannu Salonen macht mit seiner Inszenierung den Eindruck, als habe man ihm schon früh den Mut zum Anderssein ausgetrieben. Eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre, dass er über dem Buch von Lars Montag und Dirk Kämper Verzweiflungsschübe auszuhalten hatte. Dazu kommt eine lieblos über der ganzen Szenerie ausgeschüttete Musik, die den Film noch eine Spur schwerer erträglich macht.

Am Ende ist aus dem Verschenken vieler Möglichkeiten immerhin nettes Handwerk geworden, ein Stück, das irgendwo zwischen Vorabendkrimi und RTLs Autobahnpolizei changiert und zum Finale noch ein bisschen Fahrt aufnimmt. Möglicherweise feiert man das in Saarbrücken schon als Erfolg, dass man nach den prägnanten Filmen mit den grundlos vergraulten Stellbrink-Vorgängern Franz Kappl und Stefan Deininger wenigstens mal wieder einen halbwegs durchschnittlichen Film hinbekommen hat.