Es gibt Schauspieler, die sind einfach so da, und man bemerkt sie nicht weiter. Es gibt Schauspieler, die dienen dem Drehbuch und machen sich quasi unsichtbar. Und es gibt Schauspieler, die mit einer derartigen Präsenz auftreten, dass sie jeden Film zu ihrem machen und Gefahr laufen, alles um sich herum zu ersticken. Roeland Wiesnekker ist solch eine Überfigur. Wo er auftaucht (wie etwa am vergangenen Montag im Spreewaldkrimi des ZDF), prägt er das Geschehen. Man muss gar nicht wissen, was er spielt, was er meint, was er tut, es reicht, dass er da ist.

Im neuen Bremer „Tatort“ taucht Wiesnekker ziemlich früh auf. Er sitzt in einem Chinarestaurant bei schummrigem Licht und macht offenbar irgendetwas Schummriges. Das reicht bei einem wie Wiesnekker, um den Zuschauer in den Bann zu ziehen. Er ist da, und er wirkt.

Später wird man erfahren, dass Wiesnekker einen Bewährungshelfer spielt. Nicht irgendeinen, sondern den mit der geringsten Rückfallquote in Bremen. Wie er das schafft, seine harten Jungs auf dem rechten Weg zu halten, das ist Thema dieses Films. Thema ist auch, dass der rechte Weg, der da eingeschlagen wird, nicht so ganz recht sein kann. Schließlich haben Wiesnekkers Jungs alle zu tun mit der Müllabfuhr. Es sind richtig harte Jungs, die alle lange im Knast waren, die alle sehr entschlossen aussehen unter all ihren Tätowierungen.

Boris Dennulat, Matthias Tuchmann und Erol Yesilkaya haben das Buch geschrieben zu diesem Film, in dem es um Geschäfte mit dem Müll geht und um den Versuch einer Müllwerkergemeinschaft, auch eine Scheibe von dem großen Geld abzubekommen. Das allerdings bekommt einem von ihnen nicht wirklich. Er wird gleich zu Beginn tot in seinem Müllauto aufgefunden, und in seinem Körper klaffen ein paar Löcher, die dort nicht hingehören.

Die Autoren haben ein schönes Handlungsnetz geknüpft, in dem Wollen und Haben ebenso feine Anknüpfungspunkte sind wie reichlich mafiöse Strukturen. Aus der Gemeinschaft der Bremer Müllwerker steigt man nicht einfach so aus. Man verlässt sie immer nur mit den Füßen voran.

Dem stehen die Kommissare Lürsen und Stedefreund indes ziemlich machtlos gegenüber. Sie ahnen viel, aber sie können nichts beweisen. Der Bewährungshelfer ist ihnen einfach über.

Wiesnekker ist die Idealbesetzung für so einen, für einen, dem man alles zutraut, der aber nie alles offenbart, der das Gemeine unter einer Schicht von höflicher Liebenswürdigkeit verbirgt. Wiesnekker trägt diesen Film über weite Strecken. Immer wenn er auftaucht, ist dieser „Tatort“ ein richtig guter.

Leider ist er nicht ständig im Bild. Viel zu oft ermitteln Lürsen und Stedefreund langatmig und umständlich. Regisseur Florian Baxmeyer hat einfach nicht das richtige Maß gefunden zwischen der drögen Kriminalarbeit und dem durch Wiesnekker schillernden Verbrechen. Das hat streckenweise das große Gähnen zur Folge. Man möchte die Glotze anschreien und fragen: Wo bleibt Wiesnekker?

Irgendwann kippt dann dieser Krimi, und er mutiert komplett zur Wiesnekker-Show. Das ist nicht die Schuld des Darstellers, denn wenn da nichts ist, was man in den Schatten stellen kann, dann hält man das Licht ohne Grund fern. Auch einer wie Wiesnekker braucht Anspielstationen. Doch leider findet er kein Gegenüber, und dazu spielt eine ziemlich wahllos aus Songs der Rolling Stones und von Hildegard Knef zusammengestoppelte Musik, die eher stört als dass sie weiter hilft.

Am Ende ist dieser „Tatort“, um den die ARD noch ein bisschen diffuses Online-Gewese macht und sich damit schwer hip wähnt, ziemlich genau das, was die Jungs von der Entsorger-Gang jeden Tag in ihren großen Wagen hieven: Großer Mist.

Korrektur-Hinweis: Zunächst stand an dieser Stelle, dass Thomas Kirchner das Drehbuch geschrieben habe. Das war nicht korrekt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.