Frau König schreit. Sie schreit so laut, so verzweifelt, dass es wehtut. Sie ist machtlos, und sie muss mitansehen, wie die Dinge über ihr zusammenbrechen, wie sie selbst Opfer ist, war, wird. Opfer von Intrigen, Opfer ihrer Vergangenheit, Opfer des tristen Seins. Also schreit sie, was das Zeug hält. Und Anneke Kim Sarnau spielt diese Rostocker Ermittlerin Katrin König wie immer: grandios. Drei Ausrufezeichen.

Es ist wieder einmal ein Ausnahmefilm in der „Polizeiruf 110“-Reihe, so wie fast alle Rostocker Episoden Ausnahmefilme waren. Aber dieser ist noch ein bisschen mehr Ausnahme, weil so ziemlich nichts in Ordnung ist an der Ostsee. „Sturm im Kopf“ heißt dieser Fall, und das kann man auf vielfältige Weise deuten.

Ist der Sturm gemeint, der im Kopf von Königs Kollegen Bukow (Charlie Hübner) tobt? Dem ist bekanntlich die Frau abgängig. Sie ist fremdgegangen mit einem von Bukows Kollegen. Und nun stellt sich die Frage, ob sie den Weg zurück findet. Oder ist es der Sturm, der ums große Geld tobt, um politische Verstrickungen einer Staatssekretärin, um ein Windkraftwerk? Oder sind es die Auswirkungen früherer Tage, die heute zu spüren sind, die nicht nur Frau König das Leben schwer machen, weil früher im LKA mal etwas nicht so gelaufen ist, wie es laufen sollte? Und was für eine Rolle spielt dieser Typ, der sich an nichts erinnern kann, außer an die Tatsache, dass er offenbar jemanden getötet hat? Von einer Straßenmusikantin greift er sich eine Gitarre und singt wirres Zeug. Das wird später noch eine Rolle spielen.

Florian Oeller hat das Buch zu diesem Film geschrieben, und Christian von Castelberg hat ihn inszeniert. Das mag nicht immer leicht gewesen sein, denn die Vorlage ist verästelt geschrieben, bietet viele Fährten, aber nicht alle führen in die richtige Richtung. Der Chef einer Windkraftfirma ist erschossen worden, aber die schnelle Antwort auf die Frage, wer der Täter war, kommt den Ermittlern rasch seltsam vor. Erst recht, als sich Politik und Chefetagen der Polizei einmischen.

Christian von Castelberg gibt diesem „Polizeiruf 110“ eine ordentliche Wucht mit, und beim Showdown gelingt ihm glatt ein kleines Meisterstück in Sachen Rasanz und Kraft. Es explodiert etwas in den Handelnden, sie haben die Sache nicht mehr im Griff, alles wird zu viel. So wie in diesen Szenen hat man König und Bukow noch nie gesehen. Kein Wunder, dass König nicht anders kann als all ihre Verletzungen herauszuschreien.

Zumal die ganze Geschichte nur bedingt gut ausgeht. Man weiß irgendwann, wer wem böse wollte und was dahintersteckte, aber man weiß es eben nicht in allen Fällen. Auf jeden Fall ist irgendwann die Frage geklärt, was Bob Dylan mit all dem zu tun hat und warum die Frauen meistens die härtesten Entscheider und die Männer oft die ärmsten Verlierer sind. Fast alle Männer in diesem Film sind Verlierer. Sie geraten an die falschen Frauen, oder sie arbeiten im falschen Job. Es weht ein Hauch von Hoffnungslosigkeit durch Rostocks Hafen.

Kein Schiff wird kommen und diesen Fall lösen, da müssen schon Bukow und König ran. Und so wie sie aktuell in Form sind, darf man sich sicher sein, dass es noch so einige extrem spannende Filme geben wird. Mehr davon.