Wo liegt eigentlich Ludwigshafen? Nicht jeder weiß das. Manche wollen es gar nicht wissen. Was macht man eigentlich in Ludwigshafen? Das weiß spätestens nach diesem „Tatort“ jeder. Ludwigshafen macht Chemie. Wer das vorher nicht wusste, der bekommt es eingehämmert. Mit ätzender Musik, die bei fast jedem Taktschlag mit einem Bild bestückt wird. Ort: Draußen. Zeit: Nacht. Bildabfolge: Industrieanlage, Beat, Industrieanlage, Beat, Industrieanlage, Beat. Sehr bemüht das Ganze.

Irgendwann gibt es einen Toten. Ein Auftragskiller liegt am Fuß eines in Ludwigshafen einst berühmten Kaufhauses. Und dann ist da noch Jürgen Vogel. Ja, der Jürgen Vogel, der einzige Grund, in diesem „Tatort“ mal nicht auf Industrieanlagen zu schwenken. Beat, Jürgen Vogel, Beat, Industrieanlage, Beat, Jürgen Vogel.

Jürgen Vogel ist gut in diesem „Tatort“. Er gibt die coole Sau, den breitbeinigen Großstadtcowboy, der noch eine Rechnung offen hat. Er spricht nicht viel, aber Sprache ist ja ohnehin selten das, mit dem Jürgen Vogel überzeugt. Der Mann steht halt aufs Körperliche.

Anfangs denkt man: Oh Mann, nicht schon wieder Jürgen Vogel. Aber dann wickelt er den Zuschauer ein, zieht ihn in seine Rolle. Er ist der frühere Geldeintreiber, dem vor 15 Jahren die Dinge mal gehörig aus dem Ruder gelaufen sind. Seitdem trägt er eine Narbe quer übers Gesicht. Nun ist die Narbe, die sich lange im Ausland versteckte, wieder da und zieht auch Lena Odenthal in ihren Bann.

Ja, es ist ein Lena-Odenthal-Krimi, und ohne Jürgen Vogel wäre das Ganze eine relativ dröge Angelegenheit. Erneut kämpft Odenthal wieder mit sich selbst, mit ihrem Kommissariats-Klimakterium, das sie zwischendrin zur unerträglichen Furie werden lässt. Sie will es lieber Old School, aber die scheiß neue Zeit klopft immer wieder an ihre Tür.

Sie tut das in Form der karrieregeilen Fallanalystin Johanna Stern (Lisa Bitter). Die erkennt man daran, dass sie nur selbstständig gehen kann, wenn sie ein iPad in der Hand hält. Das wirkt so affig aufgesetzt, dass man Regisseur Jobst Christian Oetzmann mal richtig anrempeln möchte für diesen Quatsch. Kaum vorstellbar, dass die Drehbuchautorin Dagmar Gabler sich das so ausgedacht hat. Und falls doch, dann gehören beide angerempelt.

Schließlich stapft Johanna Stern nicht nur allein mit dem iPad durchs Bild, sie redet auch dabei mit sich selbst und stellt während ihrer komplett albernen Selbstgesprächstour Fälle nach. Ja, man macht das inzwischen so im „Tatort“. Die Ermittlern profilen munter drauf los, was das Zeug hält, sie begeben sich in die Rolle des Mörders, des Opfers, sie fuchteln mit Waffen und sonstwas herum. Man hat das zigfach gesehen im Dortmunder „Tatort“, und jetzt müssen das wohl alle haben.

Wahrscheinlich haben die Macher die Karrieristin Johanna Stern aber nur deshalb erfunden, damit man wenigstens für kurze Momente Lena Odenthal wieder erträglich findet, und sei es nur, weil man sich wünscht, sie möge dieser iPad-Trine mal gehörig eins auf die Zwölf geben.

Natürlich lässt sich Lena Odenthal von Jürgen Vogels Figur einfangen. Er kommt ihr nahe, und mehrfach denkt man: Jetzt gleich passiert‘s. Aber dann platzt wieder Johanna Stern in die Szene und nervt, weil sie nerven halt am besten kann.

Es geht um verwirrende Verhältnisse in der Chemieindustrie und der kriminellen Szene drum herum. Ludwigshafen war wohl vor 15 Jahren mal der Nabel der Ecstasy-Welt. Von hier kamen die Drogen, die Techno erträglich machten. Aber dann gab es einen Mord, der den schönen Deals ein Ende setzte.

Es interessiert am Ende nicht sehr, wer der wahre Mörder war und wer warum noch was abrechnen muss. Vielmehr interessiert die Frage, wie sehr Johanna Stern noch nerven kann und wie es dieser verdammte Jürgen Vogel schafft, immer so cool zu wirken, obwohl man doch immer wieder meint, man habe nun aber endlich genug von ihm gesehen. Ein Rätsel, für dessen Lösung mal ein eigener „Tatort“ her müsste.