Um kurz nach elf trudelte am Donnerstag die Pressemitteilung von RTL in den Mail-Postfächern der Branche ein. Vom "Erfolgsmonat April" war in der Überschrift die Rede, und davon, dass RTL+ "erneut Spitzenreiter im Streaming" sei. Eine übliche Jubelmeldung, bei der allerdings der Blick ins Kleingedruckte lohnt, in dem aus dem Spitzenreiter dann nur noch der "führende deutsche Streamingdienst" wurde, weil man an den internationalen Schwergewichten freilich nicht vorbeikommt.
Spannend ist allerdings vor allem eine Zahl, die RTL mit Blick auf seinen Streamer nennt: Demnach lag die kumulierte Nettoreichweite von RTL+ im April bei 10,11 Millionen. Man sei damit "der einzige private Anbieter", der über zehn Millionen Menschen erreiche, klopften sich die Kölner auf die Schulter. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Konkurrent ProSiebenSat.1 keine drei Stunden später eine weitere Zahl verlauten ließ: In einer Mitteilung aus Unterföhring wurde ein "Rekordmonat" für Joyn gefeiert; zum ersten Mal habe der selbsternannte "Superstreamer" demnach 10,0 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht.
Wie passt das mit der Aussage von RTL zusammen? Tatsächlich hat ProSiebenSat.1 die kumulierte Nettoreichweite von Joyn offenbar gerundet – nach DWDL-Informationen lag die exakte Zahl ganz knapp unterhalb der Marke von zehn Millionen. Mathematik macht's möglich. Bemerkenswert ist die Joyn-Zahl freilich trotzdem, zeigt sie doch, dass Joyn zumindest mit Blick auf die kumulierte Nettoreichweite zuletzt nur hauchdünn hinter RTL+ lag und sogar das deutlich stärkere Wachstum in diesem Bereich vorzuweisen hat. Zum Vergleich: Noch im Januar lag der Joyn-Wert bei 7,6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern.
Komplett vergleichbar sind die Zahlen indes freilich nicht, schließlich ist das Angebot von Joyn zu weiten Teilen kostenfrei, während der allergrößte Teil der RTL+-Inhalte hinter der Bezahlschranke liegt. Dazu kommen die zahlreichen Sender-Livestreams, von denen Joyn in der breiten Masse profitieren dürfte. RTL+ verweist hingegen darauf, im VoD-Bereich zuletzt "in allen relevanten Zielgruppen ein mindestens 1,6 mal so hohes Nutzungsvolumen wie der Wettbewerber Joyn" erzielt zu haben.
Man mag das Fernduell zwischen Köln und Unterföhring für amüsant halten. Aus Sicht von Branchenbeobachtern hingegen ist es bisweilen ermüdend – auch, weil es, anders als bei klassischen TV-Monatsmarktanteilen, von außen nicht ohne Weiteres möglich ist, sich einen eigenen, objektiven Eindruck von den Zahlen verschaffen. Was bleibt, sind Meldungen über Erfolgs- und Rekordmonate, die den neutralen Blick auf echte Gewinner, aber eben auch auf Verlierer erschweren.