Man kann nicht gerade behaupten, es seien ruhige Wochen bei ProSiebenSat.1. Gerade erst hat der Konzern ein großes Sparpaket angekündigt, erneut fallen hunderte Stellen weg. Und in der vergangenen Woche sind auch die Angebotsunterlagen von MFE öffentlich geworden. Die Italiener wollen ihren aktuell 30-prozentigen Anteil an ProSiebenSat.1 aufstocken, die Annahmefrist für das Angebot hat schon begonnen. Seit dem heutigen Montag ist allerdings noch einmal unwahrscheinlicher geworden, dass MFE mit seinem Angebot große Sprünge machen wird. 

PPF © IMAGO / CTK Photo
Das Angebot, das die Italiener vor einigen Wochen ankündigten, war aus finanzieller Sicht für bestehende Aktionärinnen und Aktionäre nie das beste. Es entspricht lediglich dem, was man gesetzlich ohnehin bieten musste. Am Montag hat nun der zweite Großinvestor von ProSiebenSat.1, der tschechische Finanzkonzern PPF, angekündigt, seine Anteile an der deutschen Sendergruppe auf bis zu 29,99 Prozent aufstocken zu wollen - und machte ein Angebot, das deutlich besser ist als das von MFE (DWDL.de berichtete). 

MFE hatte sich in seinem Angebot abgesichert und wird durch einen Deal mit einem namentlich nicht genannten Aktionär sicher über die Schwelle von 30 Prozent springen, für alle anderen Personen und Organisationen, die bei ProSiebenSat.1 investiert sind, ist die MFE-Offerte aber auf einen Schlag völlig unattraktiv geworden. Wer verkaufen will, nimmt jetzt das PPF-Angebot an - oder verkauft auf dem freien Markt. Durch das PPF-Angebot ist die ProSiebenSat.1-Aktie am Montag um rund 20 Prozent auf mehr als 7 Euro gestiegen. 7 Euro pro Aktie hatte PPF geboten. 

Durch den Vorstoß der Tschechen wenige Wochen vor der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 ergeben sich einige Fragen. Zum Beispiel: Wieso will PPF nur bis 29,99 Prozent aufstocken? Und wie sollen langfristig zwei Großinvestoren bei ProSiebenSat.1 nebeneinander co-existieren? Und was bedeutet der Wettstreit der Gesellschafter für ProSiebenSat.1?

Es droht ein Patt, das P7S1 blockieren kann

Noch nicht auf alle Fragen gibt es zufriedenstellende Antworten. Didier Stoessel, Chief Investment Officer der PPF Group, versuchte am Montag, einige Antworten zu liefern. "Dies ist ein Angebot, das nicht auf die Kontrollmehrheit abzielt. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir nicht die Absicht, dies zu ändern", erklärte er vor Journalistinnen und Journalisten. Sollte PPF durch das Angebot, das man noch am Montag oder Dienstag bei der BaFin einreichen will, aber tatsächlich in die Nähe von 30 Prozent kommen, halten auch die Tschechen künftig eine Sperrminorität. 

In dem Fall müsste man sich mit MFE in der künftigen Strategie bei ProSiebenSat.1 schon sehr einig sein, ansonsten droht in Unterföhring eine Blockade, die sich das Unternehmen nicht leisten kann. In der Vergangenheit äußerten sich Vertreter von MFE und PPF recht ähnlich zu den Problemen und Herausforderungen, die Management und Aufsichtsrat von ProSieben angehen müssten - auf der letzten Hauptversammlung kam es außerdem zu einem bemerkenswerten Paarlauf. Diese friedliche Co-Existenz scheint nun erst einmal vorbei. Zumal PPF bereits angekündigt hat, mehr Sitze im Aufsichtsrat zu wollen, wenn die Anteile erst einmal aufgestockt sind. Das Szenario einer Totalblockade durch einen der Gesellschafter ist durchaus realistisch - für ProSiebenSat.1 wäre es ein Worst Case. 

"Dies ist ein Angebot, das nicht auf die Kontrollmehrheit abzielt. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir nicht die Absicht, dies zu ändern"
Didier Stoessel, Chief Investment Officer der PPF Group


Im Umfeld von MFE wird bereits geraunt, dass die Tschechen sich mit dem Angebot an die Aktionärinnen und Aktionäre nur in eine möglichst gute Position bringen könnten, um ihre Anteile zu einem späteren Zeitpunkt (an MFE) zu verkaufen - dann vielleicht für mehr als die aktuellen 7 Euro. Offiziell äußern will sich MFE zur Situation nicht. Spätestens auf der Hauptversammlung am 28. Mai dürfte der Wettstreit der zwei großen Gesellschafter aber auch auf offener Bühne ausgetragen werden. Es gilt, einerseits Personalien und andererseits weitere wichtige Entscheidungen für die Zukunft von ProSiebenSat.1 zu treffen. 

"Wir sind sehr, sehr geduldige Investoren"

PPF-Manager Didier Stoessel betonte am Montag vor Journalistinnen und Journalisten noch einmal, was er auch schon in der Pressemitteilung zum Erwerbsangebot erklärt hatte: Man sei ein langfristiger Investor. "PPF ist in Familienbesitz und wir sind sehr, sehr geduldige Investoren." Dennoch wird man auch bei PPF nicht müde zu betonen, wo die großen Herausforderungen für ProSiebenSat.1 liegen: In der digitalen Transformation. 

Ähnlich wie MFE will auch PPF, dass sich der Konzern auf sein Kerngeschäft Unterhaltung fokussiert - und Beteiligungen an anderen Unternehmen abstößt. Es sei an der Zeit, diese Beteiligungen "zu den richtigen Preisen" zu verkaufen. Stoessel: "Die digitale Transformation bedeutet, Inhalte in den Mittelpunkt des Unternehmens zu stellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Inhalte auf linearen Kanälen oder auf Streaming-Plattformen bereitgestellt werden. Was zählt, sind die Inhalte."

Man werde alles tun was man könne, um ProSiebenSat.1-CEO Bert Habets auf diesem Weg zu unterstützen, so der Chief Investment Officer der PPF Group, der gleichzeitig aber auch davor warnte, zu viel Zeit zu verlieren. "Wir haben die Zeit, die Ziele zu verwirklichen, die wir erreichen wollen. Aber es ist wichtig zu erkennen, dass in der heutigen Medienbranche das Zeitfenster für die digitale Transformation nicht ewig offen sein wird. Eine schnelle Vorgehensweise ist absolut entscheidend, um dieses Zeitfenster nicht zu verlieren."

Mal wieder kalte Schulter für MFE

Bert Habets © ProSiebenSat.1 Bert Habets
Auffällig in jedem Fall ist, wie ProSiebenSat.1 auf die PPF-Offerte reagiert hat. In Unterföhring begrüßte man das Angebot der Tschechen ausdrücklich - auch wenn das noch keine offizielle Empfehlung an die Aktionärinnen und Aktionäre ist. Bert Habets erklärte, er unterstütze das verstärkte Engagement von PPF. Man wisse die Unterstützung für die eingeschlagene Strategie zu schätzen. Habets lehnt sich damit sehr früh und sehr klar aus dem Fenster - zu MFE und dem Angebot der Italiener hat er sich bislang noch nicht in dieser Form geäußert. 

Das kann mittelfristig noch zum Problem für Habets werden. Auch wenn der Vertrag des CEOs gerade erst verlängert wurde: Den Italienern hat man jedenfalls mal wieder vor den Kopf gestoßen. Und auch wenn MFE keine großen Sprünge mit dem laufenden Übernahmeangebot machen wird: In Zukunft kann der Konzern ohne ein solches, bürokratisches Verfahren Aktien am freien Markt nachkaufen. Dafür muss MFE, Stand heute, aber eben auch deutlich mehr Geld auf den Tisch legen als zuletzt. 

Bei MFE weiß ProSiebenSat.1 außerdem besser, woran man ist. Die Vorstellungen der Italiener sind relativ klar, sie wollen eine paneuropäische Medienallianz formen. Die Ziele von PPF sind dagegen nicht ganz so durchsichtig. Durch die Tatsache, dass man die Schwelle von 30 Prozent nicht überschreiten will, kann der Finanzinvestor ProSiebenSat.1 nicht in seine Central European Media Enterprises (CME) eingliedern bzw. beide Gruppen miteinander verweben (mehr zu CME lesen Sie hier). Wobei PPF seine Strategie zu einem späteren Zeitpunkt natürlich jederzeit ändern kann - und eben doch versuchen könnte, die Kontrollmehrheit an ProSiebenSat.1 zu erlangen. In dem Fall könnte es ein Wettbieten um die restlichen Anteile geben - davon würden dann die übrigen P7S1-Investoren profitieren. 

Welcher Investor mittel- bis langfristig bei ProSiebenSat.1 das Sagen haben wird, bleibt abzuwarten. PPF bringt sich durch sein Angebot jedenfalls in eine gute Position und wird wohl Anteile hinzugewinnen. Wenn sich Prag und Mailand zusammentun, geht ohne die beiden Großaktionäre schon heute nichts mehr bei ProSiebenSat.1. Dieser Zustand wird sich weiter verschärfen. Aber irgendwann muss es wohl eine Entscheidung geben: MFE oder PPF? Mailand oder Prag?