„Jimmy Kimmel live wird vorerst auf unbestimmte Zeit beendet.“ Das Statement des US-Networks ABC, Teil der Walt Disney Company, am Mittwochabend (US-Ostküstenzeit) fällt kurz aus. Eine Entscheidung ohne jede Erklärung, aber die Fakten sind geschaffen und das schnell - sehr zur Freude von US-Präsident Donald Trump und dem von ihm eingesetzten Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC, Brendan Carr. Der hatte nur wenige Stunden zuvor im Gespräch mit dem rechten Podcaster Benny Johnson gesagt: „Das ist gerade ein sehr, sehr ernstes Problem für Disney. Wir können dies auf die einfache oder auf die harte Tour angehen.“

In seiner ABC-LateNight hatte Kimmel am Montag gesagt: „Wir haben am Wochenende neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als irgendetwas anderes als einen von ihnen darzustellen und alles tat, um daraus politische Punkte zu schlagen." Diese Äußerung sorgte für Kritik; ist sicher diskussionswürdig. Nun gibt es zwar offenbar freien Raum für die regelmäßige Hetze der US-Administration, Andersdenkende können in Trumps Amerika nicht mehr darauf hoffen. US-Branchenbeobachter sind in ersten Reaktionen besonders darüber schockiert, dass ABC bzw. Disney keine Erklärung ihres Handeln liefern.

Die Wahrheit ist: Man wurde getrieben und hat erst einmal nachgegeben. Die Ankündigung seitens ABC folgte am Mittwochabend auf die zuvor veröffentlichten Ankündigungen von Nexstar Media und Sinclair, den zwei größten Betreiber von TV-Stationen in den USA, die Sendung von Jimmy Kimmel nicht weiter transportieren zu wollen. Hier spielt die einzigartige Struktur des US-Fernsehmarktes eine Rolle: Die großen US-Networks ABC, CBS, NBC und Fox sind genau das - Netzwerke eigenverantwortlicher lokaler Fernsehstationen, die neben eigenproduziertem Lokalprogramm in Lizenz die Rahmenprogramme der nationalen Medienmarken transportieren. ABC, wie die anderen, betreibt die eigentlichen Sender in den lokalen Märkten nicht selbst.

Die Besonderheit des US-amerikanischen TV-Markts

Größter Aggregator von lokalen TV-Stationen in den USA ist Nexstar Media, bei 32 davon läuft das ABC-Rahmenprogramm. "Die Äußerungen von Herrn Kimmel über den Tod von Herrn Kirk sind in einer kritischen Phase unserer nationalen politischen Debatte beleidigend und unsensibel", sagte Andrew Alford, Broadcasting-Chef bei Nexstar. Es liege „derzeit einfach nicht im öffentlichen Interesse, Herrn Kimmel weiterhin eine Sendeplattform in den Communitys zu bieten, in denen wir tätig sind. Wir haben die schwierige Entscheidung getroffen, seine Sendung vorzeitig zu beenden, um einen kühleren Kopf bewahren zu können, während wir uns auf die Wiederaufnahme eines respektvollen, konstruktiven Dialogs zubewegen.“

Und Nexstar ist nicht allein. Auch der Medienkonzern Sinclair, der die meisten ABC-Stationen in den USA betreibt, zeigte sich empört über Jimmy Kimmel. Die ABC-Sender von Sinclair werden diesen Freitag während der eigentlichen Sendezeit von „Jimmy Kimmel Live“ eine Sondersendung zum Gedenken an Charlie Kirk ausstrahlen. Darüber hinaus biete man die Sondersendung allen ABC-Tochtergesellschaften im ganzen Land an. Man würde überhaupt erst in Erwägung ziehen, die Sendung wieder auszustrahlen, „wenn formelle Gespräche mit ABC über das Bekenntnis des Senders zu Professionalität und Verantwortlichkeit stattgefunden haben.“

Sinclair fordert Kimmel außerdem auf, sich direkt bei der Familie Kirk zu entschuldigen. Darüber hinaus bitte man Kimmel, „eine bedeutende persönliche Spende an die Familie Kirk und Turning Point USA zu leisten“. Weiter heißt es: „Unabhängig von den Plänen von ABC für die Zukunft der Sendung beabsichtigt Sinclair, ‚Jimmy Kimmel Live!‘ nicht wieder in unser Programm aufzunehmen, bis wir sicher sind, dass geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um die von einer nationalen Rundfunkplattform erwarteten Standards aufrechtzuerhalten.“

Standards für die einen, Freifahrtsschein für andere?

Standards, die man in all den Jahren der Fake News und Verleumdung eines vom US-Präsidenten geliebten Nachrichtensenders, nie eingefordert hat. Es ist damit auch sehr deutlich dokumentiert: Falsche Fakten stören in den USA 2025 weniger als unliebsame Meinungen, insbesondere wenn diese dem US-Präsidenten und seiner MAGA-Bewegung nicht gefallen. Natürlich kommentierte auch Donald Trump selbst, gerade auf Staatsbesuch in Großbritannien, die Entscheidung von ABC zur Einstellung der Show auf unbestimmte Zeit nachdem die Affiliate-Partner Druck gemacht haben.

Auf Truth Social teilte Trump mit: „Gute Nachrichten für Amerika: Die Jimmy Kimmel Show, die mit schlechten Einschaltquoten zu kämpfen hatte, ist eingestellt. Herzlichen Glückwunsch an ABC, dass sie endlich den Mut hatten, das zu tun, was getan werden musste. Kimmel hat null Talent und noch schlechtere Einschaltquoten als Colbert, wenn das überhaupt möglich ist. Damit bleiben Jimmy und Seth, zwei totale Verlierer, bei Fake News NBC. Auch ihre Einschaltquoten sind miserabel. Mach es, NBC!!!“

Schon in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident betrieb Donald Trump eine anhaltende Diffamierungskampagne gegenüber unliebsamen Journalistinnen und Journalisten, versuchte stetig Misstrauen in „Mainstream Media“ zu säen und warf dabei kritischen Medien vor, was eigentlich er selbst verinnerlicht hatte: Fake News. Damals war das „nur“ beunruhigende Rhetorik, inzwischen wird es einerseits aufgrund von Personalentscheidungen etwa in der Medienaufsichtsbehörde FCC Politik und mit immer neuen Milliardenklagen, die jüngst die „New York Times“ ins Visier nahmen, zur Bedrohung für Journalismus.

Wann äußert sich Kimmel? Wie reagiert Disney?

Und im von Trump so geliebten Fernsehen arbeitet er sich an denen ab, die sich Genre-typisch an den Mächtigen abarbeiten: Den LateNight-Shows. Erst im Juli hatte CBS zur Überraschung aller die Einstellung der „Late Show with Stephen Colbert“ angekündigt - was gemeinhin als Gefälligkeit gewertet wurde, damit die geplante Paramount Skydance Fusion grünes Licht aus Washington erhalten würde - was kurz darauf auch geschah. Damals schon wütete Trump im Netz „Jimmy Kimmel ist als nächster dran!“. Diesem Ziel ist er jetzt näher, weil Disneys ABC dem Druck zweier großer  Affiliate-Partner erstmal nachgegeben hat.

Jimmy Kimmel selbst hat sich zum jetzigen Zeitpunkt übrigens noch nicht dazu geäußert. Dafür zahlreiche Hollywood-Stars und Comedy-Kollegen sowie der demokratische Governeur von Kalifornien, Gavin Newsoom. Er schrieb auf X: „Kauf und Kontrolle von Medienplattformen. Entlassung von Kommentatoren. Einstellung von Shows. Das sind keine Zufälle. Das ist koordiniert. Und das ist gefährlich. Die Regierung glaubt nicht an die Meinungsfreiheit.“ Umso spannender wird sein, welche Haltung Disney und ABC einnehmen, wenn man dort die Sprache wiedergefunden hat. Knickt der nächste Medienkonzern ein?