"Wir geben hiermit unsere Grimme-Preise zurück & distanzieren uns auf Schärfste vom skandalösen Verhalten des Grimme Instituts". Mit diesem Satz beginnt ein Statement von Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel, das die beiden auf Instagram veröffentlicht haben. Die beiden Macher der ZDF-Serie "Uncivilized" wurden im März mit einem Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion geehrt - nun wollen sie mit dem Preis und dem dahinterstehenden Grimme-Instituts nichts mehr zu tun haben.
Hintergrund ist eine Auseinandersetzung, die schon seit Wochen schwelt. Zur Erinnerung: Der Verein Freunde des Adolf-Grimme-Preises hatte auf dem Bergfest des Grimme-Preises unter anderem Judith Scheytt mit einer Besonderen Ehrung bei der Verleihung des Donnepp Media Awards geehrt. Später wurde die Auszeichnung vom Vereinsvorstand zurückgenommen, was zu einem Zerwürfnis der damals zuständigen Jury führte. Auch die Hauptpreisträgerin des Preises, Annika Schneider, gab ihre Auszeichnung zurück.
Obwohl der Name des Vereins der Grimme-Freunde etwas anderes nahelegt, agiert der Verein formell unabhängig von Grimme-Institut - und organisiert auch die Vergabe des Donnepp Media Awards in Eigenregie. Viel Kritik, die in der Folge der Preis-Aberkennung aufgekommen war, traf aber auch das Grimme-Institut - und jetzt ist man durch die Rückgabe des Grimme-Preises durch die "Uncivilized"-Macher noch einmal sehr direkt betroffen.
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Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel nehmen in ihrem Posting allen voran die Geschäftsführerin des Grimme-Instituts, Çiğdem Uzunoğlu, ins Visier ihrer Kritik. In mehreren Anläufen habe man aktiv das Gespräch mit ihr gesucht, schreiben sie. "Dabei wurde für uns immer deutlicher, dass sie bis heute eine Verantwortung stets von sich weist und sich immer wieder auf eine Entscheidung eines vermeintlich unabhängigen Vereins und seiner Jury bezieht. Eine persönliche Positionierung zur Entscheidung der Aberkennung durch den vermeintlich unabhängigen Verein und seiner Jury gab es von ihr - auch auf explizite Nachfrage - nicht."
Die beiden Serienmacher schreiben, dass man "aus mehrere Quellen" wisse, dass Uzunoğlu an einem Gespräch mit dem Vereinsvorstand der Grimme-Freunde teilgenommen habe. Das hatte die Leiterin des Grimme-Instituts allerdings schon vor mehreren Wochen eingeräumt - unter anderem gegenüber DWDL.de. Sie sei aber nicht zur Frage der Aberkennung der Ehrung konsultiert worden. "Da das Grimme-Institut auch gar nicht zuständig ist, würde ich dem Vereinsvorstand generell keine Empfehlung zum Umgang mit deren Auszeichnungen und Ehrungen geben", so Uzunoğlu Anfang September.
"Damit hat sie in unseren Augen das Ansehen des Grimme-Instituts und des Grimme-Preises nachhaltig beschädigt und eine Tür für künftige politische Einflussnahme geöffnet".
Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel über Grimme-Direktorin Çiğdem Uzunoğlu
Hier gehen die Darstellung auseinander. Personen, mit denen DWDL.de gesprochen hat, sagen, dass Uzunoğlu vom Vereinsvorstand die Aberkennung der Ehrung gefordert oder aber den Schritt zumindest nahegelegt habe. "Ihre Rolle in diesen Gesprächen bleibt für uns unklar", sagen nun Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel. Durch ihr "persönliches Schweigen" entziehe sich die Grimme-Direktorin ihrer Verantwortung und toleriere eine externe Einflussnahme auf die Entscheidung einer unabhängigen Jury, kritisieren sie. "Damit hat sie in unseren Augen das Ansehen des Grimme-Instituts und des Grimme-Preises nachhaltig beschädigt und eine Tür für künftige politische Einflussnahme geöffnet".
Grimme: "Zwei voneinander völlig unabhängige Institutionen"
Vom Grimme-Institut heißt es auf Nachfrage gegenüber DWDL.de, dass man die "freie persönliche Entscheidung eines jeden Preisträgers" respektiere. Wenn aber ein Grimme-Preis zurückgegeben werde, um damit Kritik am Donnepp Media Award zu üben, treffe das den "falschen Preis und die falsche Institution". Weiter heißt es: "Für uns als Grimme-Institut ist die Unabhängigkeit von Jurys und Nominierungskommissionen oberstes Gebot. Soweit es um unsere eigenen Preise geht, versteht sich das Grimme-Institut als organisatorischer Träger, der inhaltliche Entscheidungen von Jurys weder beeinflusst noch kommentiert."
Daraus ergebe sich, so das Grimme-Institut weiter, dass man nicht versuche, Preisentscheidungen zu beeinflussen oder inhaltlich zu bewerten, "die außerhalb unserer Trägerschaft und Verantwortung liegen". Das Grimme-Institut und die Freunde des Adolf-Grimme-Preises seien zwei "voneinander völlig unabhängige Institutionen". Sie seien weder wirtschaftlich noch inhaltlich miteinander verflochten. Das habe man auch allen, die es wissen wollen, detailliert erläutert - Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel sowohl schriftlich als auch im persönlichen Gespräch.
"Für uns als Grimme-Institut ist die Unabhängigkeit von Jurys und Nominierungskommissionen oberstes Gebot. Soweit es um unsere eigenen Preise geht, versteht sich das Grimme-Institut als organisatorischer Träger, der inhaltliche Entscheidungen von Jurys weder beeinflusst noch kommentiert."
Grimme-Institut
Gleichzeitig betont man bei Grimme, dass es aufgrund der organisatorischen Überschneidungen - der Donnepp Media Award wird auf dem Grimme-Bergfest verliehen -- zu einer Überarbeitung der Abläufe kommen wird. "Ziel ist es, eine klare Trennung zwischen Grimme-Institut und dem Verein der Freunde zu schaffen, um die jeweilige Unabhängigkeit beider Institutionen zu wahren." Wenn diese Erläuterungen bewusst ignoriert würden, um eine "vermeintliche Verantwortung des Grimme-Instituts und seiner Geschäftsführung zu konstruieren, dann finden wir das äußerst bedauerlich", heißt es weiter. Man werde weiterhin alles dafür tun, "um Missverständnisse aufzuklären und die Unabhängigkeit von Juryentscheidungen zu gewährleisten."
Apropos Unabhängigkeit von Juryentscheidungen: Die Aberkennung des Donnepp Media Awards im Fall Judith Scheytt war wie bereits erwähnt auch innerhalb der Jury umstritten - und hatte dort gar keine Mehrheit. Entschieden hat letztlich der Vereinsvorstand der Grimme-Freunde im Alleingang. Die übrigen Mitglieder der Jury hatten das zuletzt bereits sehr deutlich kritisiert.
Jurymitglieder kritisieren Verein der Grimme-Freunde
An diesem Donnerstag haben sich nun Lucia Eskes, Steffen Grimberg und Nadia Zaboura erneut gegen die Aberkennung positioniert und in einer gemeinsamen Erklärung verlauten lassen, an der Besonderen Ehrung festzuhalten. Diese Erklärung liegt DWDL.de vor. Die drei waren Teil der Donnepp-Jury, die Aberkennung erfolgte jedoch durch Jörg Schieb, Maik Große Lochtmann und Ulrich Spies. Auch sie saßen in der Jury und trugen die ursprüngliche Entscheidung zur Besonderen Ehrung mit, nahmen sie in ihrer Funktion als Vereinsvorstand dann aber wieder zurück.
In ihrer gemeinsamen Erklärung haben Lucia Eskes, Steffen Grimberg und Nadia Zaboura jetzt noch einmal detailliert den Ablauf der Ereignisse rekonstruiert. Daraus geht hervor, dass der Vereinsvorstand die Ehrung nach der aufkommenden Kritik an Scheytt schnell aberkennen wollte, sich dann aber noch einmal umstimmen ließ. Nach Darstellung von Eskes, Grimberg und Zaboura haben sich die anderen drei Jury-Mitglieder später dann doch für die Aberkennung entschieden, dem vorausgegangen war offenbar ein Gespräch mit der Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die den Stein mit ihrer Kritik an Judith Scheytt ins Rollen brachte. "Der Protest der übrigen Juror*innen Zaboura, Eskes und Grimberg gegen diesen Schritt blieb ohne Erfolg", heißt es jetzt in der Stellungnahme.
Später verständigte sich die uneinige Jury dann zumindest darauf, dass es im Falle einer Aberkennung eine transparente und öffentliche Kommunikation zu den Vorgängen gibt. Auch das erfolgte nicht - Judith Scheytt machte die Aberkennung ihres Preises Monate später via Instagram öffentlich.
Der Verein der Grimme-Freunde begründet die Aberkennung des Preises unter anderem auch damit, dass die Ehrung nicht den Statuten des Awards entsprochen hätte. "Wir wollen keine Aktivisten auszeichnen", sagte Jörg Schieb gegenüber der "SZ". Auch das weisen Grimberg, Eskes und Zaboura jetzt zurück. "Es handelt sich bei der Auszeichnung für Judith Scheytt nicht um den Hauptpreis der Jury, den Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik (seit 2025: Donnepp Media Award), sondern um eine undotierte Besondere Ehrung. Diese wurde in den vergangenen Preisjahren immer wieder an Personen vergeben, die nicht notwendigerweise journalistisch arbeiten, sondern für ihr Engagement im Medienbereich und darüber hinaus ausgezeichnet wurden."