Foto: Holtzbrinck VerlagRund 15 Jahre lang war Ulrich Wickert das Gesicht der ARD-"Tagesthemen", heute kann er sich die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF anscheinend nur noch unter Schmerzen ansehen - so jedenfalls der Eindruck, nachdem man seinen Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen hat. Kernvorwurf: "Wer gut informiert sein will, kann auf die Nachrichten von ARD und ZDF nicht setzen".

Das beginne schon bei sprachlichen Dingen. So würden anscheinend "nur noch wenige Autoren von Stücken für 'Tagesschau' und 'Tagesthemen' oder für 'heute' und 'heute-journal' den Satzbau beherrschen", häufig werde die Floskel-Sprache der Politik sowie "das Kurzsprech der Nachrichtenagenturen" übernommen. Wickerts Fazit: "Wer so textet, ist nicht nur schusselig, sondern denkfaul".

Schwerer wiegen aber noch die Vorwürfe hinsichtlich der Themen-Auswahl. Wickert: "Es fehlt offenbar an einem Verständnis für die politische Grundversorgung". So bemängelt er, dass in keiner der Nachrichtensendungen jemals das neue Bundeskabinett vollständig vorgestellt worden sei. Als weiteres Beispiel führt Wickert an, dass am Tag, an dem die FDP den Koalitionsvertrag abgesegnet habe, der Aufmacher im Ersten ein Attentat im Irak war. Solche Attentate würden sich aber "alle paar Tage" ereignen und hätten "einen beschränkten Einfluss auf das tägliche Leben der Nachrichten sehenden Bürger in Deutschland". Als Grund dafür, dass dies dennoch die erste Meldung in "Tagesschau" und "Tagesthemen" war, nennt Wickert eine "völlig falsch verstandene Chronistenpflicht". Niemand hinterfrage mehr den Automatismus, mit dem Bomben in die Nachrichten gelangen.

Wenig Verständnis zeigt Wickert darüberhinaus für den Umgang der ARD mit den Feierlichkeiten zu 20 Jahren Mauerfall, die im Ersten fast gar nicht stattgefunden hätte und stattdessen Telenovelas, Soaps und Serien gezeigt wurden. In seinem Rundumschlag bekommt auch Thomas Gottschalk, der die Feierlichkeiten für das ZDF moderiert hatte, sein Fett weg. Er sei "für ein solches Ereignis wirklich nicht geeignet" gewesen. Und auch Thomas Kausch trifft Wickerts Keule: Er hatte das Magazin "Fakt", das sich an diesem Abend dann doch dem Mauerfall widmete, wie üblich mit einem "Ciao" beendet. Wickert: "Bei außergewöhnlichen Ereignissen muss ein Moderator seine persönliche Note zurücknehmen". Er habe sich wichtiger genommen als das Ereignis - habe da mit Frank Plasberg, dem noch einmal sein krawattenloser Auftritt beim Kanzler-Duell vorgeworfen wird, aber ja auch ein "großes Vorbild".