"Wir sind Sachsen": Beobachtungen zu Hitradio RTL
Radio PSR-Unternehmenssprecher Steffen Jantz meint zwar, es „nützt nichts, jetzt nervös zu werden" – am Programm wurde dennoch gefeilt: So rufen nun beispielsweise mitten im Programm vermeintliche Hörer „Wir sind Sachsen" über den Äther. Mit deutlicher Betonung auf dem Fürwort. Den Claim der Konkurrenz RTL zu verwenden – damit geht das Leipziger Funkhaus in den direkten Nahkampf. Jantz jedoch wiegelt ab: „Das ist keine neue Erfindung. Das Kernimage von Radio PSR liegt schon immer auf der sächsischen Kompetenz. Und die lassen wir uns von keinem entziehen."
Diese Rechnung könnte aufgehen, schaut man sich die Zahlen an. Mit knapp 255.000 Hörern liegt PSR nach der aktuellen Mediaanalyse (MA) etwa 175.000 Hörer im Vorsprung zur RTL-Konkurrenz. Aufgrund dieser Überzahl bedeuten - so schätzen Branchenkenner - die ursprünglich von RTL angedachten Alleinstellungsmerkmale des Programms nur noch mehr Rückenstärkung für Radio PSR. Denn Sachsen steht für den Sender aus Leipzig. Und der macht mit der Nutzung des RTL-Claims den Sack zu, ehe sich die neu avisierte Zielgruppe an den Slogan einer anderen Station gewöhnt. Runde eins gewonnen.
Andere Sender halten sich indes aus dem Kleinkrieg raus. Dresden 103 Punkt 5 hat mit Hitradio RTL eine Vermarktungskombi und ohnehin eine andere Ausrichtung, wie Sprecher Rocco Reichel erklärt: „Wir sind direkter Nachbar der Menschen in Dresden und Umgebung, also lokal orientiert." JUMP und Energy Sachsen beobachten zwar genau, richten sich aber an eine jüngere Zielgruppe und sehen in RTL darum keinen direkten Konkurrenten.
Aus dem Hause Hitradio RTL gibt es zur PSR-Reaktion laut Sprecherin Kristin Hendinger keinerlei Stellungnahme. Im Gegenteil: Für ein Gespräch standen Geschäftsführer Klaus Morell und Programmdirektor Jürgen Kaul Anfang August nicht zur Verfügung – sie verweilten im Urlaub. Drei Wochen nach dem wohl meistbeachteten Radio-Relaunch Deutschlands. Insider glauben, das erst kürzlich aus Frankfurt/Main und Augsburg eingekaufte Führungsteam sei sich nicht der Cleverness des privaten sächsischen Marktführers bewusst.
Dennoch wurde vor „Landung" von RTL genau überlegt. Beispielsweise, wie das Morgenteam heißen könnte. Heraus kam „Marcel und die Morgenmannschaft." Marcel Mann, wie er laut Senderangaben heißt, trägt allerdings im wirklichen Leben den Namen Alex Röger. Wetterfrau Melanie Modosch hat im Pass Verena Chirkoch stehen. Dass die beiden nun als Marcel & Mel die Morningshow moderieren, hat laut Kristin Hendinger klangliche Gründe. „Das passt einfach gut. Es sind Künstlernamen. Wenn sich Hit-Radio Antenne Sachsen in Hitradio RTL umbenennt, dann dürfen das auch seine Moderatoren", meint sie. Ohne zu erwähnen, dass ein „Alex" auf RTL neben dem auf PSR nicht etablierbar wäre.
Doch nicht nur das Morgenteam bekam neue Identitäten. Auch Anke Neumann, ehemalige Morgenfrau bei Hit-Radio Antenne Sachsen, wurde umgetauft. Seit 12. Juli funkt sie als Jessica May, unter anderem in der Sonntags-Sendung „Einer gegen Sachsen". Bei ihr erfolgte die Wandlung aus Gründen der Aktualität, um „sich von Altem abzunabeln", wie Kristin Hendinger mitteilt. Wie RTL damit bei den Hörern „landet" – die nächste MA wird’s zeigen.
Der Autor ist freier Journalist und Inhaber der Mediaagentur 4und20.net und schreibt u.a. auch für das Medienweblog medienrauschen.de