"Pragmatisch" ist das Wort, das am häufigsten fällt, wenn man sich in der Branche über Hannes Heyelmann erkundigt. In Zeiten von medienpolitischen Schachzügen, Terrain-Verteidigungen und festgefahrenen Fronten bei den großen Playern im Markt ist das ein vielleicht nüchternes, aber wertvolles Kompliment. Das kommt besonders von Plattformbetreibern, die große Hoffnungen setzen in den Deutschland-Chef von Turner Broadcasting System. Sein Sender TNT Serie zeigt ab heute die neue Steven Spielberg-Serie "Falling Skies", die in den USA beim Muttersender TNT erst vergangenen Sonntag gestartet ist. Darüber schrieb in den vergangenen Tagen jede große deutsche Tageszeitung. So viel Aufmerksamkeit wünscht sich mancher FreeTV-Sender. Es scheint fast so als wenn Turner Broadcasting System einen Fluch gebrochen hätte.
Lange Zeit galten die großen amerikanischen Medienkonzerne in Deutschland als zahnlose Tiger. Manche Engagements waren kurios, wie so manches frühere Abenteuer von Rupert Murdoch bei uns. Andere waren je nach Sichtweise zu halbherzig oder übermütig, wie bei NBC Universal. Da sah es zwischenzeitlich zwar mal so aus als würde man das große Rad drehen und sogar im FreeTV angreifen wollen. Doch am Ende musste dann wieder einen Gang zurückschalten. Ähnlich wie bei Discovery und Sony Pictures. Erfolgreicher ist Disney. Man war sehr früh da. Sie haben, wie auch NBC Universal mit 13th Street, schon seit Ende der 90er Jahre eine lange Tradition in ihrer Nische aufgebaut. Wesentlich später erst fing Turner in Deutschland an. Es ist gerade einmal fünf Jahre her als am 1. Juni 2006 mit dem Cartoon-Sender Boomerang der erste für Deutschland lokalisierte Kanal von Turner startete.
Im Dezember 2006 folgten dann Cartoon Network und Turner Classic Movies als Vorläufer dessen, was später in TNT Film umbenannt wurde. Am 28. Januar 2009 kam dann TNT Serie hinzu. Damit entstand auf der Überholspur in weniger als vier Jahren eine ganze PayTV-Familie. Verantwortlich für den Erfolg ist einer der jüngsten TV-Manager Deutschlands: Hannes Heyelmann. 2006 wechselte er nach Stationen bei AOL Europe sowie Turner in Atlanta und London nach Deutschland. Mit 30 übernahm er im August 2007 die Verantwortung für das Entertainment-Angebot von Turner Broadcasting System in Deutschland. Seit Sommer 2009 ist er als Geschäftsführer für das gesamte Turner-Angebot in Deutschland, also auch den frei empfangbaren Nachrichtensender CNN International, verantwortlich. Jetzt ist er 34 und heimlicher König des PayTV in Deutschlands.
Mancher mag noch nichts von ihm gehört haben. Doch dass die Aufmerksamkeit beim PayTV in Deutschland sonst fast ausschließlich auf Sky ruht, wird ihn nicht stören. So lässt sich deutlich ruhiger in höchst repräsentativer Lage an der Münchener Leopoldstraße daran arbeiten, die große Marke Sky zu überholen. Bei der Reichweite hat es der Pragmatiker Heyelmann schon geschafft: Er ist mit seinen Kanälen Partner von Sky und im Einsteigerpaket jedes Abonnenten von Brian Sullivans' Programmangebot dabei. Doch eben nicht nur das. Während andere taktieren und sich gegeneinander ausspielen, zählt für Heyelmann einfach Reichweite. Deshalb sind die Turner-Sender auf jeder nennenswerten PayTV-Plattform empfangbar. Kabelnetz- und IPTV-Betreiber sind spätestens seit dem Start der HD-Versionen von TNT Film und TNT Serie entzückt. Mehr als Syfy, 13th Street oder Disney Channel sind sie General Interest.
Turner profitiert also von Auseinandersetzungen der Plattformbetreiber mit Sky oder den privaten FreeTV-Sendern, wenn es um die Einspeisung von HD-Kanälen geht. Man bietet namhaften Content unter in kürzester Zeit bekannt gemachten Marken an. Das zieht. Und so verfügen die Sender TNT Film, TNT Serie, Boomerang und Cartoon Network längst über eine deutlich größere technische Reichweite als Sky. Man könnte im politikerdeutsch fast von Sky + x sprechen. Und bei so einer starken Basis lohnen sich auch Experimente. Wie mancher Wettbewerber versucht man sich an lokalen Produktionen, um damit im Falle von Turner besonders die Kindersender klar in Deutschland zu verorten. Hier hinkt man NBC Universal in Sachen Lokalisierung zwar noch etwas hinter her.
Doch nach dem, was man aus der Turner-Zentrale an der Leopoldstraße so hört, könnte sich das Ende 2011, Anfang 2012 auf radikale und in der Branche lange erwartete Weise ändern. Noch hüllt man sich dort offiziell in Schweigen, aber nach der Reichweite will man bei TNT Serie auch inhaltlich überholen. Details dazu sollen erst in einigen Wochen folgen. Vorerst ist man bei Turner noch ganz im "Falling Skies"-Fieber. Die Presse überschlug sich in den vergangenen Tagen mit Berichten über die Serie und war dabei meist positiv gestimmt. Eine so intensive Beschäftigung der Journalisten mit dem Programm würde sich Sky wünschen. Dort schauen die Journalisten jedoch eher auf den Schuldenstand. Diese Teilung der Presse-Aufmerksamkeit dürfte Hannes Heyelmann gefallen. Auch weil es von der Frage ablenkt, wieviel Turner in Deutschland momentan jedes Jahr noch drauf zahlt.
Update: Ein Sprecher von Turner Broadcasting System Deutschland teilte am Freitag gegenüber DWDL.de mit, dass das Unternehmen seit diesem Jahr profitabel arbeite.