Als Interviewer kennt man das Dilemma: Nicht selten kommt es vor, dass der Gesprächspartner interessante und spannende Äußerungen tätigt - allerdings nicht während des offiziellen Interviews, sondern davor oder danach. An die Öffentlichkeit dringt das dort Gesagte natürlich nicht. Im "heute-journal" vom Montagabend war das allerdings anders. "Hier erst mal Schluss. So haben wir das Gespräch in etwa um 18 Uhr aufgezeichnet", sagte Moderator Claus Kleber, nachdem zuvor mehrere Minuten lang ein Interview mit Bayerns Ministepräsident Horst Seehofer (CSU) ausgestrahlt wurde.

Danach plauderte Kleber sprichwörtlich aus dem Nähkästchen: "Da, wo wir das Gespräch abgeschnitten haben, ging ein wenig die Luft raus aus der Unterhaltung. Das Wesentliche war wohl gesagt. Und dann passierte das, was hier manchmal passiert: Die Technik-Kollegen checken, ob hier alles einwandfrei auf dem Server angekommen ist und in der Zeit redet man als Interviewer natürlich noch ein wenig mit dem Gast - ganz zwanglos. Und da werden die Politiker lockerer, vielleicht sogar ehrlicher, denn normalerweise sieht das ja keiner." Kleber erzählte das nicht ohne Grund: Seehofer hatte nach dem Interview seinem Unmut über das CDU-Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen und den Umgang damit noch einmal Luft gemacht.

"Aber Herr Kleber, glauben Sie mir, ich bin jetzt fast 40 Jahre in der Politik", begann Seehofer offen zu sprechen - ob dabei auch ein wenig Kalkül mitschwang, bleibt natürlich ungewiss. "Wir haben jetzt noch vier Ministerpräsidenten mit FDP-Beteiligung in Deutschland, wir hatten mal über zehn. Wir sind jetzt in der Minderheit, wir haben noch sieben, wenn ich die Großen Koalitionen mal dazutue." Sämtliche Themen würden "seit Wochen hin und her und rauf und runter diskutiert. Das muss jetzt ein Ende haben." Derzeit gehe im alles zu zäh. Mit Schuldenabbau komme man in Europa nicht auf Wachstumskurs, so der CSU-Vorsitzende, der sich damit sogar eher auf die Seite der SPD schlägt.

"Da klingen Sie jetzt wie Herr Hollande, nur deutsch", warf Kleber ein, woraufhin der Ministerpräsident im Scherz entgegnete: "Oder bayerisch." Und schließlich fügt er an: "Was mir so weh tut, ist, dass ich glaube, dass die Union und FDP ein Potenzial haben, Deutschland gut zu regieren. Wir machen das nicht so gut, dass wir die Zustimmung der Bevölkerung erhalten. Es tut mir leid." Noch vor wenigen Wochen habe die Union in der politischen Stimmung vor der SPD gelegen, in NRW habe sich der Trend zudem ebenfalls rasant geändert. "Der Röttgen hat gegen die Frau Kraft mit einem Verhältnis 37 zu 34 Prozent begonnen und innerhalb von sechs Wochen ist das weggeschmolzen wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht. Das ärgert mich."

Auf Klebers Nachfrage, ob das womöglich auch damit zusammenhänge, dass Röttgen den Notausgang nach Berlin nicht zugemacht habe, antwortete Seehofer schließlich: "Das war ein ganz großer Fehler." Er habe mit ihm gesprochen, "persönlich und über die 'Bild'-Zeitung", so Seehofer. "Persönlich hat er mich dann abtropfen lassen. Die Kanzlerin war ja dabei." Er habe ihn auf die Problematik hingewiesen und "hätte lieber nicht Recht behalten". Und weiter: "Schauen Sie, wer alles aus der Politik davongelaufen ist, obwohl er für vier, fünf Jahre gewählt worden ist. Das hat die Leute schon gestört und ist übrigens auch ein Grund für die Politikverdrossenheit. Und dann geht ein Kandidat her für das Amt des Ministerpräsidenten und sagt: 'Ich lauf nicht davon, ich lauf gar nicht hin!'. Das nehmen die Leute nicht ab."

Nachdem diese Worte gefallen waren, erinnerte Kleber an seine Kollegin Marietta Slomka, die wenige Tage zuvor in einer Rede anekdotisch erzählt habe, dass das, was vor und nach voraufgezeichneten Interviews gesagt werde, meist viel interessanter sei als das Interview selbst, woraufhin Seehofer einwarf: "Sie können alles senden, was ich gesagt hab!" Er sei wirklich entschlossen, etwas zu ändern. "Machen Sie 'ne Sondersendung." So weit kam es am Montagabend zwar nicht, doch weite Teile des Nachgesprächs zeigte das ZDF tatsächlich im "heute-journal", zudem ist das Interview in voller Länge auch im Internet zu sehen. "Wir nehmen Sie beim Wort", hatte Claus Kleber seinem Gesprächspartner noch gesagt.

Nach der Ausstrahlung fügte der Moderator im "heute-journal" hinzu: "Ich glaube, er hat erst jetzt verstanden, dass wir es ernst meinen mit dem 'beim Wort nehmen'." Am Tag danach wollte Kleber auf Nachfrage des Medienmagazins DWDL.de zu dem Interview mit dem CSU-Vorsitzenden nicht weiter kommentieren - mit dem Verweis darauf, dass durch weitere Äußerungen der Charme der kompletten Offenheit kaputtgehe. Damit mag Kleber gewiss Recht haben, denn auch so lieferte das "heute-journal" zu Wochenbeginn einen spannenden und zugleich seltenen Einblick in die Welt von Fragensteller und Interviewpartner, die für Zuschauer für gewöhnlich nicht ersichtlich ist.