"Wenn TV-Zuschauer je nach Empfangsart die Wahl haben zwischen weit über 100 Kanälen, ist es schlicht unrealistisch, dass mehrere Sender dauerhaft deutlich zweistellige Marktanteile einfahren." Unter anderem mit diesen Worten versuchte RTL-Chefin Anke Schäferkordt erst vor wenigen Wochen, den deutlichen Quoten-Rückgang des von ihr verantworteten Senders herunterzuspielen, noch nicht mal "schwieriges Fahrwasser" konnte sie erkennen. Dabei lag RTL zeitweise über drei Prozentpunkte unter den Marktanteilen des Vorjahres und muss bei fast allen Formaten rückläufige Zuschauerzahlen verkraften.

Kann die viel bemühte Fragmentierung dafür also wirklich - wenn auch nur als eines von mehreren Argumenten - herhalten? Bei ProSiebenSat.1 ist man offenbar etwas anderer Ansicht. Zumindest veröffentlichte deren Werbevermarkter SevenOne Media gerade eine Studie, die zu folgender Erkenntnis kommt: "Die Empfangssituation und das Senderangebot haben nur einen äußerst geringen Einfluss auf die Fernsehgewohnheiten. Die Anzahl der Sender im 'Relevant Set' der Zuschauer variiert zwischen fünf und sechs - und zwar ganz egal, ob nur analoger Kabelempfang oder die komplette
Digitalpalette zur Verfügung stehen."

Dabei hat sich die Zahl der Sender, die ein Haushalt hierzulande im Durchschnitt empfängt, tatsächlich enorm gesteigert. 36 waren es der Studie zufolge im Jahr 2004, heute sind es schon 82. Trotzdem bestreiten die Zuschauer 80 Prozent ihrer TV-Nutzung der Studie zufolge mit nur sechs Kanälen. Im Schnitt nur 15 Sender werden dabei pro Monat mindestens zehn Minuten lang eingeschaltet. "Dramatische Verschiebungen" seien auch in näherer Zukunft nicht zu erwarten, ist man sich bei SevenOne Media sicher, das "Relevant Set" bleibe nahezu konstant.

Bewegung gebe es in der Zuschauergunst aber sehr wohl, allerdings vor allem unter den kleineren, seltener genutzten Sendern. Das Beispiel, das ProSiebenSat.1 an dieser Stelle natürlich herausstellen muss: Sixx. Der Sender habe 16 Plätze aufholen können und liege inzwischen auf Platz 15 in der Gunst der Zuschauer. "Das Beispiel von Sixx zeigt: Es gibt Bewegung im Sehverhalten der Deutschen, allerdings eher bei den Spartenkanälen und insgesamt deutlich
schwächer als es die Entwicklung der Sendervielfalt nahe legen würde", konstatiert SevenOne Media.

Soll man nun also RTL oder ProSiebenSat.1 glauben? Das darf jeder selbst entscheiden, etwas mehr Klarheit bringt aber ein Blick auf die Marktanteils-Entwicklung. Rechnet man die acht großen Sender zusammen, dann erreichten Sie in diesem Jahr bislang einen Marktanteil von 66,8 Prozent beim Gesamtpublikum. Das ist in der Tat ein Rückgang um 1,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings verliert allein RTL sogar mehr, nämlich 1,5 Prozentpunkte. Bei den 14- bis 49-jährigen kommen die acht Großen zusammen auf 71,4 Prozent, 1,1 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. RTL allein liegt allerdings 1,8 Prozentpunkte im Minus. Die Betrachtung der Entwicklung seit 2001 zeigt - mit Schwankungen - einen Rückgang, allerdings in sehr gemächlichem Tempo.

Die Acht Großen© DWDL
Marktanteile der acht großen Sender aufsummiert

RTL-Sprecher Christian Körner sieht zwischen der Argumentation von RTL und der Studie hingegen keinen Widerspruch: "Die Tatsache der fortschreitenden Marktfragmentierung steht, anders als Sie schreiben, in keinerlei Widerspruch zu einem Nutzungsverhalten der Zuschauer, bei dem wenige starke Sender das „relevant set“ bilden. Leuchttürme, die in einer digitalen Welt Orientierung geben, wird es auch in Zukunft geben. Die Frage ist nur, wie groß sie dann sind. Denn es gibt sie wirklich, die Fragmentierung, wir haben sie nicht erfunden. Vielleicht hilft dazu ein Blick zurück, allerdings nicht nur der ins Vorjahr: Von 1995 bis 2012 haben alle großen Sender im Halbjahresvergleich verloren: RTL von 20,4 auf 16,7 Prozent, Sat. 1 von 14,8 auf 10,2, Pro 7 von 15,2 auf 11,3, ARD/Das Erste von 11,3 auf 7,3 und das ZDF von 9,7 auf 6,8 Prozent beim jungen Publikum. Diese Entwicklung ist über die Jahre, von wenigen Ausreißern nach oben abgesehen, kontinuierlich. Gewonnen dagegen haben die Sender der sogenannten zweiten Generation, allen voran VOX, aber auch RTL II oder kabel eins, die Sie interessanterweise allesamt zu den großen Sendern zählen. Und zugelegt haben in Summe auch sämtliche anderen Angebote, inkl. RTL Nitro oder auch Sixx, von damals insgesamt 17,0 auf heute 28,5 Prozent. Das sind einfach nur blanke Zahlen, für die es keine Studie und keine Interpretationen braucht, die aber bei der Einordnung helfen können, selbst im Sommerloch."