Zeiler wehrt sich: Ein Chef müsse "sagen, wohin die Reise geht"
Nach nur 103 Tagen verkündete RTL vergangene Woche überraschend die Trennung von Marc Conrad als Geschäftsführer des Senders. Die erste Pressemitteilung verpackte die ganze Angelegenheit noch in wohlklingende Worte: Von einer "gemeinsamen Entscheidung" war die Rede, Marc Conrad wurde als "herausragender Fernsehmacher", der "vielfältige Anregungen" eingebracht habe, verabschiedet und auch Conrad bezeichnete in dieser Erklärung die vergangenen Monate als "interessant und lehrreich" und betonte, sich auf die angekündigte weitere Zusammenarbeit mit RTL zu freuen.
Aber dass hinter den Kulissen doch nicht alles so einvernehmlich und freundschaftlich über die Bühne gegangen ist, wurde im ersten Interview von Marc Conrad nach seiner Entlassung deutlich, in dem er von einer "gemeinsamen Entscheidung" schon nichts mehr wissen wollte und auch sonst einige Schüsse in Richtung Vorgänger und Nachfolger Gerhard Zeiler abgab. Auch Ex-RTL-Chef Helmut Thoma mischte sich schließlich noch in die Angelegenheit ein und bezeichnete Zeiler als jemanden, der "überhaupt keine Ahnung vom Fernsehen" habe.
Conrad war zu wenig das "Gesicht des Senders nach draußen"
Das alles wollte nun wohl auch Gerhard Zeiler nicht unkommentiert so stehen lassen und meldete sich im "Spiegel" zu Wort. Dabei gab er sich durchaus selbstkritisch, aber nicht ohne mit Seitenhieben auf Marc Conrad zu sparen. Dessen Berufung sei ein Fehler gewesen, so Zeiler, für den er verantwortlich sei. Damit begründete er auch seine Rückkehr auf den Geschäftsführerposten: "Wenn ich einen Fehler mache, bügle ich ihn auch aus."
Zeiler kritisierte dabei besonders Conrads Rückzug aus der Öffentlichkeit. Dieser hatte erst wenige Tage vor seinem Rauswurf sein erstes großes Interview gegeben, über die geplanten Änderungen am mächtig schwächelnden RTL-Programm wurde in den ersten Hundert Tagen quasi nichts bekannt. "Wichtig ist, dass ein Sender und sein oberster Manager klipp und klar sagen, wohin die Reise geht. Es sollte eigentlich klar sein, dass ein RTL-Chef alles sein muss: nach drinnen der Kopf, nach draußen das Gesicht und, wenn Sie wollen, auch der Zirkusdirektor", so Zeiler.
"Selektive Wahrnehmung"? Selbstverständlich sei Conrad vorgewarnt worden
Auch auf den Vorwurf Conrads, es habe für ihn keine "Vorwarnung" gegeben und ihm sei nicht klar gewesen, dass etwas nicht so läuft, wie die Bosse der RTL-Group sich das vorstellten, ging Gerhard Zeiler ein: Zwar habe es "keinen großen Krach" mit Conrad gegeben, "die nötigen Gespräche" seien jedoch geführt worden. Vermutlich habe es eher eine "selektive Wahrnehmung" Conrads gegegeben, "und die mag sogar Teil des Problems gewesen sein".
Auch mit Selbstkritik sparte Zeiler jedoch nicht. So kommentierte er die schwächelnden Marktanteile des Senders, der im Februar auf den mit Ausnahme des EM-Monats Juni schlechtesten Wert in der Zielgruppe des letzten Jahres zusteuert, mit den Worten: "Für einen Weltrekord sind wir momentan nicht fit genug." Im Gegensatz zu Ex-RTL-Chef Thoma, der einen mehrere Jahre dauernden Stillstand bei RTL ausgemacht hatte und Zeiler vorwarf "inhaltlich noch nie etwas getan" zu haben, sieht Zeiler jedoch genau das Gegenteil als Grund für die derzeitige Schwäche.
"Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten zu viele Programme in zu kurzer Zeit auf den Schirm gebracht", so der RTL-Chef. Dabei habe man die Weiterentwicklung bestehender Erfolgsformate vernachlässigt. Daraus ergibt sich auch die Schlussfolgerung Zeilers über die weitere Programmentwicklung: RTL brauche keine Revolution, sondern eine "selbstkritische Analyse mit anschließender Evolution".