Herr Beckmann, Sie haben einer Einstellung des Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Erfurt unter Zahlung einer Auflage zugestimmt. Sie haben stets beteuert, unschuldig zu sein. Warum akzeptieren Sie diesen Deal?

Bislang liegt der Bescheid der Staatsanwaltschaft nicht vor. Diesen Vorbehalt muss ich machen. Es gäbe für mich drei Gründe die Zahlung zu akzeptieren: Erstens bin ich jetzt fünf Jahre lang nicht mehr beim Kika, seit fast drei Jahren wird jetzt von der Staatsanwaltschaft zum Kika ermittelt. Das ist ein sehr langer Zeitraum und ich möchte endlich einen Schlussstrich ziehen, damit ich mich ganz meinen jetzigen Aufgaben widmen kann. Der zweite Grund ist für mich ein ebenso wichtiger: Die Auflage in Höhe von 30.000 Euro wird zum Teil dem Kika zur Verfügung gestellt. Das geht auf meinen Vorschlag zurück. Auch wenn ich weiß, dass ich keine unangemessenen Kosten zu verantworten habe. Und drittens: Ein möglicher Prozess würde das Verfahren weiter in die Länge ziehen und würde mich selbst bei einem Freispruch deutlich mehr kosten.



Der Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens käme ja ganz passend für Sie: In diesen Tagen muss der NDR-Verwaltungsrat über die Verlängerung ihres am 31. Oktober auslaufenden Vertrages als NDR-Programmdirektor Fernsehen entscheiden...

Auf staatsanwaltschaftliche Verfahren können Sie keinen Einfluss nehmen. Die beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun. Im Gegenteil, ich hätte mir eine frühere Einstellung gewünscht.

Sie nehmen damit in Kauf, dass die Angelegenheit in der Sache nie geklärt wird und man Ihnen einen so etwas wie einen Freispruch zweiter Klasse attestieren wird...

Um das klar zu sagen: Die Sache wäre damit beendet, die Ermittlungen sind dann eingestellt. Sonst würde die Vereinbarung für mich keinen Sinn machen. Und das Zweite ist: Es ist abgeschlossen, ohne dass ich irgendeine Schuld einräumen würde. Wäre das eine Bedingung der Staatsanwaltschaft gewesen, hätte ich der Einstellung des Verfahrens niemals zugestimmt und es auf einen Prozess ankommen lassen. Sie haben aber Recht, ich nehme damit aus den genannten Gründen zwei Dinge in Kauf: Eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung und das Risiko, dass manche das möglicherweise als Freispruch zweiter Klasse werten. Ich weiß für mich: Ich habe mir nichts vorzuwerfen.

Eine Einstellung des Verfahrens würde den  Weg frei zu machen für eine Verlängerung ihres Vertrages, die schon einige Zeit im Raum stand. Haben Sie Verständnis dafür, dass NDR-Intendant Lutz Marmor eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft wichtiger war als Ihr Wort?

Ich habe den NDR und zuvorderst auch den Intendanten immer vollkommen transparent über den Fortgang des Verfahrens informiert. Aber selbst ich wusste zu Beginn der Ermittlungen nicht, ob ich nicht womöglich doch irgendeinen Fehler gemacht haben könnte, den ich vielleicht nicht bemerkt hätte. Ich habe daher selbst vorgeschlagen zunächst abzuwarten. Heute – in Kenntnis aller Akten - weiß ich, die Vorwürfe sind unbegründet.
 
Fühlten Sie sich in der Diskussion bzw. Berichterstattung rund um die Ermittlungen fair behandelt?

Meinungen kann jeder äußern, ob sie mir gefallen, ist unerheblich. Viele haben die Unschuldsvermutung ernst genommen. Das hat mich gefreut. Die Vorwürfe hatten nichts mit den eigentlichen Betrügereien des Herstellungsleiters zu tun. Sie erstreckten sich nur auf ein regelmäßiges Treffen der Kinderprogramm-Macher. Auf dieser Veranstaltung wurde ich verabschiedet und mein Nachfolger vorgestellt. Die meisten Journalisten waren wahrscheinlich schon auf vielen solcher Veranstaltungen zu Gast. Vielleicht hat das zur Relativierung beigetragen.

Sie schauen also auch weiterhin Ihr eigenes Medienmagazin „Zapp“?

(lacht) Natürlich. Da gilt: auch selbstkritische Berichterstattung ist in Ordnung. Ich möchte nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Für „Zapp“ gab es in dem Fall kein Wenn und kein Aber.  

Können Sie die intensive Beobachtung dieses Falls nachvollziehen?

Öffentlich-rechtliche Sender stehen aus gutem Grund besonders im Blickfeld. Es geht ja um Gelder, die uns der Beitragszahler anvertraut hat. Was jene Veranstaltung betrifft, um die sich alles dreht: Seit Gründung des Kika kommen alle zwei Jahre die Vertreter von ARD und ZDF, die Produktionsfirmen und auch die Mitarbeiter des Kika zusammen. Das wurde über mehr als zwölf Jahre nie beanstandet. Diesen Rahmen haben wir genutzt, um den einen Geschäftsführer zu verabschieden und gleichzeitig den Nachfolger vorzustellen. Es war also keineswegs eine interne Veranstaltung. Die Aufsichtsgremien und Vorgesetzte waren informiert, das alles ist aktenkundig. Was meinen Teil der Verantwortung betrifft, wurde die Veranstaltung korrekt abgewickelt.

An deren Umsetzung Sie nicht beteiligt waren?

Richtig. Die Einladungsliste war mit mir abgestimmt. Das war es. An der Organisation des Programms an dem Abend war ich nicht beteiligt. Das hat wie immer der Herstellungsleiter übernommen, der inzwischen verurteilt ist. Zur Verabschiedung hatte er tatsächlich einige Überraschungen organisiert. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich davon nichts wusste und schon deshalb auch die Kosten nicht kannte. Die gesamte Veranstaltung war daher in meinen Augen angemessen und üblich.

Sie sagten, dass Sie keinerlei Schuld anerkennen. Anders gefragt: Ärgern Sie sich über sich selbst?

Ich hätte ganz sicher keine Verabschiedung und keine Überraschungen gebraucht, und schon gar nicht, wenn ich gewusst hätte, was daraus folgt.

Deswegen frage ich ja auch, ob Sie sich ärgern...

Natürlich ärgere ich mich. Viel mehr ärgere ich mich jedoch über den Betrug durch den Herstellungsleiter.

Das ist u.a. unter Ihrer Geschäftsführung passiert...

Wenn jemand eine hohe kriminelle Energie hat, Komplizen findet und eine Gefängnisstrafe in Kauf nimmt, dann ist keine Kontrolle zu hundert Prozent sicher. Der Herstellungsleiter hatte von Anfang an ein System etabliert, bei dem er die Rechnungen komplett an der Programmgeschäftsführung vorbeimogelte. In meiner Amtszeit ist nie etwas Wesentliches beanstandet worden - weder vom MDR, noch von den Rechnungshöfen und auch nicht von den Revisionen, die über viele Jahre den Kika kontrolliert haben. Er hat alle getäuscht, auch mich. Und, ja, das ärgert mich und das bedauere ich wirklich – auch fünf Jahre danach.

Herr Beckmann, herzlichen Dank für das Gespräch.