Welcher Verlag trennt sich von einem Chefredakteur ausgerechnet an jenem Tag, an dem dessen Magazin einem Relaunch unterzogen wird? Die Antwortet lautet: Gruner + Jahr. Dominik Wichmann ist seinen Job als Chefredakteur beim "Stern" jedenfalls schneller los als er sich das vermutlich noch vor ein wenigen Wochen hat träumen lassen. Am Donnerstag ging nun jedenfalls auf einmal alles ganz schnell: Eilig wurde die Redaktion am Nachmittag zu einer Vollversammlung zusammengerufen, auf der der Beschluss des Vorstands, Wichmann abzulösen, bekanntgegeben wurde.

Nur noch wenig scheint am Ende gepasst zu haben. Anders ist es kaum zu erklären, dass der Verlag dem einst mit Ruhe und Weitsicht in die Wege geleiteten Übergang an der "Stern"-Spitze quasi von heute auf morgen ein Ende bereitet. Bereits im September 2010 hatte Gruner + Jahr den Wechsel des damaligen "SZ-Magazin"-Chefs zum "Stern" bekanntgegeben. Mitte 2011 kam er schließlich nach Hamburg, wo er seitdem als stellvertretender Chefredakteur fungierte. Anfang 2013 wurde Wichmann zum gleichberechtigten Chefredakteur an der Seite von Thomas Osterkorn und Andreas Petzold ernannt, ehe er seit dem 1. Mai 2013 das alleinige Sagen hatte.

Wohl selten wurde ein Übergang in der Chefredaktion so sorgfältig vorbereitet wie in diesem Fall. "Wir haben den Generationswechsel bestmöglich organisiert", ließ Petzold damals verlauten. Doch das Beste war offenbar nicht gut genug. Fast schon wie Realsatire kommt der erste Satz einer am Donnerstag verschickten Pressemitteilung daher, wonach sich der Vorstand von Gruner + Jahr und Dominik Wichmann "in Trennungsgesprächen" befinden und stattdessen "Gala"-Chefredakteur Christian Krug zum 1. Oktober neuer Chefredakteur beim "Stern" werden soll. Was folgt, sind eine ausführliche Vita von Wichmanns Nachfolger und dem bisherigen Chefredakteur des "Stern" sowie lange Zitate von Christian Krug, Julia Jäkel und Stephan Schäfer. Andreas Petzold soll nun bis Oktober vorübergehend die Zügel in der Hand halten. Er, immerhin Herausgeber sowie Wichmanns Vorgänger und Nachfolger, schweigt übrigens an diesem Tage.

Warum man mit Wichmann "Trennungsgespräch" führt - darüber wird in der Pressemitteilung kein Wort verloren. Und das Dementi, das man im am Donnerstag erschienenen "Horizont" verlauten ließ, erwies sich als glatte Lüge. "Dominik Wichmann ist und bleibt Chefredakteur des 'Stern'", ging dort einem G+J-Sprecher über die Lippen. Alles Quatsch, wie man nun weiß. Zu lesen war von einem autoritären Führungsstil, aber auch, dass sich Wichmann gegen zu starke Sparmaßnahmen des Verlags gewehrt haben soll. An den rückläufigen Verkaufszahlen alleine kann die Entscheidung kaum gelegen haben - auch wenn insbesondere im ersten Quartal die harte Auflage des "Stern" massiv eingebrochen ist. Dass man Wichmann dennoch ein weiteres Mal am Heft schrauben ließ und ihn nun loswerden will, irritiert jedoch selbst langjährige Verlagsmitarbeiter.

"Dominik Wichmann hat als Chefredakteur des 'Stern' viele wichtige Impulse gesetzt und im Frühjahr des letzten Jahres einen umfassenden Veränderungsprozess des ’Stern' in Print und digital eingeleitet", so Julia Jäkel, Vorstandsvorsitzende von Gruner + Jahr. Voll des Lobes sagt sie: "Diese Neuerungen waren wichtig. Wichmann hat mit großem Elan und viel Energie das journalistische Profil des stern gestärkt, sein Gesicht modernisiert und ihm eine neue Frische gegeben." Christian Krug soll an diese Arbeit anknüpfen. "Wir erwarten von ihm, dass er den unabhängigen, kritischen und relevanten Journalismus des 'Stern' weiterentwickelt."

Christian Krug, der schon Ende der 80er Jahre für den "Stern" als Inlands-Korrespondent in München arbeitete, ist indes gespannt auf seine neue Aufgabe. "Ich freue mich sehr, dass ich nach meinen Erfahrungen bei unterschiedlichen Verlagen und Mediengattungen wieder in meine journalistische Heimat, dem 'Stern' zurückkehre. Ich bin dort beruflich geprägt worden und hatte die spannendste Zeit meiner Laufbahn. Umso mehr bedanke ich mich für das Vertrauen, den ’Stern' nun gemeinsam mit der Redaktion weiter zu entwickeln und ihn noch stärker zu machen." Wichmann selbst hat sich übrigens nicht geäußert. Aber auch schon in einer Mitteilung des Verlags, die zusammen mit dem erneuerten "Stern" am Donnerstag in verschiedene Redaktionen geschickt wurde, kam Wichmann nicht zu Wort. Und so bleiben an diesem Donnerstag also viele Fragen offen.