Der größte Show-Neustart in diesem Jahr droht nach einer Woche zu floppen: Nachdem die Auftaktquoten von "Rising Star" nicht wirklich berauschend waren, sollte in der zweiten Ausgabe nun alles besser werden. RTL kündigte bereits Veränderungen an und erklärte, man habe die Kritik aufmerksam verfolgt. Trotz dieser Ankündigung war die Show am Samstag streckenweise noch immer sehr langatmig, doch nun hat man bei RTL ein neues Problem: Die Kandidaten begehren auf. 

So sagte bereits nach etwa 45 Minuten eine ausgeschiedene Kandidatin, dass die Song-Auswahl nicht allein ihre Entscheidung gewesen sei. Sichtlich angefressen verließ sie daraufhin die Bühne, schließlich hatten die Juroren zuvor kritisiert, dass sie sich den falschen Titel ausgesucht habe. Zum Eklat kam es dann am Ende, beim letzten Kandidaten-Paar des Abends. Zwei Freunde kamen ebenfalls nicht weiter und erklärten im Anschluss an die vernichtende Jury-Kritik, dass sie in Zukunft nur noch Songs singen würden, die sie auch mögen. 

Bei Anastacia, Sasha, Joy Denalane und Gentlemen sorgte diese Aussage für Verwunderung. Anastacia hakte konkret nach. Moderator Rainer Maria Jilg versuchte die Situation zu retten, indem er erklärte, dass den Talenten ein musikalischer Leiter zur Seite stünde, mit denen sie die Song-Auswahl machen würden. Doch darauf stieg das Kandidaten-Duo nicht ein und erklärte stattdessen: "Wir waren selbst überrascht, dass wir den Song bekommen haben. Das war kein Song, den wir auf der Liste hatten." Das Publikum im Studio quittierte das mit lauten Buh-Rufen - gerichtet gegen den Sender.

Anastacia konnte das Gesagte offenbar kaum glauben und forderte die Kandidaten in einem etwas unklaren Appell auf, sich das nächste Mal von niemandem beirren zu lassen. "Wenn ihr den Song nicht mögt, kommt damit nicht auf die Bühne", so die Sängerin, die sich mit der Kritik auf dünnem Eis bewegt, wenn es scheinbar nicht die alleinige Entscheidung der Kandidaten ist. Die beiden Freunde waren dann sichtlich irritiert durch die peinliche Stille im Studio - durchbrochen nur von Buh-Rufen und Pfiffen. Sie bemühten sich, die Situation nicht noch weiter eskalieren zu lassen. So erklärten sie, "Rising Star" sei eine tolle Show und sie seien trotzdem froh, dabei gewesen zu sein. 

Im Netzt tobt derweil der erwartbare Shitstorm. Sowohl bei Twitter als auch bei Facebook beschweren sich die User, dass die Kandidaten ihre Songs nicht selber auswählen können. Das "Rising Star"-Team hat bereits reagiert und eine Stellungnahme veröffentlicht: "Die Talente machen selbst Vorschläge oder sie bekommen Songvorschläge. Entscheiden tun am Ende nur sie selbst." Bei der anschließenden Songfindung und der Vorbereitung auf die Show würden sie dann mit Vocalcoaches zusammenarbeiten, so RTL. 

Auch wenn es entsprechende Kandidaten-Kritik zuvor schon in anderen Castingshows gegeben hat: Die zweite "Rising Star"-Ausgabe hinterlässt schon wieder einen faden Beigeschmack. Wollte RTL die Show doch eigentlich als ernstzunehmende Castingshow aufstellen, als eine Alternative zu "The Voice". Das geht aber natürlich nicht, wenn man Kandidaten so weit reinredet, dass sie sich auf der Bühne nicht mehr wohlfühlen. Jetzt muss man in Köln nach den durchwachsenen Auftakt-Quoten auch noch mit negativen Schlagzeilen leben. Und auch die Juroren können mit der Situation nicht zufrieden sein, auch auf sie färbt der Imageschaden ab. Kein Wunder, dass Joy Denalane die Situation am Ende mit einem "also ich finde das unmöglich" kommentierte als sich Rainer Maria Jilg gerade vom Publikum verabschiedete. Möglicherweise dachte Denalane, dass ihr Mikro schon ausgeschaltet sei. 

Am Ende ist der Eklat im Studio in erster Linie peinlich. Peinlich, weil die Jury-Experten von "Rising Star" offenbar bis gestern Abend gar nicht wussten, wie die Show funktioniert, in der sie da sitzen. Und dass offenbar zahlreiche Zuschauer sofort zwei gerade ausgeschiedenen Kandidaten Glauben schenken, die sich aus Frust plötzlich der Verantwortung für die Songauswahl entziehen wollen, verrät viel über die Glaubwürdigkeit, die sich RTL im Bereich Show und Casting über viele Jahre systematisch ruiniert hat, indem man das Publikum zu oft an der Nase herum geführt hat - um es freundlich zu formulieren.