Vermutlich war es lustig gemeint. Gelacht haben allerdings nur wenige über eine Bilderserie, die der "Krautreporter" Tilo Jung am Sonntag, dem Weltfrauentag, auf seinem Istagram-Account veröffentlichte. Zu sehen ist darauf eine junge Frau im Bikini, die am Strand ihren Begleiter an der Hand hält. Was nach Idylle klingt, kommt im zweiten Bild schon ganz anders daher. Dort ist anstelle der Hand nämlich ein Fuß zu sehen, der der Frau in den Rücken tritt, ehe sie dem vierten Bild schließlich im Wasser liegt. Jung veröffentlichte das Foto unter der Überschrift "Women's Day" - und fing sich dadurch einen gehörigen Shitstorm ein.

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Bei der Bilderserie handelt es sich um eine Anspielung auf zahlreiche Fotos, die der Fotograf Murad Osmann seit Jahren veröffentlicht. Sie zeigen stets seine Freundin, die ihn an die Hand nimmt und an verschiedene Flecken der Erde führt. Neu ist das Bild von der unbekannten Frau, die ins Wasser getreten wird, nicht. Es kursiert bereits seit einigen Monaten durchs Netz. Nun könnte es Jung zum Verhängnis werden. "Mein Fehler, tut mir leid", ließ er seine Anhängerschaft schon kurz nach der Veröffentlichung via Twitter wissen. "Am Weltfrauentag - via Instagram - als Mann einer Frau in den Rücken zu treten, ist symbolische Selbstverbrennung", schob der Journalist wenig später hinterher.

Wenig begeistert waren auch die "Krautreporter", die vor einigen Monaten bekanntlich mit dem provokanten Slogan antraten, den ihrer Meinung nach kaputten Online-Journalismus wieder hinzubekommen. Auch Tilo Jung gehört seither mit seinem mit dem Grimme-Online-Award prämierten Video-Format "Jung & Naiv" zu dem Projekt. Unumstritten ist er nicht. Manch einer störte sich etwa an seiner Reise in den Nahen Osten. So kritisierte Christian Böhme im "Tagesspiegel" das "arg bescheidene Niveau" eines Gesprächs zwischen Jung und einem Fatah-Politiker. "Ein unsägliches Interview" sei das gewesen. Kritik erntete Tilo Jung kürzlich auch vom Journalisten Falk Steiner, der seinem jungen Kollegen vorwarf, seine Fragen in der Regierungspressekonferenz "in aller Regel auch ohne jede ernsthafte Vorbereitung" zu stellen.

So recht will das alles also nicht passen zu den hehren Ansprüchen, die die "Krautreporter" einst formulierten. Kein Wunder, dass Herausgeber Sebastian Esser schon am Montag Konsequenzen ankündigte. Inzwischen ist klar: Jung erhält eine zweite Chance. "Es wäre eine einfache Lösung, wenn Krautreporter sich von Tilo Jung trennen würde. Aber es wäre nicht die richtige. Jeder hat das Recht auf einen bescheuerten Tweet - zumindest, wenn er versteht, was er falsch gemacht hat", schrieb Esser am Dienstag. Vorerst werde man zwar keine Beiträge von ihm veröffentlichten, doch Jung soll ein Teil von "Krautreporter" bleiben.

Esser findet jedoch deutliche Worte. Jungs Post sei frauenfeindlich, weil er mit Gewalt gegen Frauen kokettierte. "Krautreporter akzeptiert das Kokettieren mit Gewalt gegen Frauen nicht. Es macht mich wütend, diese Selbstverständlichkeit aufschreiben zu müssen. Mit dieser Haltung will 'Krautreporter' nicht in Zusammenhang gebracht werden. Es wäre den anderen Autorinnen und Autoren nicht zuzumuten, sich mit einem Medium zu identifizieren, bei dem so etwas als akzeptabel gilt." Nun liegt es jedoch an Tilo Jung, der Redaktion zu erklären, wie es zu dem Post kam. Er selbst verstehe inzwischen allerdings selbst nicht mehr, was daran witzig sei, soll Jung gesagt haben.

Esser: "Er sagt, ihm sei durch die Diskussion bewusst geworden, dass es einen 'blinden Fleck' bei ihm gebe. Er sagt, er wolle daran arbeiten. Und er hat um Entschuldigung gebeten. Wir haben die Entschuldigung angenommen." Nun wollen die "Krautreporter" ihm Zeit geben, den "blinden Fleck" auszuleuchten. "Es ist seine Entscheidung, ob und wie er auf diese Fragen antworten will." Ganz neu ist Tilo Jungs offenkundiges "Frauen-Problem" allerdings nicht: So berichtete der "Leitmedium"-Blog schon im vorigen Jahr über einen 2012 entstandenen Dialog zwischen Jung und dem NDR-Kollegen Daniel Bröckerhoff ausgegraben. "Was ist denn Dein Problem mit Müttern, bitte?", fragte Bröckerhoff und erhielt eine erstaunliche Antwort: "So... also... untenrum." Gefallen sind die Worte auf dem YouTube-Kanal "Penisdialoge", der mittlerweile nicht mehr existiert.

Im selben Jahr entstand auch ein Werbespot für den Stromanbieter E.on, in dem Jung als Model mitwirkte. Er stellte einen Mann dar, der seine neben ihm liegende Frau mit einer Kopfnuss zum "Schlafen" bringt. Nachdem Sexismus-Vorwürfe aufkamen, wurde der Spot aus dem Programm genommen. 2012 war übrigens auch das Jahr, in dem Tilo Jung einen Satz auf Twitter veröffentlichte, dessen vermeintliche Wahrheit er nun gewissermaßen selbst bestätigte.

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Doch Jung ist in diesen Tagen nicht der einzige Problemfall in den Reihen der "Krautreporter". Wenige Stunden vor Essers Erklärung erschien am Dienstag auf der Website des Online-Portals eine weitere Meldung "in eigener Sache". Darin befasst sich Chefredakteur Alexander von Streit mit einem vermeintlichen Interessenkonflikt, der innerhalb der Redaktion für Diskussionen sorgt: So arbeitet Autor Danijel Višević, der sich bei "Krautreporter" um Kriegsfolgen und Start-ups kümmert, als Redakteur für das Video-Format "DIe Woche der Kanzlerin" für die Bundesregierung. Er und Sebastian Esser hätten davon gewusst und seien zunächst zu der Einschätzung gelangt, dass dies die journalistische Unabhängigkeit nicht beeinträchtige.

"Meine Einschätzung über das Konfliktpotenzial einer solchen PR-Tätigkeit war falsch. Was Sebastian und ich nicht beachtet haben: Eine dauerhafte Tätigkeit für das Bundespresseamt überschneidet sich fast mit fast allen Themen, die wir bearbeiten", schreibt von Streit nun, betont aber, dass es "keine Zweifel an der journalistischen Unabhängigkeit des Autors" gebe. "Trotzdem macht die gleichzeitige Arbeit für das Bundespresseamt glaubwürdige Berichterstattung schwierig. Sebastian und ich hätten außerdem dafür sorgen müssen, dass jeder Krautreporter-Mitarbeiter Bescheid wusste." Danijel Višević habe nun entschieden, seine Arbeit für "Krautreporter" solange ruhen zu lassen, wie er gleichzeitig für das Bundespresseamt arbeite.