Seit dem 1. Januar 2016 ist der Achtzehnte Rundfunkänderungs-Staatsvertrag in Kraft und ärgert die großen Privatsender mit einer neuen Werberegulierung: Anbieter, die nationale Programme ausstrahlen, dürfen Werbespots nicht mehr länger nur in einzelnen Regionen senden. In §7 steht: "Die nichtbundesweite Verbreitung von Werbung oder anderen Inhalten in einem zur bundesweiten Verbreitung beauftragten oder zugelassenen Programm ist nur zulässig, wenn und soweit das Recht des Landes, in dem die nichtbundesweite Verbreitung erfolgt, dies gestattet."

Für die beiden großen Vermarkter SevenOne Media und IP Deutschland ist das vor allem deshalb ungünstig, weil sie erst im vergangenen Jahr den Regelbetrieb zur Ausstrahlung regionalisierter Werbung aufgenommen haben. Damit sollten unter anderem neue Kunden erreicht werden, die in ihrem Verbreitungsgebiet TV-Werbung schalten wollten (z.B. Möbelhäuser, Händler oder Reiseveranstalter).

Möglich war der Betrieb, weil ProSiebenSat.1 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig erstritten hatte, dass es nicht gegen das Rundfunkrecht verstößt, wenn Werbespots regional begrenzt verbreitet werden. Das Gericht entschied Ende 2014, dass "nur die redaktionellen Programminhalte, nicht die Werbung" Gegenstand der rundfunkrechtlichen Lizenzierung sei. So lange sich ein Sender an die werberechtlichen Bestimmungen halte, könne er Werbung verbreiten wie er wolle.

Dagegen setzen sich Regionalzeitungsverlage, Radiosender und regionale TV-Stationen zur Wehr. Sie befürchten, dass bisherige Kunden seltener bei ihnen buchen, wenn sie ihre Werbebudgets bei RTL, Sat.1 oder ProSieben lassen. Verbände und Geschäftsführer erklärten, dass sie gar die Existenz mancher Regionalmedien in Gefahr sähen. Und überzeugten damit die für die Medienpolitik verantwortlichen Länder. Um sich nicht den Unmut der für die Landespolitik besonders wichtigen Regionalmedien zuzuziehen, strebten die Politiker deshalb ein Verbot der regionalisierten Werbung für nationale Anbieter an – nur Bayern sperrte sich dagegen. (Es liegt nahe, dass Edmund Stoiber als Beiratsvorsitzender von ProSiebenSat.1 daran nicht ganz unbeteiligt war.)

Im Juni 2015 allerdings zerbröselte der Widerstand und die bayerische Landesregierung kündigte an, den Weg für das Verbot im Staatsvertrag doch noch freimachen zu wollen. Vorausgegangen waren u.a. massive Beschwerden des Verbands Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV), dessen Hauptgeschäftsführer Markus Rick von der bayerischen Verweigerung als "Desaster" gesprochen hatte. Die Angelegenheit demonstriert anschaulich, wie Medienpolitik in Deutschland auf der Länderebene vor allem lobbygetrieben funktioniert.

Ob es die regionalen Medien tatsächlich an den Rand ihrer Existenz gebracht hätte, wenn das Verbot im Staatsvertrag ausgeblieben wäre, ist ungewiss. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, lediglich Prognosen. SevenOne Media argumentiert, dass Werbekunden in der Regel Mediamix-Kampagnen buchen und daher auch Hörfunk und Print weiter berücksichtigen würden. Radiosender wie Antenne Bayern sind hingegen der Ansicht, dass bestehende Budgets beim Markteintritt neuer Anbieter umverteilt würden. Das könnte für einzelne Regionalmedien tatsächlich problematisch sein. Dabei ist unklar, welche zusätzlichen Budgets die großen TV-Sender mit regionalisierter Werbung hätten generieren können. Und ob sich der ganze Aufwand dafür überhaupt lohnt.

Zumindest im vergangenen Jahr wird Verlagen und regionalem Rundfunk kein großer Schaden entstanden sein. Sonderlich viele Regionalspots (wie dieser des norditalienischen Tourismusverbands Trentino bei Sat.1 in Bayern ausgestrahlte) sind nicht gelaufen, weil die Pläne für einen Ausbau der Regionalwerbung nach der Ankündigung aus Bayern auf Eis gelegt wurden.

Theoretisch kann künftig zwar jedes Bundesland für sich bestimmen, ob es den Sendern die regionalisierte Ausstrahlung doch noch erlaubt. Bei den Vermarktern geht man aber nicht davon aus, dass es dazu kommen wird.

Bei ProSiebenSat.1 will man sich trotzdem noch nicht geschlagen geben und kündigt an, weiterhin Werbung regionaler Unternehmen zu zeigen. Die Spots laufen dann – wie alle anderen – bundesweit im Programm, werden dem Kunden aber regional rabattiert. Im Grunde genommen "verschenkt" die Sendergruppe damit einen Teil ihrer Werbezeit. Vermutlich sind die Spots regionaler Unternehmen aber nicht zur Primetime zu sehen, sondern eher in Randzeiten oder bei Spartensendern. Ein Risiko ist, dass sich auch Unternehmen, die bislang national werben, künftig einzelne Bundesländer herauspicken wollen - und nur noch dafür bezahlen.

In jedem Fall will ProSiebenSat.1 gerichtlich überprüfen lassen, ob die neue Norm im Staatsvertrag als Eingriff in die Programm- bzw. Wirtschaftsfreiheit des Unternehmens zu werten ist. Bis zum Sommer werde eine Verfassungsbeschwerde vorbereitet, heißt es in Unterföhring.

Bei der Mediengruppe RTL verzichtet man auf eine Klage und will das Thema nicht weiter forcieren. Das mag freilich auch daran liegen, dass die RTL Group in Deutschland diverse Radiosender betreibt und vermarktet - und deshalb gar kein Interesse daran hat, sich das eigene Geschäft wegzunehmen. IP Deutschland erklärt auf Anfrage, die Vermarktung regionalisierter TV-Werbung zum Jahresanfang eingestellt zu haben.

Unabhängig davon ist allerdings zweifelhaft, ob das Verbot den Zeitungsverlagen und Radiosendern dauerhaft Schutz vor Konkurrenz in ihren Märkten bieten kann. Google und Facebook drängen massiv in die regionale Werbung, Facebook will Nutzern seiner Smartphone-App passgenaue "Local Awareness Ads" zu ihrem jeweiligen Aufenthaltsort anzeigen. Dagegen wird auch der Staatsvertrag nichts ausrichten können.

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