Seit sich Anja Reschke vor zwei Jahren in einem "Tagesthemen"-Kommentar gegen rassistische Hetze im Internet aussprach, sah sich die Journalistin öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt. "Es gab Momente im Herbst 2015, da dachte ich: Jetzt hältst du dich mal zurück, sprichst keinen Kommentar, gehst nicht in Sendungen“, sagte Reschke in einem Interview mit der "Zeit Hamburg". "Aber dann dachte ich: Das kann doch nicht sein, das ist doch dein Job, du hast nichts Falsches gemacht. Das ist genau das, was die erreichen wollen: dass ich meinen Mund halte."

In dem Interview berichtet Reschke von hunderten Reaktionen, in denen sie etwa als "linksversiffte Schlampe" oder "bezahltes Lügenmaul" bezeichnet wird. "Einmal hat jemand bei der Polizei angerufen und gesagt, ich läge zerstückelt in meiner Küche. Da stand plötzlich eine voll bewaffnete Polizeieinheit vor meiner Tür." Einige Schreiben habe sie zur Anzeige gebracht, erzählt die Moderatorin des ARD-Politmagazins "Panorama", die die ausgesprochenen Morddrohungen und Vergewaltigungsfantasien befremdlich findet, wie sie sagt.

"Viel mehr erschüttert aber hat mich diese rassistische Welle unter dem bürgerlichen Deckmantel", sagt Anja Reschke in der "Zeit Hamburg". "Vielleicht ist das naiv, aber wir war vor 2015 nicht bewusst, dass dieser Fremdenhass so verbreitet ist. Dass es immer noch so viele gibt, die sich als etwas Besseres oder Erhabeneres fühlen möchten, weil sie deutsch sind oder weiß oder Christen." Durch all die Kommentare sieht sich die Journalisten zudem ins falsche Licht gerückt: "Alle Menschen, die mich kennen, wissen, ich bin nicht die unkritische Flüchtlings-Ursel, nicht die Friede-Freude-Eierkuchen-Hurra-Frau."

Durch ihren Kommentar von 2015 sei sie aber von vielen in dieser Ecke positioniert worden. "Das ist mein Label. Ich habe es aufgedrückt bekommen, ohne es mir ausgesucht zu haben." Reschke sagt, dass sie die Ereignisse verändert haben. "Das Erlebte hat mir vielleicht eine Unbefangenheit genommen. So eine grundpositive Einstellung." Wenn heute jemand auf sie zukäme und sage: „Sie sind doch Frau Reschke", dann halte sie kurz die Luft an und denke: Freund oder Feind?