Das Thema der Medientage München 2017 - „Media.Trust.Machines“  treffe den Nerv der Zeit, so Anke Schäferkordt. Die Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland sieht die Branche im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Debatten, dem Segen und Fluch der digitalen Öffentlichkeit und technischen Herausforderungen. Ein Begriff aber fehle ihr: Value. Es müsse auch darüber gesprochen werden, wie im digitalen Wettbewerb noch Wertschöpfung erzielt werden? Wo liegen nicht nur schöne Ideen sondern auch Geschäftsmodelle? Diese Betrachtung ist die Grundlage für Schäferkordts Forderungen an die Medienpolitik, die sie mit einem umfassenden Blick auf den Status Quo der Medien in Deutschland einleitete.

Natürlich bekam die Medienpolitik erwartbar ihr Fett weg, doch die eigentlichen Gegner seien Google, Facebook und Co, weil im Wettbewerb mit den US-Medienkonzernen ein fairer Wettbewerb fehle. Dabei hätten deutsche Medienhäuser durchaus selbst mitgeholfen, Google und Facebook groß zu machen. Wenn man mit seinen Inhalten auf deren Plattformen gehe, weil Nutzer dort unterwegs sind, dann steigt natürlich die Nutzung genau dort und nicht bei den deutschen Medienhäusern. Kartellfragen, Marktmissbrauch, Steuerfragen, Fake News und der Umgang mit Hatespeech sind viel zu spät zum Thema geworden als die Marktteilnehmer aus dem Silicon Valley längst zu den wertvollsten Unternehmen der Welt geworden sind.

Erst als die Dominanz schon gegeben war, wurde die Medienpolitik hellhörig und Schäferkordt munkelt: „Ob die Themen ohne Bundestagswahl in diesem Jahr so diskutiert worden wären, kann man auch bezweifeln.“ Ihre Kernbotschaft: Das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Mit Blick auf das Trendthema Fake News sagt Schäferkordt: Die beste Antwort darauf bleibe sauberer Journalismus, aber bei der Berichterstattung zu den Flüchtlingsströmen und dem US-Wahlkampf müssten sich die Medien in Einzelfällen auch an die eigene Nase fassen. Medien müssten sich auch selbst hinterfragen: „Haben wir immer das umfassendste Bild vermittelt? Oder haben sich einzelne Marktteilnehmer bei der Auswahl von Bildern und Fakten ihrer Berichterstattung vom eigenen Wunschbild der Gesellschaft leiten lassen?“

Es sind solche Zwischentöne, die der sonst von Forderungen und Eigeninteressen geprägten Keynote eine zusätzliche Ebene gegeben haben. Und es sollte - anders als beim harmlosen Interview in der heutigen "Süddeutschen Zeitung" - noch deutlich meinungsfreudiger und für Schäferkordt ungewohnt scharf werfen. Letztlich war es dann doch wieder einmal der Spielraum für die Öffentlich-Rechtlichen, der die Chefin der Mediengruppe RTL Deutschland am meisten störte und im Saal für den größten Lacher und lautesten Spontan-Applaus sorgte. Aber der Reihe nach, hier die von Schäferkordt bei den Medientagen München formulierten Forderungen an die Medienpolitik:

  • Es brauche mehr Kooperationsmöglichkeiten für nationale Unternehmen und eine Anpassung der Marktbetrachtungen und Marktabgrenzungen an reale Wettbewerbssituationen. Sonst hätten überregulierte deutsche Medienhäuser gegenüber internationalen Marktteilnehmern, die sich um solche Regeln selten scheren, das Nachsehen.
  • Im Zuge dessen aktualisierte Anke Schäferkordt einmal mehr die auch vom Branchenverband VPRT schon lange geforderte Forderung nach einem Update des Medienkonzenrationsrechts, das unverändert allein die Marktmacht im Fernsehen kontrolliert und dem Medium damit gegenüber anderen Medienformen einen Nachteil verschafft.
  • Schäferkordt forderte auch eine schnelle Entscheidung zur Plattformregulierung, die Zugang und Auffindbarkeit der Medieninhalte strukturell sichert. Nur so seien Investitionen in Inhalte gesichert. Ein sehr aktuelles Thema, wenn Plattformbetreiber wie die Deutsche Telekom (wieder einmal) in eigene, exklusive Inhalte investieren. Schäferkordt nennt wiederum Samsung als Beispiel: Warum dürfen Hersteller mit über die Fernsehinhalte gelegten Angebote Geld verdienen?
  • Es braucht eine Werbeliberalisierung und Flexibilisierung für Rundfunk in der neuen europäischen Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste, die weitere Werbeverbote vermeidet. Während z.B. Printmedien in Sachen Werbung keinerlei Auflagen erfüllen müssen, ist der Rundfunk weiterhin auf eine fixe Zahl von Werbeminuten beschränkt.
  • Schäferkordt warnte einmal mehr vor der auf europäischer Ebene diskutierten Überarbeitung der sogenannten SatCab-Verordnung. Aus Nutzersicht würde Mediennutzung zwar europaweit grenzenloser, aber für ein Medienhaus, das zuletzt mit der Distribution seiner Programme neue Erlösquellen abseits der Werbung erschlossen hat, würde es ein Geschäftsfeld nichtig machen.
  • Richtig in Fahrt kam Anke Schäferkordt beim Bekenntnis zum dualen Mediensystem. „Marktverzerrung durch 8 Milliarden Euro Rundfunkbeitrag muss eingedämmt werden“, so die Chefin der Mediengruppe RTL Deutschland. Ihre Beobachtung: „Die Verflechtungen von Öffentlich-Rechtlichen und Medienpolitik sind immer noch eng.“ Nichts werde konkret in Angriff genommen und bisher immer noch nicht strukturell gespart bei ARD und ZDF. Stattdessen soll mehr Freiheit im Netz eingeräumt werden, damit Inhalte auch in Social Media verbreitet werden können. „Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen“, sagt Schäferkordt: Die Öffentlich-Rechtlichen sollen den Auftrag bekommen, die mit Beitragsgeld finanzierten Inhalte den US-Anbietern aus dem Silicon Valley kostenfrei verfügbar zu machen. „Hut ab vor dieser Spitze der Wettbewerbsverzerrung“, so eine spürbar aufgebrachte RTL-Chefin. Man frage sich schon, so ihr Nachsatz mit sehr energischer Stimme, ob die Chefs der US-Medienkonzerne vor lauter Lachen über die gesetzliche Wettbewerbsverzerrung in Deutschland abends überhaupt in den Schlaf kommen. Eine klare Aussage, die im Saal mit lautem Applaus quittiert wurde.
  • Und dann ging es noch um den Datenschutz. Hier brauche es zukunftstaugliche Regelungen, die das Vertrauen des Nutzers wahren, aber dennoch digitale Entwicklungen und eine Optimierung des Produkts ermöglichen. Die amerikanischen Datenplattformen seien gegenüber den europäischen Medienanbietern klar im Vorteil, weil sie eine Einwilligung des Nutzers schon bei der Registrierung eingeholt oder zur Voraussetzung gemacht haben, ihre Dienste überhaupt nutzen zu können.