Als das "Morning Briefing" des "Handelsblatts" am Freitag mit einigen Stunden Verspätung erschien und sich nicht Gabor Steingart an seine Leser wandte, sondern Chefredakteur Sven Afhüppe, dürfte den meisten Lesern bereits klar gewesen sein, dass die Spekulationen über Steingarts Abschied stimmen. Mehr als vage Andeutungen machte Afhüppe jedoch nicht. Das ist nach der inzwischen vorliegenden offiziellen Bestätigung der Personalie nun anders. Sowohl im gedruckten Blatt als auch im Newsletter geht der "Handelsblatt"-Chefredakteur auf Steingart ein.

Dabei macht Afhüppe keinen Hehl daraus, mit der Entscheidung des Verlegers Dieter von Holtzbrinck unzufrieden zu sein, wenngleich er sie "respektieren" will. "Ich und die 'Handelsblatt'-Redaktion wären diesen erfolgreichen Weg der Erneuerung gerne mit ihm weitergegangen", schreibt er über den scheidenden Herausgeber, der an der "fulminanten Entwicklung" des "Handelsblatts" großen Anteil gehabt habe. Umso mehr bewege es die Mitarbeiter, "dass Gabor Steingart unser Verlagshaus verlassen soll".

Doch auch ohne Steingart wolle man die Uhr nicht zurück-, sondern weiterdrehen. "Die Digitalisierung unserer Angebote und die englischsprachige Ausgabe 'Handelsblatt Global' treiben wir kraftvoll voran, der Live-Journalismus und damit die Nähe zu unseren Leserinnen und Lesern, wie wir sie im 'Handelsblatt Wirtschaftsclub' seit Jahren praktizieren, bleibt unser Markenzeichen", betont Sven Afhüppe. Die publizistische Unabhängigkeit sei zudem nicht verhandelbar. "Sie können sich darauf verlassen, dass das Handelsblatt weiter für unabhängigen, kritischen und fairen Journalismus steht", schreibt der Chefredakteur seinen Lesern.

Gabor Steingart war bei Dieter von Holtzbrinck in der vergangenen Woche in Ungnade gefallen, nachdem er in seinem "Morning Briefing" von einem "perfekten Mord" des scheidenden SPD-Chefs Martin Schulz an Außenminister Sigmar Gabriel schrieb. Offiziell war die Rede von "Differenzen in wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen", hinzu kämen "eine - nicht generell, aber im Einzelfall - unterschiedliche Beurteilung journalistischer Standards".

Mehr zum Thema