Mit Bertelsmann als Mehrheitsgesellschafter und einem starken deutschsprachigen Geschäft, das Quartal für Quartal sowohl in der Finanzkrise als auch den jüngeren Jahren das Rückgrat von Wachstum und Umsatz bildete, ist die Luxemburger RTL Group dem deutschen Markt sehr eng verbunden. Verstärkt wurde das in den vergangenen 15 Jahren durch die Führungskräfte des TV-Konzerns. Von 2003 bis 2012 lenkte der Österreicher Gerhard Zeiler die Geschicke, bevor 2012 Anke Schäferkordt und Guillaume de Posch übernahmen. Alle haben langjähriges Wirken im deutschen Markt gemein, bevor sie von Luxemburg aus das europäische Geschäft verantworteten.



Seit 1. Januar hat die RTL Group nun zum ersten Mal seit anderthalb Jahrzehnten einen CEO, dessen Namen und Vita so mancher in der deutschen Fernsehlandschaft erst einmal googeln musste. Dabei blickt Bert Habets auf eine lange Karriere in der RTL Group, zunächst in Luxemburg und dann seit 2001 als CFO und CEO von RTL Nederland, zurück. Dass Habets für den deutschen Markt noch weitgehend unbekannt ist, befeuert allerdings nur die Neugier auf seine Haltung zur Branche im Generellen und seine Strategie für die RTL Group im Speziellen. Zur heutigen Hauptversammlung gibt es einen ersten Fingerzeig.

„Unsere Branche wird immer komplexer und die Medienlandschaft zunehmend fragmentiert. Mit der Digitalisierung ändert sich das Konsumentenverhalten in rasantem Tempo“, attestiert der RTL Group-CEO in einem heute vom Konzern veröffentlichten Interview zunächst einmal das Offensichtliche. Seine Gedanken zur Zukunft der Fernsehnutzung decken sich mit der Strategie seiner Vorgänger, aber gehen einen Schritt weiter. Verhältnismäßig ausführlich widmet sich Habets dem großen Thema der linearen vs. non linearen Nutzung und spricht in dem Zusammenhang auch von Riskiofreude und Gründergeist.

„Je jünger die Zielgruppe ist, desto höher ist der Anteil der nicht-linearen Nutzung und der Nutzung auf mobilen Geräten. Gleichzeitig wünschen sich viele Nutzer der non-linearen Angebote mehr High-End-Drama und sind zunehmend bereit, dafür zu bezahlen“, sagt Bert Habets „Dafür gibt es einfache Gründe: Streaming-Dienste bieten ein neues maßgeschneidertes Seherlebnis und attraktive Preise. Dies gilt insbesondere für Länder mit einer hohen Pay-TV-Penetration und hohen Preisen für Premium-Pay-TV - so lässt sich das starke Wachstum von Streaming-Diensten rund um den Globus erklären.“

Darauf wolle man reagieren. „Wir haben mit unseren Senderfamilien ein hochprofitables Kerngeschäft, FremantleMedia ist erfolgreich in die Fiction vorgedrungen. Und bei Digital Video sind wir in den Bereichen AdTech und Shortform-Video führend. Wir haben die Kraft und die Plattformen, um unsere Total Video-Strategie voranzutreiben. Dafür sollten wir uns auf unsere Wurzeln besinnen und den Pioniergeist von RTL wiedererwecken – dazu gehört es, bewusst auch Risiken einzugehen, uns von den Interessen unserer Kunden leiten zu lassen, damit sie möglichst viel Zeit mit unseren Inhalten verbringen und neue Chancen innerhalb unserer Gruppe auszutauschen.“

"Catch-up-TV ist ein Begriff von gestern."
Bert Habets, CEO der RTL Group

In diversen Märkten hat die RTL Group bereits Erfahrungen mit On-Demand-Angeboten gesammelt. Mal werbefinanziert, mal mit kostenpflichtigem Abo. „Die nächste Generation des Fernsehens wird unsere linearen TV-Sender und On-Demand-Dienste viel näher zusammenbringen. Catch-up-TV ist ein Begriff von gestern. Es ist längst viel mehr als nur ein ‚Add-On‘ für die linearen Sender. Es gibt einen europäischen Markt für On-Demand-Plattformen mit einem klaren Fokus auf lokale, exklusive Inhalte. Deshalb werden wir die Investitionen in unsere On-Demand-Dienste dort erhöhen, wo wir bereits starke Senderfamilien haben und uns dabei auf Longform-Content konzentrieren.“

Habets kündigt an: „Wir werden nach und nach ein hybrides Modell einführen, das ein kostenloses, werbefinanziertes Angebot mit einem Premium-Bezahlprodukt kombiniert. Unsere etablierten VOD-Plattformen wie TV Now in Deutschland bieten Inhalte aus unseren TV-Sendern an und werden hauptsächlich durch Werbung finanziert. Wir werden sie mit einem Premium-Angebot erweitern und unsere eigenen Inhalte mit lizenzierten Inhalten von Drittanbietern ergänzen, das Ganze auch in HD oder Ultra HD. Unser Marketing werden wir dabei an unseren Inhalten ausrichten, um das meiste aus unseren Flaggschiff-Produktionen zu machen. Sie sind der Schlüssel, um Abonnenten zu gewinnen und zu binden und die Marke eines solchen Dienstes zu prägen. Die kostenlosen VoD-Dienste dienen dabei als Promotion-Plattformen, um möglichst viele Nutzer für unsere Premium-Bezahlprodukte zu gewinnen.“

Habets weiß wovon er spricht. In den Niederlanden hatte die RTL Group ihren ersten echten SVoD-Dienst namens Videoland gestartet, der im vergangenen Jahr nach Abonnentenzahlen um 78 Prozent gewachsen ist. In Frankreich hat 6play von der Groupe M6 mehr als 20 Millionen registrierte Nutzer. Von den gesammelten Erfahrungen sollen auch andere Märkte profitieren, in denen der Konzern aktiv ist. „Im Laufe des Jahres 2018 werden wir neue VoD-Dienste in Belgien, Ungarn und Kroatien einführen – sie alle basieren auf der 6play-Plattform. Dies ist die Art von Zusammenarbeit, die über die RTL Group hinweg funktioniert.“ Und in Deutschland arbeitet die Mediengruppe RTL Deutschland bekanntlich auch am Ausbau von TVnow, zuletzt mit dem Start des Seriensenders Now US. Dabei soll es aber nicht bleiben.