Vergangenen Freitag ging Ausgabe 11/2018 der „TV Movie“ aus dem Hause Bauer Media Group in den Verkauf. Eines der auf dem Cover beworbenen Themen neben den „22 legendärsten Star Wars-Momenten“ ist ein Exklusiv-Interview mit den „Tatort“-Darstellern Axel Prahl und Jan Josef Liefers zu ihrem neuesten Fall. Dem exklusiven Gespräch werden im Heft ab Seite 6 dann auch - großzügig bebildert - drei Seiten gewidmet. Das Interview der „TV Movie“-Redakteurin liest sich durchaus launig. Doppel-Interviews mit einem eingespielten Schauspieler-Paar sind einfach dankbar.

Doch bei der Lektüre des Interviews kann man stutzig werden. Mehrere Formulierungen von Prahl und Liefers kommen einem bekannt vor, wenn man die beiden und ihre Interviews in der Vergangenheit aufmerksam verfolgt hat. Und das hat auch einen Grund: Einige Aussagen waren so schon in früheren Interviews zu lesen, waren Äußerungen auf Veranstaltungen und sind in einem Fall einer Pressemitteilung der ARD entnommen.



„Man soll nie aufhören, wenn es am schönsten ist“, war zum Beispiel im November 2017 der Aufmacher eines Interviews mit Prahl & Liefers bei „TV Movie“-Konkurrent „TV Digital“. Die von Liefers bei „TV Movie“ gegebene Antwort auf die Frage nach mehreren Neidern in der Branche („Es sind eben alles Kleingeister. Auf Pepita kann man nun mal nicht Schach spielen“) stammt wiederum von einem Auftritt Liefers bei der Frankfurter Buchmesse. Nur zwei kleine Beispiele.

All das nährte die leise Vermutung, dass dieses vermeintlich exklusive Interview nie stattgefunden hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass „TV Movie“ ein Interview konstruiert. Im April 2016 bastelte dieselbe Redakteurin der Zeitschrift aus Tweets und alten Interviews ein Gespräch mit Jan Böhmermann zusammen (DWDL.de berichtete). 

Management dementiert Interview mit "TV Movie"

Ist man bei „TV Movie“ wirklich so leichtsinnig, noch einmal die gleiche Masche zu probieren? Sie erahnen die Antwort. DWDL.de hat über Pfingsten zunächst das Management der beiden Schauspieler kontaktiert und nach dem exklusiven Interview gefragt. Dort bestätigt man den Verdacht: Es wurde weder mit der Redakteurin noch mit „TV Movie“ als Medium ein Interview arrangiert und auch nichts freigegeben.

Konkret teilt die Berliner Agentur Lux Talents mit: „Über uns als Agentur und Management von Jan Josef Liefers ist kein Interview zum 'Tatort Münster - Schlangengrube' seitens der Redakteurin zur Freigabe vorgelegt worden. Wir als Agentur haben für den aktuellen 'Tatort Münster - Schlangengrube' auch kein Interview mit der Redakteurin und Jan Josef Liefers arrangiert.“ Wortgleich die Antwort auf unsere Anfrage bei Axel Prahl. Kein Wunder, beide sind bei der gleichen Agentur.

TV Movie© Screenshot / ePaper


Das auf der Titelseite noch als „Exklusiv-Interview“ beworbene Gespräch hat es demnach nie gegeben. Mit dieser Erkenntnis konfrontieren wir am Dienstag die Bauer Media Group und bitten um Erklärung, wie das vermeintliche Exklusiv-Interview der „TV Movie“ zustande kam. Immerhin 26 Stunden nach unserer Anfrage fällt die Stellungnahme erstaunlich schmallippig aus: „Wir sind davon ausgegangen, dass diese Veröffentlichung ordnungsgemäß erfolgt ist. In der Kürze der Zeit können wir leider nicht mehr zu diesem Thema sagen“, teilt eine Sprecherin des Verlages mit.

Unbeantwortet bleibt auch unsere der Form halber gestellte Frage, wer die Titelseite der „TV Movie“ und damit die Formulierung „Exklusiv-Interview“ verantwortet. Es ist schließlich eine Sache, ein Interview aus alten Aussagen zu konstruieren, eine ganz andere aber, es auf dem Cover dann als Exklusiv-Interview zu bewerben. Das wird nicht von der Autorin verantwortet.

Auch vor dem Hintergrund des schon einmal konstruierten Interview-Textes mit bzw. eben ohne Jan Böhmermann derselben Redakteurin wirkt es unglaubwürdig, wenn sich Chefredaktion geschweige denn Verlag nun als ahnungslos positionieren. Viel mehr stellt sich aufgrund der wiederholten Masche nun eher die Frage, ob in der Vergangenheit noch weitere Interviews konstruiert wurden.

Nicht die erste Peinlichkeit der "TV Movie"

Andererseits ist es auch egal. Den journalistischen Offenbarungseid hat sich „TV Movie“ ohnehin bereits im Januar 2017 geleistet (DWDL.de berichtete). Damals veröffentlichte die Programmzeitschrift der Bauer Media Group eine Filmkritik zum zweiten Teil von „Fifty Shades of Grey“, obwohl kein Journalist den Film vorab sehen konnte. Allein „TV Movie“ erlaubte sich dennoch schon ein Urteil und vergab die üblichen Bewertungspunkte.

Eine Unternehmenssprecherin erklärte damals, dass im Fokus der Berichterstattung eigentlich ja das Interview mit der Hauptdarstellerin Dakota Johnson stand. "Aufbauend auf diesem exklusiven Interview [...], bekannten Fakten über die Dreharbeiten sowie öffentlich verfügbaren Hintergrundinformationen seitens der Produzenten entstand der Kurzbericht zum Film." Zudem seien Inhalte des zweiten Teils durch die Romanvorlage und den bereits veröffentlichten Trailer bekannt.

So seriös ist „TV Movie“. Spätestens seit Januar 2017 ist also klar und vom Verlag bestätigt: Die Redaktion der Programmzeitschrift schreibt und urteilt auch über Filme, die man überhaupt nicht gesehen hat. Für ein Magazin, das sich lange als „Europas härteste Filmredaktion“ betitelte, eine inhaltliche Bankrotterklärung. Ein erfundenes Exklusiv-Interview passt so gesehen schon wieder in die inhaltliche Linie des Magazins unter Führung von Uwe Bokelmann.

Update vom 24. Mai, 16:38 Uhr

Am Donnerstag meldete sich eine Sprecherin der Bauer Media Group mit einem weiteren Statement, das offenbar auch an Medien verschickt wurde, die aufgrund der Veröffentlichung von DWDL.de ebenso über das Thema berichten wollen und bei der Bauer Media Group angefragt haben.

„Mit Betroffenheit haben wir die Berichterstattung rund um den Artikel zum neuen ‚Tatort’ mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl zur Kenntnis genommen. Die Veröffentlichung wurde mit den zuständigen Stellen abgestimmt. Keine der Aussagen entspricht der Unwahrheit und kein Zitat wurde erfunden. Wir nehmen dies dennoch sehr ernst und bemühen uns um vollständige Aufklärung.“

Ein Statement wie eine Nebelkerze, erweckt es doch beim schnellen Lesen den Eindruck, es würden Vorwürfe zurückgewiesen. Doch mitnichten. Bei einem aus alten Aussagen von Liefers und Prahl zusammengebauten „Exklusiv-Interview“ gilt der Vorwurf des erfundenen Interviews nicht den Zitaten der beiden Schauspieler sondern dem Umstand, dass „TV Movie“ den konstruierten Text als eigenes Interview verkauft.