Der neueste "Tatort: Zorn" am vergangenen Sonntag brachte beim Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau das Fass offensichtlich zum Überlaufen. Der Ärger über das Bild, das darin von seiner Stadt gezeichnet wurde, wurde augenscheinlich so groß, dass er sich in einem Brandbrief an WDR-Intendant Tom Buhrow wandte und Teile davon auch per Pressemitteilung verbreiten ließ. So schreibt er, dass vor dem Start des Dortmunder "Tatorts" "eine gewisse Vorfreude geherrscht" habe, tatsächlich war es auch Sierau selbst, der in Interviews Dortmund als Heimat eines neuen "Tatort"-Teams ins Spiel brachte. Doch die überwiegend düsteren Folgen entsprechen nun so gar nicht dem, was sich Sierau vorgestellt hat.

"Was sich in vorherigen Folgen schon angedeutet hat, lässt sich nach der Folge von Sonntag nur als fortwährendes Mobbing gegenüber einer Stadt, einer Region sowie den dort lebenden Menschen bezeichnen", schreibt der Oberbürgermeister. Auch wenn ein Krimi keine Dokumentation sei, solle er schon ein Mindestmaß an Bezug zur Realität vorweisen. "Das Bild, das am Sonntag über die Orte der Handlung in Dortmund und Marl sowie über die gesamte Region zu bester Sendezeit bundesweit vermittelt wurde, ist an Klischeehaftigkeit nicht mehr zu überbieten. Es ist maximal lächerlich."

Sierau weiter: "Stecken Sie die Münchener Kommissare in Lederhosen und lassen Sie diese minutenlang Schuhplatteln - es wäre derselbe Effekt, es wäre genauso daneben. Die Macher dieser Folge geben die Menschen einer Region der Lächerlichkeit preis, in dem sie diese Bier trinkend in Trainingsanzügen vor heruntergekommenen Häusern herumstehen lassen. Mehr Klischee geht nicht." Es handle sich um eine Verbreitung von Ruhrpott-Klischees aus den 80ern, um eine "plumpe Darstellung ohne jedwede regionale Kenntnisse".

Weiter heißt es in dem Brief: "Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge sollten ansatzweise passen, wenn die Bilder schon nicht aus Dortmund, sondern aus Duisburg stammen. Die letzte Zeche in Dortmund wurde 1987 geschlossen. Die prägende Zeit der Montanindustrie ist Geschichte. Im Ruhrgebiet gibt es so etwas wie einen Strukturwandel – aber die Vorurteile und Klischees der Drehbuchschreiber und verantwortlichen Redakteure des WDR sitzen fest und lassen diese Sichtweise offenbar nicht zu." Aus diesem Grund hätte er nichts dagegen, wenn der Dortmund-"Tatort" eingestellt werde.

Der WDR will die Kritik nicht gelten lassen und sieht ein "vielschichtiges Bild der Stadt", das in den Dortmunder "Tatort"-Folgen gezeichnet werde, "etwa durch diverse Milieus und Drehorte wie den Phoenixsee, den Westfalenpark oder das Dortmunder 'U'". Der WDR räumt ein, dass aus dramaturgischen Gründen verdichtet und zugespitzt werde. "Dadurch können einzelne Szenen von den einen als Klischees empfunden werden, von anderen als realitätsnahe Darstellungen. Das polarisiert, löst Debatten aus - das ist aus unserer Sicht nicht negativ, sondern bereichernd." Generell seien die Publikumsreaktionen auf die Dortmunder "Tatorte" überwiegend positiv - auch in der Stadt selbst. "Bei den letzten öffentlichen Vorführungen in  Dortmund gab es sehr viel Applaus", so der Sender.