Kurswechsel voraus beim Unterföhringer TV-Konzern: Wenn der Preis stimmt, will sich die ProSiebenSat.1 Media SE vom internationalen TV-Produktionsmarkt zurückziehen, für den man seit 2010 in zunächst erstaunlichem Tempo und mit zahlreichen Zukäufen die Red Arrow Studios aufgebaut hatte. Es ist eine Kehrtwende, die allerdings nicht ganz überraschend kommt, nachdem in den vergangenen anderthalb Jahren eine Strategie für die Zukunft von Red Arrow Studios als Teil der ProSiebenSat.1 Media SE fehlte und mehrere Führungskräfte das Unternehmen verlassen haben. DWDL.de berichtete Anfang des Jahres darüber.



Seit vergangener Woche läuft jetzt der Verkaufsprozess, wie das Medienmagazin DWDL.de erfuhr. ProSiebenSat.1 Media SE hat Morgen Stanley mit der Durchführung des Verkaufs - Projekt "Showtime" - betraut. Die US-Investmentbank verschickte bereits sogenannte Teaser Decks an mögliche Investoren, die jetzt bis Ende kommender Woche (Freitag, 13. September) die Gelegenheit haben, ihr Interesse zu bekunden. Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de bestätigte eine Sprecherin der ProSiebenSat.1 Media SE am Montag den angestoßenen Verkaufsprozess. Der Ausgang sei jedoch offen. Logischerweise hängt ein Verkauf von interessierten Käufern und zu erzielendem Preis ab.

Offiziell steht Red Arrow Studios unter "Strategic Review" und das nicht zum ersten Mal. Doch diesmal sucht die ProSiebenSat.1 Media SE nach DWDL.de vorliegenden Informationen keinen Partner mehr für Red Arrow Studios. Morgen Stanley spricht von "Full Divestiture", also vollständiger Veräußerung, bei der allerdings zwei Dinge außen vor sind: Einerseits die von Jobst Benthues geführte deutsche Produktionsfirma Redseven Entertainment und das Multichannel-Network Studio71. Diese beiden Unternehmungen sollen im Fall eines Verkaufs bei der ProSiebenSat.1 Media SE verbleiben und das Geschäft in den deutschsprachigen Märkten unterstützen, wie auch eine Sprecherin des TV-Konzerns bestätigt. ProSiebenSat.1-Vorstandschef Max Conze hatte sich ohnehin bereits öffentlich eine stärkere vertikale Integration der Produktionstochter in die deutsche Sendergruppe gewünscht.

Auch Red Arrow Studios International steht damit zum Verkauf

Ein Verkauf bedeutet für die ProSiebenSat.1 Media SE das Ende der internationalen Ambitionen im Produktionsgeschäft. Unter der Führung des früheren Vorstandsvorsitzenden Thomas Ebeling wurde mit der Red Arrow Studios (damals Red Arrow Entertainment) seit 2010 zügig aufgeholt, was die RTL Group mit Fremantle schon länger etabliert hatte: Ein internationales Produktions- und Distrubtionshaus für TV-Content. Jan Frouman, der Red Arrow Studios von seiner Gründung im Jahr 2010 bis Februar diesen Jahres geführt hat, bildete durch Übernahmen ein internationales Netzwerk von Produktionsfirmen, die erklärtermaßen weiterhin als unabhängige Unternehmen auftreten sollen. Umso seltener fielen Formate und Erfolge damit auf die ProSiebenSat.1 Media SE zurück.

Aktuell umfasst Red Arrow Studios insgesamt 20 Produktionsfirmen, davon allein elf in den USA, weitere in Deutschland, Großbritannien, Kanada, Dänemark und Israel. Zu den Sendungen, die in diesem Netzwerk entstanden, gehören u.a. mit "Bosch" die langlebigste Serie bei Amazon Prime Video, das Realityformat "Married at first sight" und das neue "New York Times"-Format für den US-Kabelsender FX. Hunderte Mitarbeiter der diversen Produktionsfirmen warten schon länger auf Signale, wohin Red Arrow Studios steuert. Zuletzt gab es prominente Abgänge: Nach Jan Frouman, dem Architekten von Red Arrow Studios, folgte wenig später in diesem Frühjahr die Meldung, dass auch der Chief Creative Officer Michael Schmidt und Red Arrow Studios getrennte Wege gehen.

Besetzt wurden beide Posten intern: Neuer Chef von Red Arrow Studios wurde James Baker, der zuvor schon die britischen Geschäfte verantwortete. Neue CCO wurde Nina Etspüler. Während diese  Personalien im Frühjahr geklärt wurden, fehlte weiterhin eine Entscheidung zur künftigen Rolle von Red Arrow Studios innerhalb der ProSiebenSat.1 Media SE. Der jetzt angestoßene Verkaufsprozess ist sicher kein Vertrauensbeweis in das internationale Produktionsgeschäft und sendet sechs Wochen vor der wichtigsten Fernsehmesse der Welt, der MIPCOM in Cannes, auch ein Signal der Ungewissheit für die Distributionstochter Red Arrow Studios International, denn auch die Verkäufer sollen verkauft werden. Ohne Anbindung an eine Sendergruppe würde jedenfalls künftig ein bisher gerne betonter Vorteil fehlen.