Was ist der Preis von Erfolg? Hartes Schuften, konsequent an seinen Zielen festhalten und jeden Sonntag "Das Streben nach Glück" mit Will Smith schauen, möglicherweise. Das möchte immerhin die klassische Definition des amerikanischen Traums weiß machen. Alles ist möglich, wenn man genug dafür arbeitet! Und manchmal ist etwas noch ein wenig wahrscheinlicher, wenn andere Menschen dafür leiden müssen. "On Becoming a God in Central Florida" ist deshalb nicht nur eine Geschichte, die für die US-Amerikaner spannend ist, sondern für uns alle. Vor allem, weil wir in einer Zeit leben, in der systematische Ausbeutung und die Ausnutzung der Gutmütigkeit der Menschen so präsent ist wie schon lange nicht mehr. Achja: Das nun auf ProSieben Fun startende "On Becoming a God in Central Florida" ist dennoch, oder gerade deswegen, eine ziemlich witzige Comedy.

Travis Stubbs (Alexander Skarsgård, "True Blood") steht noch am Anfang des amerikanischen Traums. Anfang der 1990er möchte er seine Familie mithilfe des Multi-Level-Marketing-Sytems Founders American Merchandise (FAM) aus dem unteren Mittelstand in die Elite hieven. Im Endeffekt ist Multi-Level-Marketing nur eine fancy klingende Umschreibung für das Schneeballsystem: Teilnehmer verkaufen billige Alltagswaren, verdienen aber auch den Einnahmen derjenigen, die sie bereits angeworben haben. Um es ebenso nett zu verpacken, wie es die Chefs dieser Konzerne tun: Wenn du ein treuer Gefolgsmann dieser Idee bist und mit den Lebensweisheiten deiner Vorgesetzten deine Mitmenschen indoktrinierst, kannst du das Ganze irgendwann hauptberuflich betreiben und zu Wohlstand gelangen - vorausgesetzt, du stehst in der Pyramide weit genug oben.

"Aber mein Leben ist doch schon gut!", möchte ein potenzielles Opfer Travis und seinem Mentor Cody Bonar ("BonAr, nicht Boner!") erklären, als diese versuchen, ihn von der dunklen Seite der Macht zu überzeugen. "Es ist okay", erwidert Bonar. "Es kann grandios werden!" Auch Travis' Ehefrau Krystal (Kirsten Dunst, "Melancholia") ist skeptisch. Denn obwohl sie ihren Mann jeden Tag hart arbeiten sieht und dieser in der Woche kaum mehr als zehn Stunden Schlaf bekommt, wirft das Geschäft kaum Gewinne ab. Was sich natürlich bald ändern soll, wenn Travis das nächste "Level" erreicht.

Obwohl das Ganze in den 90ern spielt, wirkt das Szenario von "On Becoming a God" erschreckend aktuell. Durch Network-Marketing und Versprechen wie "Wenn du alles machst, was wir dir sagen, bist du in drei Jahren reich" wittern viele Menschen, die mehr aus ihrem Leben machen, oder jenes eben eingetrichtert bekommen, die Chance ihres Lebens. Nicht selten verlieren sie dabei erhebliche Summen und Ersparnisse, die anders besser angelegt gewesen wären. Sollten Sie also auch von einem Network-Marketer angeschrieben werden, der ihnen erklärt, Sie seien mit Ihrer Grundsympathie und intelligentem Auftreten wie geschaffen dafür, Teil dieses Schneeba...dieses Multi-Level-Marketings zu werden, dann schauen Sie sich doch bitte vorher die erste Staffel dieser Serie an, ehe Sie zusagen.

"On Becoming a God" entblößt nämlich alle Arten von Menschen, die mit perfiden Methoden dafür sorgen möchten, mit ihrem Geld Geld zu verdienen. Dabei wird Kirsten Dunst alias Krystal Stubbs als durchblickende Figur inszeniert, die nicht mit ihrer Intelligenz dafür sorgt, die meisten Fettnäpfchen zu umtänzeln. Sondern vor allem mit ihrer hinterfragenden Art. Dunst, die eine wirklich unglaubliche Performance hinlegt, schreit in jeder Szene: "Auch du kannst das, glaub einfach nicht jeden Scheiß sofort" und erweckt das Drehbuch rundum das Schöpfer-Team von Robert Funke ("The Labyrinth") und Matt Lutsky (erstes Projekt) auf packendste Weise zum Leben.

Funke & Lutsky haben ihre Vision nicht nur passend aufs Papier bekommen, sondern auch ansehnlich auf Zelluloid gebrannt. Dabei haben sie das Kunststück geschafft, sich nicht auf ein Genre zu beschränken. Diese Comedy-Thriller-Drama-Mystery-Realsatire präsentiert Perspektiven, die man sonst nur aus philosophischen Werken wie "Twin Peaks" gewohnt ist, und vermittelt dem Zuschauer dabei, im Gegenteil zu Lynch, das gute Gefühl, dass man der Story in einem angenehmen Tempo folgen kann. Die von Showtime produzierte "On Becoming a God" anzusehen, ist sogleich die Investition in einen selbst, die man nicht so schnell bereuen wird.

Die erste Staffel von "On Becoming a God in Central Florida" ist ab sofort jeden Donnerstag um 20:15 Uhr bei ProSieben Fun zu sehen. In den Vereinigten Staaten wurde bereits eine zweite Staffel von Showtime bestellt.