Die wirren Videos, die seit gestern Abend im Netz kursieren, waren zu viel. Nach einer schnellen ersten Stellungnahme am Vormittag, u.a. auf Twitter, hat RTL nach dem Gespräch mit Xavier Naidoo am Nachmittag nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de die Konsequenzen gezogen und die Zusammenarbeit mit dem Künstler beendet, der eigentlich am kommenden Samstag in der ersten Live-Show von "Deutschland sucht den Superstar" in der Jury hätte sitzen sollen. Dazu wird es nicht mehr kommen.

RTL hatte den Sänger gebeten, sich dazu umfassend zu äußern. In einem schriftlichen Statement dem Sender gegenüber und auf seinem Facebook-Account hat Xavier Naidoo die Vorwürfe des Rassismus zurückgewiesen, zu den Hintergründen und der Entstehung des Videos äußerte er sich nicht. Er bleibt dem Sender viele Antworten schuldig, zudem sind weitere Videos aufgetaucht, die in eine ähnliche Richtung gehen. Das hat RTL bewogen, ihn am Samstag aus der Jury von "Deutschland sucht den Superstar" zu nehmen.

"RTL steht für Vielfalt im Programm. Wir sind Verfechter der Meinungsfreiheit. Dazu gehört aber auch, das wir jede Form von Rassismus und Extremismus entschieden ablehnen. Die jetzt aufgetauchten Videos von Xavier Naidoo haben uns massiv irritiert. Unsere Bitte, seine Äußerungen im Dialog und live bei RTL persönlich und öffentlich zu diskutieren und zu erklären, hat er bislang unbeantwortet gelassen. Gerade diese Diskussion fänden wir wichtig, da für uns die Aussagen im Video und seine Kommentierung danach überhaupt nicht zusammen passen. Daher haben wir uns entschieden, ihn für die kommende Liveshow von DSDS auszuschließen", sagt RTL-Geschäftsführer Jörg Graf. Dass Naidoo jedoch zu "DSDS" zurückkehren wird, hält man nicht nur bei der Produktionsfirma UFA Show & Factual für unwahrscheinlich.

Im ersten Video, das zunächst die Runde machte, sang Naidoo in die Kamera: "Ihr seid verloren. Ihr macht nicht mal den Mund für Euch auf. So nehmen Tragödien ihren Lauf. Eure Töchter, eure Kinder sollen leiden. Sollen sich mit Wölfen in der Sporthalle umkleiden und ihr steht seelenruhig nebendran. Schaut Euch das Schauspiel an, das Euch alle beenden kann. Weit und breit ist hier kein Mann, der dieses Land noch retten kann. Doch Hauptsache es ist politisch korrekt, auch wenn ihr daran verreckt. Und nochmal: Ich hab fast alle Menschen lieb, aber was wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt. Dann muss ich harte Worte wählen, denn keiner darf meine Leute quälen. Wenn doch, der kriegt's mit mir zu tun. Lasst uns das beenden und zwar nun. Ihr seid verloren." Im Netz wurde Naidoo dafür von rechts gefeiert und von allen anderen ungläubig irritiert beäugt, auch von RTL. Der Sender zeigte sich irritiert von dem Video, so eine erste Stellungnahme am Vormittag.

Und während der Sender vergeblich das Gespräch mit dem Künstler suchte, wurde ein zweites Video von Naidoo bekannt. Es widmet sich, offenbar auch schon etwas älter, der "Wir sind mehr"-Bewegung: "Ich bin in der Timeline, die meint meine Zeilen seien so vulgär, jedoch ich komm aus ner Zeit, in der kritische Zeilen noch alles waren, oh yeah. Wieder will die Klasse nur schweigen, Plakate zeigen, drauf steht "Wir sind mehr", doch in Wahrheit seit ihr einfach nur peinlich und deutschlandfeindlich, denn ihr seid leer. Yeah." Das damalige Benefizkonzert zur Kampagne "Wir sind mehr" wurde auch von RTL-Radiosendern übertragen. RTL ist also peinlich und deutschlandfeindlich? Immer deutlicher wurde, dass Naidoo für den Sender trotz aller Verteidigung in der Vergangenheit nicht mehr haltbar sein würde.

Naidoo meldete sich am frühen Nachmittag bei Instagram zu Wort

Von Naidoo selbst kam am frühen Nachmittag dann das, was erwartbar war: Auf die ziemlich einfältig stumpfe Provokation im Video folgte ein schriftliches Statement bei Instagram in dem der Sänger "ganz entschieden" Vorwürfe zurückweist, die nach dem ersten Video, das seinen Angaben zufolge aus dem Jahr 2018 stammt, laut geworden sind. Wieder einmal, wie so oft bei den Ausfällen von Naidoo, sei alles ganz falsch verstanden. "Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit sind ihm völlig fremd, auch wenn er sich zuweilen emotional künstlerisch äußert", heißt es in einer Stellungnahme in seinem Namen. Mit einem längeren und plötzlich wieder differenzierten Text als noch im kursierenden Video wende sich Naidoo "gegen absolut falsche Interpretationen seiner Aussagen und bekräftigt, dass Menschen, die vor Kriegen flüchten, unserer Hilfe und uneingeschränkte Solidarität bedürfen."

Wörtlich lässt sich Naidoo wie folgt zitieren: "Ich setze mich seit Jahren aus tiefster Überzeugung gegen Ausgrenzung und Rassenhass ein. Liebe und Respekt sind der einzige Weg für ein gesellschaftliches Miteinander. Das bedeutet für mich aber auch, dass alle in der Verantwortung sind, wachsam gegenüber Angriffen auf ein friedliches Miteinander aller Menschen zu sein, egal au welcher politischen Richtung und ungeachtet seiner Herkunft. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein, um auch weiterhin ein Leben in Frieden und Eintracht führen zu können. Ich gehe nicht zuletzt als Christ fest davon aus, dass der überwiegende Anteil der Menschheit dies auch will. Tragische Gewalttaten wie etwa aus Chemnitz, Halle, Hanau und andernorts gilt es zu verhindern; es kann auch nicht sein, dass etwa jüdische Schulkinder verstärkt Angst vor antisemitischen Übergriffen haben müssen. Auch meine Familie kam als Gast nach Deutschland und hat sich natürlich an Recht und Moralvorstellungen des Gastgebers gehalten. Diese Selbstverständlichkeit sollte für alle gelten - auch wenn nur ein sehr kleiner Teil dies missverstanden hat. Aber gerade dieser kleine Teil belastet alle anderen, die hierdurch in "Sippenhaft" genommen und durch eine erschreckende Zunahme an Gewaltakten in Gefahr gebracht werden."

Der plötzlich wortreiche Künstler bleibt aber nach all den Ausführungen dennoch einige Antworten schuldig: Wie kam es zu diesem Video, für wen wurde es denn vor zwei Jahren aufgezeichnet und warum ist ein Künstler, der eigentlich mit Worten arbeitet, auf eigene Faust nur zu pauschaler Hetze im Video fähig und erst mit PR-Beratung zu einer differenzierten Aussage, die ihm natürlich nie die Aufmerksamkeit geschenkt hat wie die ursprüngliche, wiederholte Provokation. Man kommt nicht umher es als pervers zu bezeichnen, wie Xavier Naidoo wiederholt hetzt und pöbelt, um sich nach der schemahaften Entschuldigung für seine Liebe und Verständnis feiern zu lassen. Für die Schauspieler Til Schweiger und Tom Beck reichen aber offenbar blumige Worte, sie springen Naidoo auf Instagram direkt zur Seite. Auch "Let's dance"-Tänzer Massimo Sinato oder Detlef D! Soost stehen hinter Naidoo. Weitaus mehr Medienmacher jedoch wollen Naidoo nicht mit dem geschliffenen PR-Sprech davon kommen lassen, wie so oft zuvor.