Richard Gärtner (Matthias Habich) will seinem Leben ein Ende setzen. "Ich will sterben", sagt der 78-Jährige, obwohl es ihm eigentlich gut geht. "Bis auf ein paar Alterszipperlein bin ich eigentlich ziemlich gesund", erzählt er. Und doch hat der ehemalige Architekt genug vom Leben, seit seine Frau drei Jahre zuvor in einer Klinik an einem Hirntumor verstarb. Alles, sagt Gärtner, habe sich seitdem verändert. Deshalb möchte er von seiner Ärztin (Anna Maria Mühe) ein tödliches Medikament verlangen.

So wie Richard Gärtner geht es in Deutschland nicht wenigen Menschen. Seine Geschichte stellt Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach in den Mittelpunkt der Verfilmung seines jüngsten Theaterstücks. Er tut dies auf besondere Weise: Vor dem Deutschen Ethikrat wird der Fall exemplarisch diskutiert. Dabei ist nicht etwa die Frage strittig, welche Formen von Sterbehilfe für Ärzte straffrei sind, sondern ob Mediziner dem Patienten­wunsch eines Lebensmüden gerecht werden müssen - ganz gleich wie jung oder gesund er auch immer sein mag.

Nacheinander befragt Ethikrat-Mitglied Dr. Keller (Ina Weisse) die Sachverständigen und lässt so verschiedene Blickwinkel auf ein komplexes Themenfeld zu. Eine Verfas­sungsrechtlerin, ein Bischof, der Chef der Ärztekammer und Gärtners Anwalt bringen ihre Argumente vor - und am Ende ist es die Vorsitzende des Rates (Barbara Auer), die sich mit direktem Blick in die Kamera an die Zuschauerinnen und Zuschauer wendet mit der entscheidenden Frage: Soll Richard Gärtner das tödliche Präparat bekommen, um sich selbstbestimmt das Leben zu nehmen? 

Gott © ARD Degeto/Moovie GmbH/Julia Terjung Augenärztin Dr. Brandt (Anna Maria Mühe, Mitte) wird vom Ehtikrat unter der Vorsitzenden (Barbara Auer, vorne) und Dr. Keller (Ina Weisse, li.) befragt. Richard Gärtner (Matthias Habich, 2. v. re.) und sein Rechtsanwalt Biegler (Lars Eidinger, re.) hören zu.

Die Frage ist hochaktuell, schließlich hat das Bundesverfassungsgericht zu Jahresbeginn entschieden, dass ein jeder die uneingeschränkte Freiheit hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, was zwangsläufig dazu führt, sich mit dem eigenen Tod und dem Verständnis von Lebensqualität auseinanderzusetzen. Schirachs Film, inszeniert von Regisseur Lars Kraume, regt mindestens einen Abend lang dazu an, über diese derart existenzielle Fragestellung nachzudenken - erst recht, weil am Ende die Abstimmung des Fernsehpublikums steht, das gewissermaßen zu Mitgliedern des Ethikrates gemacht wird. Die Zuschauer sollen dem folgen, "was Sie für vertretbar und richtig halten", sagt die Ratsvorsitzende.

Große Worte und spannende Gedanken

Der Aufbau ist bekannt. Schon bei "Terror - Ihr Urteil" stellten Ferdinand von Schirach und die ARD den Zuschauerinnen und Zuschauern eine moralische Frage. Damals ging es darum, ob man Menschen töten darf, um viele mehr Menschenleben zu retten. Der Unterschied zu "Terror" besteht darin, dass es bei "Gott" nicht auf ein Urteil hinausläuft, auch wenn das Setting dem eines Gerichtssaals gleicht. Doch Richard Gärtner sitzt eben nicht auf der Anklagebank, sodass der Film daher nach eineinhalb Stunden weder einen Gewinner noch einen Verlierer gibt.

"Wie auch immer die Abstimmung ausgeht, eines sollte von Anfang an klar sein: Das Voting darf nicht als ver­kapptes, medial inszeniertes Plebiszit über ein sensibles Thema missverstanden werden", schreiben die Degeto-Chefin Christine Strobl und der ARD-Programmdirektor Volker Herres im Begleitmaterial zum Film. Und ähnlich wie bei "Terror" schieben sie auch diesmal wieder eine Diskussion bei "Hart aber fair" ein, bevor das Ergebnis des Publikumsvotings verkündet wird.

Dabei kommt schon der von Oliver Berben produzierte Film stellenweise wie eine Gesprächssendung daher, setzt er doch auf nur einen Schauplatz und wenig schmückendes Beiwerk. Umso beachtlicher, dass es dem Star-Ensemble um Matthias Habich, Götz Schubert, Ulrich Matthes, Christiane Paul und Lars Eidinger gelingt, die Spannung über 90 Minuten hinweg aufrechtzuhalten. Am besten gelingt das zweifelsohne bei dem minutenlangen Streitgespräch zwischen Bischof und Anwalt, der historisch, philosophisch und damit ausgesprochen geistreich daherkommt.

Keine Frage, "Gott" verlangt dem Publikum viel ab, muss es doch aufmerksam zu bleiben, um sämtlichen Argumenten zu lauschen, und offen dafür sein, andere Meinungen zuzulassen. Wer kurz abschaltet, läuft Gefahr, Entscheidendes zu verpassen, denn der Film lebt von großen Worten und spannenden Gedanken - und nur wer sich darauf ernsthaft einlässt, ist am Ende des Abends schlauer, ja vielleicht sogar gefestigter.

Was richtig oder falsch ist, will Ferdinand von Schirach alleine dem Publikum überlassen. "Die moralische Frage kann ich nicht für Sie lösen", erklärte der Autor kürzlich bei einem Pressegespräch. "Sie müssen nur einmal alle Argumente gehört, durchdacht und geprüft haben. Wenn Sie dann zu einem Ergebnis kommen, ist es toll. Und wenn Sie schwanken, ist es auch richtig."

"Gott von Ferdinand von Schirach" läuft am Montag um 20:15 Uhr im Ersten. Im Anschluss folgt eine Diskussion bei "Hart aber fair".