72 Prozent der Deutschen über 14 Jahren haben im vergangenen Jahr im Schnitt pro Tag einen Fernsehsender eingeschaltet, das waren 3,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und sie ließen ihn auch länger laufen: Die durchschnittliche Sehdauer zog im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn auf 220 Minuten pro Tag an. Zurückzuführen ist das vor allem auf das deutlich erhöhte Informationsbedürfnis während der Corona-Pandemie - insbesondere während der Lockdowns im Frühjahr und gegen Ende des Jahres. 2019 hatte die Sehdauer allerdings auch so niedrig gelegen wie seit 2008 nicht mehr, generell lag der Wert damit auch 2020 im gleichen Bereich wie schon seit vielen Jahren: Seit 2004 pendelt die Sehdauer zwischen 207 und 225 Minuten.

Dabei sind es weiterhin vor allem die älteren Zuschauer, die die durchschnittliche Sehdauer auf den enormen Wert von 3 Stunden und 40 Minuten nach oben treiben, bei den 14- bis 49-Jährigen - auf die vor allem die privaten Sender schielen, waren es "nur" 2 Stunden und 17 Minuten im Schnitt. Damit wurde allerdings auch dort zumindest der deutliche Abwärtstrend der letzten Jahren weitgehend gestoppt und das Vorjahresniveau weitgehend erreicht. Von einer generellen Trendwende kann man allerdings nicht ausgehen, zu Verdanken ist das vor allem der höheren TV-Nutzung im Frühjahr, schon im derzeitigen Lockdown ist dieser Effekt weniger stark ausgeprägt, dazwischen lag er dementsprechend deutlicher unter den Vorjahreswerten.

Kerstin Niederauer-Kopf, Vorsitzende der Geschäftsführung der AGF Videoforschung, sagt: "Diese Stabilisierung der Sehdauer ist bemerkenswert, da insbesondere jüngere Zielgruppen Bewegtbildinhalte zusehends intensiver zeitunabhängig über Streaming-Plattformen konsumieren und klassisch-lineares TV selektiver nutzen." Dieser Wechsel vom linearen hin zu Streaming ließ sich trotz der etwas höheren linearen TV-Nutzung auch 2020 beobachten,  laut AGF stieg die Zeit, die 2020 mit gestreamten Inhalten verbracht wurde, um 46 Prozent - die AGF erfasst diesen Bereich allerdings nur sehr unvollständig, weil sich Netflix und Co. gar nicht an der Messung beteiligen. Nur auf die Mediatheken klassischer Sender bezogen schafften es Folgen von "Das Geheimnis des Totenwaldes", "Unterleuten", "Mirage - Gefährliche Lügen" und "Das Boot" unter die Top 5 der meistgestreamten Inhalten, bei den 14- bis 49-Jährigen waren auch "Oktoberfest 1900" und die Zamperoni-Doku "Trump, meine amerikanische Familie und ich" dabei.

Die AGF hat nun auch Daten veröffentlicht, wie viele Menschen die Bundeskanzlerin im Frühjahr mit ihrer Corona-Fernsehansprache über alle von der AGF erfassten Angebote und Endgeräte erreicht hat: 36,38 Millionen waren es demnach. Auch die Neujahrsansprache der Kanzlerin konnte sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich auf 15,40 Millionen steigern. Zum Vergleich: Die kumulierte Nettoreichweite betrug im Jahr 2019 für Zuschauer gesamt 10,146 Millionen über verschiedene öffentlich-rechtliche Sender - ein Zuwachs von über 50 Prozent, bei den 14- bis 49-Jährigen sogar von rund 70 Prozent.

Hinweis zu den Daten: Die AGF legt in ihren Auswertungssystemen als Grundgesamtheit die Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ab 3 Jahren in Privathaushalten mit mindestens einem Fernsehgerät in Gebrauch und einem deutschsprachigem Haupteinkommensbezieher zu Grunde.