Unter normalen Umständen wäre dieser Montag, der 11. Januar, so etwas wie der inoffizielle Startschuss nach der unausgesprochenen Weihnachtspause geworden. Der Lockdown und die Corona-Pandemie lähmt mitunter den Elan beim Neustart ins Jahr 2021. Bei Kai Gniffke ist davon an diesem Montag um 9.30 Uhr wenig zu spüren. Der SWR-Intendant steht kurzfristig für ein exklusives Interview via Videocall zur Verfügung - es soll um eine "Strukturüberlegung" gehen, so viel wurde vorher verraten.

Was Gniffke dann erzählt, ist der erste konkrete Vorstoß aus den Reihen der Öffentlich-Rechtlichen, nachdem ein Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die von der Medienpolitik gekippte Beitragserhöhung zwei Tage vor Weihnachten gescheitert war - nicht in der Sache, aber in seiner Dringlichkeit. Mehrfach mahnt Gniffke zu Tempo und Entschlossenheit. Sagt Sätze wie: "Wenn wir alle nach der Prämisse agieren 'Wie mache ich mir das Leben am leichtesten', dann werden wir eine Auftrags- und Strukturdebatte erleben, die uns um die Ohren fliegt."

SWR-Intendant Kai Gniffke bietet dem Saarländischen Rundfunk Gespräche über eine umfassende Kooperation an. Gedankenspiele einer Fusion von SWR und SR, die schon häufiger mal aufgetaucht sind, erteilt Gniffke aus pragmatischen Gründen eine Absage: Es würde viel zu lange dauern bis sich die Medienpolitik dazu durchringen würde, wenn es denn überhaupt gewollt sei. Stattdessen gehe es um eine Zusammenlegung wesentlicher Teile beider Sender "knapp unterhalb der staatsvertraglichen Regelung". Auf gut deutsch: Alles, was die Sender selber entscheiden könnten ohne erst ein Mandat der Medienpolitik abwarten zu müssen, die zwar schnell und leidenschaftlich über die Höhe des Rundfunkbeitrags diskutiert aber bei konkreten Reformvorschlägen immer wieder still wird.

"An einigen Stellen pflegen wir schon heute eine sehr gute Kooperation, aber ich möchte die Kolleginnen und Kollegen des SR einladen, um zusammen darüber nach zu denken, ob wir gemeinsame Direktionen schaffen wollen. Das könnte sich z. B. auf die Produktion, das Justiziariat und auf die Verwaltung beziehen. Hier geht es um institutionell definierte, gemeinsame Strukturen. Ein solcher Vorschlag soll den Sendern ihre redaktionelle Autonomie und Präsenz in ihren Regionen belassen, das ist wichtig", sagt Gniffke. "Erhebliche Potentiale lägen in der gemeinsamen Werbevermarktung,  aber es geht weiter: Rechnungswesen, Gebäudemanagement, Buchhaltung, Honorare und Lizenzen sind denkbare Felder. Bis hin zur Überlegung, ob man einzelne Sendungen des SR auch in Studio-Kapazitäten des SWR produzieren könnte."

Weiter sagt der SWR-Intendant und frühere ARD Aktuell-Chefredakteur: "Ich bin fest davon überzeugt, dass es um die Vielfalt von Programmangebot geht, aber sich die Eigenständigkeit eines Senders nicht an der Verwaltung, dem Gebäudemanagement oder Werbeverkauf definiert - alles inklusive entsprechender Führungsposten. Das sind Investitionen, die im Programm nicht hör- oder sichtbar werden. Ich möchte ein Denken anregen, das in den Mittelpunkt stellt, ob über Jahrzehnte etablierte Strukturen nötig sind."

Das Timing dieser "Strukturüberlegung" ist kein Zufall und geht über einen zeitnahen Beitrag zur allgemeinen Debatte über die Öffentlich-Rechtlichen hinaus: Am kommenden Samstag endet die Bewerbungsfrist für die Intendanz des Saarländischen Rundfunks. Die Personalsuche wurde nötig, weil der bisherige Intendant Thomas Kleist im September vergangenen Jahres ankündigte, vorzeitig im April 2021 abzutreten, um einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger der nächsten Generation parallel zur neuen Beitragsperiode die Chance zu geben, den SR für die Zukunft zu positionieren.

Gesucht wird laut Stellenausschreibung des SR "eine Persönlichkeit mit starkem Gestaltungswillen, Integrationskraft und hohem diplomatischem Geschick, die sich nachdrücklich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk identifiziert". Erwartet wird ferner, dass die Intendantin oder der Intendanten werde, "dem Saarländischen Rundfunk eine Zukunft als souveräne Landesrundfunkanstalt sichert". Nicht ohne Grund betont SWR-Intendant Gniffke mehrfach im Gespräch die Programmautonomie und die weiterhin eigenständige Sendermarke. Er hofft mit Blick auf die Vertiefung der Zusammenarbeit: "Vielleicht will eine neue Intendantin oder ein Intendant (des SR, Anm. d. Red.) diese Idee aufgreifen."

Neben der Intendanz muss der SR auch noch die Verwaltungs- und Betriebsdirektorenposition neu besetzen, da Stephanie Weber zum Jahreswechsel zum Hessischen Rundfunk ging. Derzeit ist Alfred Schmitz kommissarischer Leiter der Verwaltungs- und Betriebsdirektion. Schmitz ist bei der Sendeanstalt seit 1999 Bereichsleiter Finanzen. Außerdem läuft Ende Oktober auch der Vertrag von Programmdirektor Lutz Semmelrogge aus. Der 59-Jährige ist beim SR seit November 2011 Programmdirektor und seit Februar 2012 zusätzlich stellvertretender Intendant. Ob er von der neuen Intendanz für eine dritte Amtszeit nominiert wird, bleibt abzuwarten. Enger koordinierte Direktionen zwischen SWR und SR würden schließlich manchen Führungsposten obsolet machen.

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