Am Sonntag wird bei Kabel Eins die 50. Ausgabe der "Trucker Babes" zu sehen sein. Es ist ein Meilenstein, den Mitte 2017, als das Format erstmals auf Sendung ging, wohl nur die wenigsten Branchenbeobachter für möglich gehalten hätten. Ausgerechnet am hart umkämpften Sonntagabend sollte eine Doku-Reihe über LKW-fahrende Frauen Zuschauer begeistern. Doch im Nachhinein war es die richtige Entscheidung des Senders: Mit teilweise mehr als 7 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe sorgten die "Trucker Babes" für gute Quoten. Auch heute noch sind an guten Tagen solche Werte drin.

Eine Frau, die von Anfang an dabei war, ist Christine Franke. Nicht hinter dem Steuer eines LKW, aber immerhin im Schaltzentrum hinter der Kamera. Sie begleitete das Format von der ersten Stunde an, zunächst als stellvertretende Redaktionsleiterin bei der Produktionsfirma Story House, später stieg sie auf und leitete die Redaktion. Nun wird die Schöpferin der "Trucker Babes" befördert: Seit Anfang des Monats ist sie Mitglied der Geschäftsleitung von Story House. Es ist ein rasanter Aufstieg: 2013 kam Franke als Praktikantin zum Unternehmen, damals arbeitete sie unter anderem für die Formate, die bei RTL unter der Drittsendelizenz-Dachmarke "Yolo" liefen. 

Andreas Gutzeit © Story House Productions Andreas Gutzeit
"Uns ist es wichtig, dass talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Christine, die zentrale Rollen besetzen, einen Überblick darüber haben, wie das Unternehmen funktioniert. Da gehört auch die wirtschaftliche Seite dazu", erklärt Story-House-Geschäftsführer Andreas Gutzeit, der auch Gesellschafter der Produktionsfirma ist, die Beförderung von Franke im Gespräch mit DWDL.de. Wenn jeder Mitarbeiter ein Teil der Verantwortung übernehme und gleichzeitig sehe, wie sich inhaltliche Entscheidungen in einzelnen Sendungen auch gesamtwirtschaftlich auswirken, könne man das Unternehmen besser steuern. "Dieses Modell hat sich in den letzten Jahren voll ausgezahlt, deshalb war es für uns ein No-Brainer, Christine in die Geschäftsleitung zu holen." Zur Geschäftsleitung von Story House gehörten neben Gutzeit und seinen Geschäftsführer-Kollegen Carsten Obländer bislang auch schon Chief Executive Producer Jens Afflerbach, Jens Freels (Leiter des Produktionsteams), Finanzchef Robert Preuss, Sigrun Laste (Executive Producer), Arnd Piechottka (Executive Producer) und Mirko Mikelskis (Senior Production Manager). 

Die Story-House-Geschäftsleitung wird durch die Berufung von Christine Franke also auch weiblicher. Doch was ändert sich für die "Trucker Babes"-Schöpferin nun genau? "Ich werde weiterhin Projekte betreuen, Ideen entwickeln und diese an unsere bestehenden und neuen Kunden bringen", sagt sie gegenüber DWDL.de. "Als passionierte Filmemacherin war es mir wichtig, auch weiterhin Geschichten zu erzählen." Künftig wird Franke aber auch verstärkt mit Managementtätigkeiten beschäftigt sein. Sie wolle vor allem junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihrem Entwicklungsprozess begleiten, sagt sie.

Der Titel 'Trucker Babes' ist ein nettes Wortspiel, das ein Stück weit auch eine Worthülse ist, die mehr verspricht als sie letztendlich hält.
Christine Franke, Geschäftsleiterin Story House

Mit Frauen, die sich in vermeintlichen Männerdomänen beweisen, wird sich Franke auch in Zukunft beschäftigen. Der Markt habe Interesse an solchen Formaten, sagt sie. "Menschen wollen Menschen sehen, dabei schlüpfen sie gerne in Alltagswelten. Wir richten uns da verstärkt an Mikrokosmen aus, also neben dem LKW-Cockpit etwa Werkstätten oder Baustellen." Das hat auch für Story House einen Vorteil, gibt es doch eine gewisse Dreh- und Produktionssicherheit. In einer Zeit, in der wegen einer globalen Pandemie immer auch Drehs verschoben oder ganz abgesagt werden müssen, ist das nicht ganz unwichtig.

Sexistische "Trucker Babes"?

Was wohl nur die wenigsten wissen: Die von Christine Franke entwickelten "Trucker Babes" waren ursprünglich gar nicht für Kabel Eins gedacht, sondern für DMAX. Dort beauftragte man die Produktionsfirma mit einem Piloten, schließlich hatte man mit den "Asphalt Cowboys" schon länger ein erfolgreiches Format im Programm. Letztlich wagte man aber doch keine volle Staffel und so zog das Team um Franke zu Kabel Eins weiter. Dort wurden die "Trucker Babes" so erfolgreich, dass DMAX im vergangenen Jahr schließlich die "Trucker Ladies" ankündigte (DWDL.de berichtete), produziert allerdings nicht mehr von Story House. Ausgestrahlt wurden diese Folgen dann im Sommerprogramm mit solidem Erfolg unter dem "Asphalt Cowboys"-Label. 

Franke arbeitete in den vergangenen Jahren unter anderem auch an Sendungen wie "King of Trucks" (DMAX) oder "Gut gebaut - ‘Männerjobs’ in Frauenhänden" (Nitro). Auch die "Trecker Babes" von Kabel Eins hat sie umgesetzt, hier aber mit weniger Erfolg als beim Original. Die Produzentin hat offensichtlich einen Hang zum Thema. Immer wieder gibt es aber auch Kritik an den "Trucker Babes". Allen voran am Titel, der Frauen einen oft als sexistisch empfundenen Begriff aufdrückt. Franke hat dazu eine klare Meinung. Der Titel des Formats sei ein nettes Wortsport, das ein Stück weit auch eine Worthülse sei. Eine Worthülse, "die mehr verspricht als sie letztendlich hält". Franke: "Wir setzen uns natürlich nicht dem Vorwurf aus, Frauen zu sexy zu zeigen. Wir locken mit dem Titel und zeigen tolle Frauen und ihre Geschichten." Grundsätzlich habe das Format in den vergangenen Jahren einen Wandel durchlebt. Am Anfang habe man oft noch erzählt, wie es als Frau ist in einem vermeintlichen Männerberuf. "Mittlerweile reden wir nicht mehr darüber, sondern zeigen es nur noch." Man behandle die Frauen auf Augenhöhe und mit vollstem Respekt. 

Auch der Fiction-Bereich wächst

Aber nicht nur im Bereich von Frauen in vermeintlichen Männerdomänen will Story House wachsen. Zuletzt baute man einen Fiction-Bereich auf und aus, mit "Dignity" gab es eine erste Serie, die hierzulande bei Joyn zu sehen war. International wurde die Serie unter anderem an HBO Nordic verkauft, in Lateinamerika lief sie bei Amazon. Und genau mit diesen Partnern spreche man nun auch über eine zweite Staffel, sagt Geschäftsführer Andreas Gutzeit. Das heißt jedoch nicht, dass Joyn raus ist. Gutzeit ist jedenfalls optimistisch, eine zweite Staffel produzieren zu können. Die Entwicklung des Stoffes sei bereits abgeschlossen. 

Wir hatten keinen Einbruch und haben unsere Ziele für 2020 erreicht.
Andreas Gutzeit, Geschäftsführer Story House

Ebenfalls bekannt war, dass man eine "Sisi"-Serie plant, die bei TVNow gezeigt werden soll (DWDL.de berichtete). In diesem Jahr wolle man mit der Produktion beginnen, so Gutzeit. "Einer Produktion steht - sofern uns die Pandemie nicht dazwischen kommt - nichts im Wege." Dass auch Netflix eine "Sisi"-Serie angekündigt hat, stört den Fernsehmacher nicht. "Wir scheuen den Wettbewerb mit der Sisi-Serie, die Netflix produziert nicht, im Gegenteil, das belebt das Geschäft." Zwei weitere Serien hat Story House derzeit in der Pipeline, sagt Gutzeit gegenüber DWDL.de. So plant man einen Mystery-Thriller sowie eine Komödie zum Thema Fußball. Über Details will Gutzeit derzeit noch nicht sprechen. Fest steht: Der Fiction-Bereich wächst. 

Insgesamt ist Story House laut Geschäftsführer Gutzeit gut durch das Coronajahr 2020 gekommen. "Wir hatten keinen Einbruch und haben unsere Ziele für 2020 erreicht", sagt er. Geholfen habe unter anderem der Standort in den USA, dort konnte man ohne Unterbrechungen produzieren. Carsten Obländer habe zudem viele Trump-Filme an verschiedene Sender geliefert. "Bei einer Handvoll Projekte, die wir wegen Corona unterbrechen mussten, haben wir uns schnell und partnerschaftlich sowohl mit den privaten als auch mit den öffentlich-rechtlichen Sendern über die weitere Vorgehensweise geeinigt", sagt Gutzeit. Aber auch solche Unterbrechungen hätte man ausgleichen können, etwa durch neue Aufträge.