Überraschende Kehrtwende bei der Mediengruppe RTL Deutschland: Die 2018 vor dem Führungswechsel von Anke Schäferkordt zu Bernd Reichart eingeführte Streamingmarke TVNow wird in den kommenden Monaten beerdigt, um das SVoD-Angebot im zweiten Halbjahr 2021 unter dem Namen RTL+ neu zu positionieren. Eine Veränderung, die nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de einher geht mit der umfassenden Überarbeitung der Markenarchitektur des Unternehmens, die seit Monaten bereits unter dem Projektnamen "RTL United" vorangetrieben wird.

Mediengruppe RTL Deutschland © imago images / Future Image 2007 wurde das bisherige Mediengruppe-Branding erfunden
Dass die Mediengruppe RTL Deutschland als Unternehmensgruppe vor einem Rebranding steht, hatte man bereits im vergangenen Jahr bestätigt. Dass die Umsetzung jetzt deutlich länger dauert als zu vermuten wäre, hat jedoch nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun. Das Projekt ist weitaus komplexer geworden, weil die Zielsetzung einen größeren Rahmen bekam: Die Mediengruppe RTL Deutschland will, gemeinsam mit der ohnehin operativ inzwischen weitgehend in Köln ansässigen Mutter RTL Group, den Markenauftritt vereinheitlichen. Von einem "neuen Kapitel" und einer "Herkulesaufgabe" ist in Köln-Deutz die Rede.

Über die Jahrzehnte ist in den diversen europäischen Märkten der RTL Group, aber auch allein in Deutschland, ein Wildwuchs verschiedener Logo-Variation der Marke RTL für Fernsehsender, Radiostationen und Digitalangebote etabliert worden. Der Internationalisierung des Wettbewerbs mit weltweit einheitlich auftretenden Marken wie Netflix, Prime Video oder Disney+ will man deshalb nach DWDL.de-Informationen eine Stärkung der Kernmarke RTL entgegen setzen, die laut interner Selbstdarstellung "für positive Unterhaltung und unabhängigen Journalismus sowie Inspiration, Energie und Haltung" steht.

"Markenarchitektur innerhalb der gesamten RTL Group harmonisieren"

Erreicht werden soll die Fokussierung durch ein einheitlich wiedererkennbares Erscheinungsbild für etablierte RTL-Marken und falls nötig Rebrandings. So firmiert die Mediengruppe RTL Deutschland künftig als RTL Deutschland und das SVoD-Angebot TVNow wird zu RTL+. Dass man damit weniger als drei Jahre nach Einführung der Streaming-Marke TVNow und kostspieligen Marketinganstrengungen, diese im Markt zu etablieren, eine Rolle rückwärts macht, nimmt man in Deutz angesichts der Gesamtstrategie in Kauf. Das Rebranding des Streamingdienstes hat auch weitere Konsequenzen: So wird der bisher RTLplus genannte Retro-Sender der Gruppe einen neuen Namen erhalten. Eigenmarken wie Vox oder ntv sollen aber übrigens auch bei einer Vereinheitlichung der Markenarchitektur erhalten bleiben.

Stephan Schäfer übernimmt bei der Mediengruppe RTL © DWDL / MGRTL / G+J Stephan Schäfer, bald ohne Mediengruppe
Auf Details geht die Mediengruppe RTL Deutschland auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de am Dienstag nicht ein, bestätigt aber das Projekt "RTL United". Stephan Schäfer, Geschäftsführer Inhalte & Marken der Mediengruppe erklärt gegenüber DWDL.de: "Wir arbeiten aktuell an der Umsetzung einer umfassenden Neugestaltung und Repositionierung der Marke RTL. Ziel ist es, die Marke RTL als führende europäische Unterhaltungsmarke nachhaltig zu stärken und die Markenarchitektur innerhalb der gesamten RTL Group zu harmonisieren – national und international, von den Corporate Brands bis hin zu den Sender- und Formatmarken, über alle digitalen Plattformen."

Der Rollout des Projekts "RTL United" ist nach DWDL.de-Informationen für das zweite Halbjahr geplant. Gerade rechtzeitig, damit kommende Flaggschiff-Projekte, die man gerade in diversen Genres für TVNow in Auftrag gegeben hat, beim neu positionierten RTL+ starten können, darunter die angekündigte Verfilmung des Wirecard-Skandals, Serienprojekte wie "Faking Hitler" oder "Herzogpark", eine vierteilige Dokumentation über das Leben von Angela Merkel sowie einige True Crime-Programme.

Eigene Stärke betonen statt Plattform-Gedanken

Eigenproduktionen hatte TVNow auch schon unmittelbar zum Marktstart mit der Anfang 2019 veröffentlichten Serie "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" von David Schalko, die ursprünglich für den PayTV-Kanal RTL Crime geplant war. Doch erst im vergangenen Jahr wurden dann Eigenproduktionen in höherer Schlagzahl für TVNow angekündigt, was möglicherweise auch den Weg zum jetzigen Rebranding ebnete, weil damit endgültig eigene Inhalte statt offenem Plattform-Gedanken in den Fokus genommen wurde.

TVNow © TVNow Goodbye TVNow. Du hattest das T, aber R und L fehlten
Reist man gedanklich zurück ins Jahr 2018, so kann man sich darin erinnern, dass in jenem Sommer beinahe zeitgleich die Mediengruppe RTL Deutschland in Köln sowie ProSiebenSat.1 und Discovery in München ein neues Streamingangebot ankündigten. Es waren Monate des Wettlaufs, in denen es auch um die Hoffnung beider Seiten ging, mit dem eigenen Angebot einen Marktstandard zu etablieren, dem sich andere Sender bzw. Partner anschließen würden. Daher, so wurde damals argumentiert, ein generischer Name wie TVNow. In Köln gab man diese Strategie jedoch anders als bei Joyn früh auf. Letztlich auch Grundvoraussetzung für ein Rebranding in RTL+.

Ein interessantes Signal ist die "Harmonisierung der Markenarchitektur" bzw. Stärkung der Marke RTL auch vor dem Hintergrund der Schlagzeilen um Gruner+Jahr: In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die beiden deutschen Medienhäuser von Bertelsmann in Gesprächen über eine noch engere Zusammenarbeit gehen, was angesichts der ohnehin bereits bestehenden intensiven Kooperation auch erklärtermaßen eine Fusion beider Häuser bedeuten könnte. Der Hamburger Verlag trifft damit in Köln auf einen TV-Konzern, der seine historische Marke von Radio Télévision Luxembourg künftig mit eher mehr als weniger Selbstbewusstsein noch sichtbarer auf der Brust trägt.