Was auf Anhieb klingt, als wäre es immer schon so gewesen, ist eine weitreichende Nachricht an diesem Mittwoch: Der Kindersender Super RTL, Marktführer in seinem Segment, gehört künftig vollständig der RTL Group. Deren Tochter, die Mediengruppe RTL Deutschland, erwirbt den von BVI Television Investments, Inc., einem Unternehmen der Walt Disney Company, gehaltenen Anteil in Höhe von 50 Prozent an Super RTL. Die Transaktion steht noch unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch das Bundeskartellamt sowie die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde und wird bei der zuständigen Medienanstalt angemeldet. Im Laufe des Jahres wird mit einem Abschluss gerechnet.

Bernd Reichart © MG RTL D / Boris Breuer Bernd Reichart
"Als langjähriger Mitgesellschafter freuen wir uns, Super RTL nun vollständig in der Mediengruppe RTL Deutschland willkommen zu heißen. Mit der hohen TV- und Digital-Expertise von Super RTL und seiner agilen Unternehmensorganisation werden wir unsere digitale Agenda künftig gemeinsam noch effizienter und schneller gestalten. Wir freuen uns auf die noch engere Zusammenarbeit mit dem uns bestens vertrauten und hochprofessionellen Team", sagt Bernd Reichart, CEO der Mediengruppe RTL Deutschland, zu der Transaktion. Verkäufer Disney wiederum schweigt zu dem Deal.



Es ist die größte Sender-Übernahme auf dem deutschen Fernsehmarkt seit dem von Leo Kirch angestoßenen Zusammenschluss von ProSieben und Sat.1 im Jahr 2000. Und damit schließt sich ein Kreis, denn die in diesen Jahren geformten Sendergruppen waren der Grund, warum sich danach so wenig bewegte im Markt. Die damals geformte ProSiebenSat.1 Media AG und die Aktivitäten der RTL Group in Deutschland bilden seither das private Duopol im deutschen Fernsehmarkt. Immerhin: Eine weitere Konzentration verhinderte über Jahre hinweg das Medienkonzentrationsrecht, beaufsichtigt von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).

Übernahmen: Lange gewollt, lange nicht machbar

Anke Schäferkordt © MG RTL D Anke Schäferkordt
Und trotzdem gab es, auch schon unter Führung von Anke Schäferkordt, in Köln bzw. Luxemburg immer wieder mal Gedankenspiele einer Neusortierung der beiden unehelichen Kinder der Mediengruppe, die den Markennamen des Luxemburger TV-Konzerns tragen, obwohl der gar nicht die Mehrheit hält: Bei RTLzwei in Grünwald besitzt die RTL Group bis heute 35,9 Prozent der Anteile, an der RTL Disney Fernsehen GmbH waren es 50 Prozent. Eine Übernahme einer dieser Sender kam aber eben lange nicht in Frage: Nennenswerte Zukäufe hätten die Marktanteile der Mediengruppe RTL Deutschland über das erlaubte Maß anwachsen lassen.

Was dann geschah? Mit der zunehmenden Fragmentierung des Fernsehmarktes in den vergangenen zehn Jahren sanken durch die Bank die Marktanteile der größten Sender stetig, so dass sowohl in Köln wie auch Unterföhring bekanntlich neue Fernsehsender gestartet werden konnten ohne die KEK auf den Plan zu rufen. Bevor der Markt uns fragmentiert, fragmentieren wir uns selbst, war die Devise. Und früher nicht denkbare Übernahmen sind denkbar geworden, auch weil neben der KEK das Bundeskartellamt als möglicher Bremsklotz bei der Beurteilung von Konzentration im Markt nicht mehr allein TV-Marktanteile im Blick hat, so die Einschätzung vieler Beobachter.

Bei RTLzwei kam 2019 erstmals Bewegung ins Thema, als einer der Gesellschafter, die Tele München Gruppe, an das von Fred Kogel geführte und KKR finanzierte Medienhaus Leonine verkauft wurde. Nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de war die Mediengruppe RTL Deutschland an einer Übernahme der Leonine-Anteile an RTLzwei interessiert und dort war man sogar verkaufswillig, aber der Deal scheiterte offenbar am dritten großen Gesellschafter des Senders, der Bauer Media Group. Gleichberechtigt unter Dreien zu sein, ist wohl reizvoller als Minderheitsgesellschafter bei einem fremdgesteuerten Unternehmen zu sein.

Mickey Mouse © Disney
Einfacher ging es jetzt bei Super RTL, wo die RTL Group über ihre Beteiligung CLT UFA ebenso 50 Prozent hielt wie Disney über seine Tochter BVI Telev. Investments. Eine Patt-Situation, die es dem Geschäftsführer des Kölner Senders, Claude Schmit, mehr als zwanzig Jahre lang ermöglichte, den Sender unabhängig von einer Kontrollmehrheit einer der beiden Gesellschafter zu führen. Doch die Prioritäten von Disney haben sich verschoben: Mit dem eigenen Disney Channel im FreeTV und Disney+ spielte die 50-prozentige Beteiligung bei Super RTL keine strategische Rolle mehr und die Mediengruppe RTL Deutschland kann hier umsetzen, was ihr bei RTLzwei verwehrt blieb.

Personal, Führung, Marke: Auswirkungen der Übernahme

Vor dem Hintergrund der kürzlich bekannt gewordenen Strategie „RTL United“, die einerseits Marken harmonisieren soll (durch einheitliche Optik oder Abschaffung der Marke TVNow), aber auch Organisationsstrukturen straffen will (wie etwa die Steuerung von RTL und RTL+ durch Henning Tewes), gehört nach der jetzigen Übernahme wenig Fantasie dazu, grundlegende Veränderungen zu erwarten, auch wenn Super RTL hochprofitabel unterwegs ist. Das betrifft beispielsweise einen Personalabbau, weil mit der Integration in die Mediengruppe RTL Deutschland vorhandene Ressourcen genutzt werden können, die Super RTL als eigenständiges Unternehmen bisher selbst vorhielt. 

Claude Schmit © Super RTL Claude Schmit
Aber auch die Frage nach der Führung des Senders stellt sich. Claude Schmit, Baujahr 1960, ist seit 1999 Geschäftsführer des Senders und machte sich im Interview mit dem Medienmagazin DWDL.de im vergangenen Jahr bereits Gedanken über seinen Abschied vom Sender. Er wolle seinen „Job hier richtig zu Ende bringen“, sagte Schmit und bezeichnete die Corona-Krise als Kraftakt, den er noch stemmen wolle, um den Sender stark aufgestellt zu hinterlassen. „In zwei, drei Jahren“ könne dann der Moment kommen, in dem er sagt: „Freunde, jetzt ist dann mal gut“. Zehn Monate später fiel die Delle durch die Corona-Krise weniger schlimm aus als befürchtet und dann dieser Deal der Gesellschafter: Möglich, dass sich etwas an der Zeitplanung beschleunigt. Einen Kronprinz gibt es mit Thorsten Braun, Chief Content & Revenue Officer, bereits.

Eine denkbare Konsequenz könnte auch der Abschied von der missverständlichen Marke Super RTL sein, die noch dazu gerade mit diversen Logo-Versionen irritiert. Im Sender selbst wurde nie ein Hehl daraus gemacht, dass der Name eine Krücke war, die im Kindermarkt nicht half und sonst fälschlicherweise suggeriert, der Sender sei besser als das eigentliche RTL. Nicht ohne Grund wurden deshalb Marken wie Toggo und Toggolino eingeführt, die in der Zielgruppe weitaus geläufiger sind und beim Ableger ToggoPlus sogar schon zur Sendermarke wurden. Es war Gesellschafter RTL, der über viele Jahre darauf bestand, den Sendernamen nicht zu ändern. Man wollte die Sichtbarkeit der Marke RTL nicht unnötig schmälern. Mit der vollen Kontrolle über den Sender und der „RTL United“-Strategie ist ein Rebranding auch hier denkbar, ob nun RTL Kids oder RTL Toggo.

Mediengruppe RTL Deutschland © imago images / Future Image
Das sind natürlich Spekulationen, die weit über die zunächst einmal sehr nüchterne Kommunikation des heutigen Tages hinaus gehen. Angesichts des unerwartet hohen Tempos, mit dem die Mediengruppe RTL Deutschland - nach einer Pause in 2020 - wieder am Umbau des Hauses arbeitet, muss man in Köln-Deutz derzeit allerdings mit allem rechnen. Zu seiner Gesamtstrategie für das Unternehmen und der Frage, wann und woran er den Erfolg dieses Einkaufs und anderer Maßnahmen messen lassen will, wird sich der zuletzt eher still agierende CEO der Mediengruppe, Bernd Reichart, dann auch mal äußern müssen.

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