Der BFS hat sich in die Debatte eingemischt, die rund um den Dokumentarfilm "Lovemobil" entstanden sind. Darin hatte die Autorin Szenen von Schauspielern nachstellen lassen, ohne das so zu kennzeichnen. Als das aufflog, distanzierte sich der NDR, der an der Entstehung beteiligt war, von dem Film, die Autorin gab außerdem den Dokumentrafilmpreis zurück. In die Debatte mischten sich aber auch kritische Töne gegenüber dem Sender, der nach Meinung einiger Branchenvertreter den Pfusch hätte entdecken müssen. 

Ganz grundsätzlich kritisiert der BFS nun, dass die Begriffe Dokumentarfilm und Dokumentation in der Diskussion häufig als Synonym verwendet würden. Allerdings müsse man den eher künstlerischen Dokumentarfilm von der eher journalistischen Dokumentation unterscheiden, heißt es in einem Schreiben des Verbands. Anders als in der klassischen Doku gehe es im Dokufilm zwar auch um eine gründliche Recherche, doch der gesamte dokumentarfilmische Prozess sei ergebnisoffen. "Der Dokumentarfilm argumentiert mit Bildern, Einstellungen, Szenen. Er blickt oft subjektiv und künstlerisch auf komplexe Themen und bezieht Haltung."

Bei journalistischen Format gebe es klare Vorgaben, wie man mit Inszenierungen umzugehen habe und wie diese zu kennzeichnen seien, so der BFS. "Für Dokumentarfilme hingegen gibt es keine allgemeingültigen Regeln, sondern es wird in jedem Film individuell entschieden. Beispielsweise kann die Inszenierung sich als solche selbst zeigen, aber auch die Montage hat zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, um Inszenierung zu nutzen und durch einen Kunstgriff kenntlich zu machen – auch ohne eine Einblendung wie ‘Szene nachgestellt’." Die Nicht-Kenntlichmachung der nachgestellten Szenen war ein wesentlicher Kritikpunkt an "Lovemobil". Trotz der berechtigten Kritik an diesem Film dürfe als Ergebnis nicht stehen, "dass dem künstlerischen Dokumentarfilm nun grundsätzlich ein journalistisches Korsett verpasst wird", so der BFS. 

Der BFS kritisiert außerdem die Sender. Dokumentarfilme benötigten in der Regel mehr Zeit und Geld als journalistische Formate. "Jedoch sind die Budgets in Deutschland häufig viel zu gering. Dies schadet nicht nur den Filmschaffenden, sondern dem Genre und letztlich dem Publikum." Bei Abnahmen würde man immer wieder erleben, dass Redakteure der Sender "Dramaturgien und Spannungsbögen erwarten, die mit Spielfilmen vergleichbar" seien. Das echte Leben würde solche Erzählungen jedoch nicht auf Knopfdruck liefern, dafür benötige man Zeit. Das führe zu längeren Drehzeiten, mehr Material und infolgedessen auch längeren Schnittzeiten. "Die Herstellungsleiter*innen der Sender gehen allerdings häufig von völlig unrealistischen Schnittzeiten aus und haben wenig Verständnis für die Komplexität von Montageprozessen. Wenn die Zeit für die notwendige intensive Auseinandersetzung mit dem Material im Schnitt fehlt, leidet letztlich die Qualität der Filme."

In den kommenden Monaten will der BFS mehrere Veranstaltungen und Gesprächsrunden zum langen unformatierten Dokumentarfilm anbieten. "Wir fordern dabei auch die Entscheidungsträger*innen in den Sendern und Filmförderungen zum Gespräch auf, denn: Dokumentarfilme entstehen weitgehend im Schnitt."

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