Mit ganzseitigen Anzeigen in großen Tageszeitungen und umrahmten Startseiten diverser Nachrichtenportale hat eine Kampagne der von Industrieverbänden finanzierten Lobbyorganisation "Initiative Neue Soziale Markwirtschaft" (INSM) in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt. Zu sehen war die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock als eine Art Mose - versehen mit zwei Steintafeln, auf denen Verbote stehen, die die Grünen angeblich planen.

An der Kampagne hagelte es reichlich Kritik von vielen Seiten und nun könnte es auch ein Nachspiel geben. So prüft der Presserat derzeit, "ob ein Verfahren gegen 'Sueddeutsche.de" eingeleitet wird, wie eine Sprecherin gegenüber "Meedia" mitteilte. Dem Bericht zufolge sind drei Beschwerden zur INSM-Kampagne gegen die "Süddeutsche Zeitung" eingegangen. Die Beschwerdeführer würden "die massive Platzierung der Anzeige und deren direkte Kombination mit dem redaktionellen Inhalt als presseethisch fragwürdig“ kritisieren. 

Laut Presserat werfe "das direkte Aufeinandertreffen von Anzeige und Artikel in der Online-Ausgabe" die Frage auf, ob Ziffer 7 des Pressekodex berührt sei, ob also auf eine "klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken" geachtet worden ist. Auch die Frage, ob die Anzeige ausreichend gekennzeichnet und klar als solche erkennbar war, wird von dem Gremium geprüft. Dass aktuell nur die "Süddeutsche Zeitung" ein entsprechendes Verfahren befürchten muss, überrascht, immerhin war die Anzeige auch bei "Bild", "FAZ", "Zeit Online" und "Tagesspiegel" zu sehen.

Kein Verfahren des Werberats 

Beschwerden sind derweil auch beim Deutschen Werberat eingegagen. Hier wird es jedoch ganz sicher kein Verfahren geben, weil das Gremium. ausschließlich kommerzielle Kommunikation beurteilt - und damit Werbung, "die auf den Absatz von Produkten und Dienstleistungen gerichtet ist", wie der Werberat auf "Meedia"-Anfrage eklärte. Für Werbung aus diesem Bereich fehle schlicht die Kontrollinstanz, denn "eine ähnliche Institution für die Werbung von NGO’s, Parteien etc. wie den Werberat gibt es bisher nicht".

Mehrere Tage nach der Veröffentlichung der Kampagne hat sich auch die INSM noch einmal zu Wort gemeldet und auf Antisemitismus-Vorwürfe reagiert, die aufgekommen waren, weil Baerbock in orientalischem Gewand dargestellt wurde. "Sollten wir mit der Anzeige persönliche oder religiöse Gefühle verletzt haben, so bedauern wir dies und versichern, dass dies in keiner Weise beabsichtigt war", erklärte der Verband und betonte, in Zukunft "noch deutlicher als bisher darauf achten" zu wollen, "dass kein Zweifel an unserer Abscheu gegenüber jeder Form des Antisemitismus oder Antijudaismus aufkommen kann".

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Kritik kam unter anderem vom baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume. Die Initiative hätte jemanden mit Ahnung von Religionen und Verschwörungsmythen konsultieren müssen, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Und Charlote Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, kritisierte via Twitter, die INSM habe sich "völlig im Ton vergriffen und sollte sichergehen, dass sie nicht mit solchen Darstellungen Vorurteile schürt".