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Wenn Fernsehmanager neue Programme einkaufen, läuft das oft noch ziemlich traditionell ab. Da trifft man sich auf Fernsehmessen und handelt Deals aus. Auf der einen Seite stehen die Distributoren, die ihre Inhalte in die ganze Welt verkaufen wollen. Und auf der anderen Seite stehen die Verantwortlichen von Produktionsfirmen, Sendern und Plattformen, die alle gleichermaßen nach vermeintlichen Hits suchen. Ein Team aus bekannten Medienmanagern hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, diesen Prozess zu revolutionieren. Dafür hat man die Plattform ContentBay entwickelt. Diese beschreibt man als ersten KI-gestützten globalen Marktplatz für den Handel audiovisueller Inhalte. 

In einem ersten Schritt ist die Plattform ein Analysetool, in dem die Nutzerinnen und Nutzer "nahezu alle jemals produzierten Inhalte der letzten 70 Jahre" finden sollen. Durchsucht werden kann diese Datenbank nach Stichworten, Genres, Ähnlichkeiten und anderen Kriterien. Hinzu kommt ein globaler Marktplatz, in dem Distributoren ihre Titel den Programmeinkäufern anbieten können, diese können die einzelnen Produktionen dann direkt über ContentBay erwerben. 

Während das Analysetool schon fertig ist und aktuell mit einigen Pilotkunden getestet wird, soll der Markplatz Mitte des kommenden Jahres fertig sein, wie die Manager hinter dem Unternehmen gegenüber DWDL.de erklären. Hinter ContentBay steht ein Team aus Medienmanagern, die zum Teil schon lange im Geschäft sind. Als Investoren der Content Bay GmbH fungieren der langjährige Sky-Geschäftsführer Holger Enßlin und Christian Unterseer, der in der Vergangenheit schon für Premium Media Solutions und ProSieben gearbeitet hat und der inzwischen zusammen mit Michael Woelfle die Cataneo GmbH betreibt. Enßlin hält über eine Holdinggesellschaft ein Drittel am Unternehmen, Cataneo die restlichen zwei Drittel. 

 

"Es geht nicht darum, aus einer einzelnen Transaktion die maximale Provision herauszubekommen, uns geht es um Volumen."
Holger Enßlin

Darüber hinaus soll Oliver Skelton die Plattform als Managing Director federführend aufbauen. Er war es auch, der die Idee für den Markplatz hatte. Skelton ist vielen Jahren in der Unterhaltungs- und Rundfunkbranche tätig, so arbeitete er schon für Sky und NBC Universal, die inzwischen beide zu Comcast gehören. Thomas Vink ist Commercial Director bei ContentBay, er war zuletzt Head of Programming beim inzwischen eingestellten Bollywood-Sender Zee.One, davor arbeitete er auch schon für Motorvision.TV und Tele 5. 

"Das Gesamtkonstrukt Content-Einkauf wird nach wie vor sehr vorsintflutlich gehandhabt. Immerhin: Wir arbeiten inzwischen mit PDFs und nicht mehr mit Papier, ansonsten gibt es wenig Fortschritte in diesem Bereich", sagt Holger Enßlin im Gespräch mit DWDL.de. Er muss es wissen, war er während seiner Zeit bei Sky doch auch verantwortlich für die Akquisition von Sportrechten. Während auf Seite der Zuschauenden bei Streamingplattformen und Mediatheken datengetriebene und algorithmisch basierte Empfehlungssysteme dominieren, würden im B2B-Segment Suche, Bewertung und Handel mit diesen Inhalten seit Jahrzehnten nahezu unverändert ablaufen. "Oft regiert noch das Bauchgefühl in einer kostspieligen und ineffizienten ‚Closed Shop‘-Umgebung", so Enßlin, der das ändern will, wie er gegenüber DWDL.de sagt.

Geld verdienen will ContentBay einerseits mit dem Analysetool, andererseits aber auch bei jeder Transaktion, die über den Marktplatz getätigt wird. Für die Nutzung des Analysetools werde es voraussichtlich drei Abo-Stufen geben, sagt Thomas Vink gegenüber DWDL.de. An den Details arbeitet man gerade, das günstigste Modell wird aber wohl im hohen zweistelligen Bereich liegen, in der teuersten Stufe kostet das Tool dann deutlich mehr. Bei erfolgten Deals über die Plattform verlangt ContentBay eine Provision, die nach Angaben der Macher aber deutlich unter dem liegen soll, was derzeit im Markt üblich sei. "Es geht nicht darum, aus einer einzelnen Transaktion die maximale Provision herauszubekommen, uns geht es um Volumen", sagt Holger Enßlin. Über Umsatzprognosen wollen Enßlin und Vink nicht sprechen. Sie betonen aber, dass es sich um ein langfristiges Projekt handele, das man "behutsam und nachhaltig" aufbauen werde. 

ContentBay will keine Konkurrenz für Distributoren sein

Spannend dürfte bei dem Projekt werden, ob sich die Distributoren tatsächlich dazu durchringen können, mit ihren Katalogen auf die Plattform zu gehen. Dadurch geben sie schließlich ein Stück weit die Hoheit über ihre Inhalte ab. Vink betont, dass man den Distributoren keine Konkurrenz machen wolle - im Gegenteil. "Wir geben ihnen, und auch den Einkäufern, ein Tool an die Hand, mit dem sie ihre Prozesse um ein vielfaches vereinfachen und datenbasierter gestalten können." Man selbst wolle keine Lizenzen verkaufen, sondern lediglich als Mittler zwischen Lizenznehmer und -geber dienen. "Es geht darum die Player am Markt zu unterstützen, damit diese künftig etwas mehr Zeit für die  besonders wichtigen Deals haben. Durch uns müssen sie für das Gros ihres Portfolios weniger Zeit als bislang aufwenden und können mit vielleicht bereits abgeschriebenen Inhalten zusätzliche Umsätze erwirtschaften", sagt Vink, der ContentBay als "neutrale Plattform" bezeichnet. 

Enßlin glaubt, man habe gute Argumente, um die Verkäufer auf die Plattform zu holen. Er zeigt sich optimistisch. Das ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass es schon heute Gespräche mit Unternehmen gibt, mit einigen Interessierten arbeite man bereits zusammen. Um welche Distributoren es sich handelt, behält man bei ContentBay lieber noch für sich. Enßlin sagt nur so viel: "Wir bauen nichts ins Blaue hinein, es gibt viel Input von Ein- und Verkäufern." Am Ende werden keine Unternehmen mit dabei sein, von dem man in der Branche noch nicht gehört habe, verspricht der Investor.

"Informiertes Bauchgefühl"

Die vielen Inhalte auf der Plattform lizenziert ContentBay aus verschiedenen Quellen, etwa aus dem Internet Video Archive (IVA). Anbieten will man den Kundinnen und Kunden auch eine Videoerkennung von Inhalten. Die Inhalte könnten dann nach Stichworten wie Berg, Schiff und Flugzeug oder nach Logos von bestimmten Marken durchsucht werden. Für letzteres muss das Tool aber entsprechend trainiert werden. Dadurch könnte man es werbungtreibenden Unternehmen ermöglichen, im Umfeld von Filmen zu werben, in denen ihr Logo vorkommt. Dadurch ergeben sich theoretisch auch in der Werbevermarktung entsprechende Möglichkeiten.

ContentBay hat es sich also zum Ziel gemacht, den Einkauf und Verkauf von Programmen zu revolutionieren - auch wenn klar ist, dass sich die Branche auch künftig auf Fernsehmessen trifft. "Die Messen wird es ebenso weiter geben wie das Bauchgefühl beim Programmeinkauf", sagt Holger Enßlin im Gespräch mit DWDL.de. "Durch uns wird es aber eher ein informiertes Bauchgefühl sein."