Wer hätte gedacht, dass die vormittägliche ZDF-Servicesendung "Volle Kanne", gestartet Ende des zurückliegenden Jahrtausends, irgendwann auf eine gewisse Art und Weise auf den Spuren der ähnlich gelagerten, aber erst 2018 debütierten Sendung "Live nach Neun" (Das Erste) wandelt? Jetzt ist es soweit. Ab Montag sendet "Volle Kanne" nämlich nicht mehr vom bisherigen Standort in Düsseldorf-Golzheim, sondern aus dem Düsseldorfer WDR-Funkhaus direkt am Rhein – dort entstand bis Ende 2019 auch das ARD-Vormittagsmagazin. Inzwischen nutzt das Zweite dort zirka 3000 Quadratmeter Fläche für Studiosets und Büroräumlichkeiten. "Eine sehr sinnvolle öffentlich-rechtliche Kooperation" sei das, erklärte ZDF-Chefredakteur Peter Frey und die Grundidee sei zudem gar nicht so neu. In Berlin etwa nutze das "ARD-Mittagsmagazin" Studios und Räume des ZDF.



Was in Berlin also gelernt ist, läuft in Düsseldorf gerade an. "Am Eingang des WDR-Gebäudes muss ich jeden Morgen noch meinen Mitarbeiter-Ausweis zeigen. Mich kennt man da noch nicht. Zwei Mal ist es auch schon passiert, dass ich auf dem Gang einen Kollegen gegrüßt habe, der mich dann nicht kannte, weil er für den WDR arbeitet und ich für das ZDF", erzählt "Volle Kanne"-Moderator Florian Weiss DWDL.de schmunzelnd.  Weil an neuer Wirkungsstätte alles größer sei als in Düsseldorf-Golzheim, könne es auch passieren, dass man sich auf dem Weg zur Toilette mal verlaufe.

 

Alles größer, alles besser – das mag eventuell auch auf den für die Zusehenden sichtbaren Teil der Veränderungen zutreffen. Denn der Umzug beschert dem Service-Magazin, das im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 14,7 Prozent Marktanteil insgesamt nochmals gefragter war als in den Jahren zuvor, auch ein neues Set. "Ich freue mich riesig auf das neue 'Volle Kanne'-Studio. Als Moderator einer Sendung passiert einem so etwas ja nur ganz selten – oftmals muss man Jahrzehnte warten, bis es so weit ist. Das neue Studio ist nun deutlich größer, es bietet also mehr Fläche", betont Weiss. Die Klassiker, also Frühstückstisch und Küche, seien natürlich erhalten geblieben. "Es gibt nun aber auch eine Sofa-Lounge, ein Atelier für die Themengebiete Garten und Handwerk und es wird eine Freifläche im Sommer geben, wo wir auch etwas Frischluft schnuppern. Generell ist das Set heller geworden, es hat eine wunderschöne Farbkombi", sagt der Moderator, der 2006 erstmals für die Sendung arbeitete.

Jahrelang hatte Florian Weiss, der seine Brötchen auch beim Radio in Bayern verdiente, eine eigene "Besserwisser"-Rubrik im ZDF-Vormittagsprogramm. Dann kündigte sich das Ende von Ingo Nommsen an. Nommsen, ebenfalls ein Bayer, hatte der Sendung zwei Jahrzehnte lang, bis ins Jahr 2020 hinein, seinen Stempel aufgedrückt. Wer also könnte diese Fußstapfen ausfüllen? "Klar war, dass ich damals bei der Besetzung nicht die einzige Option war. Ich weiß auch, dass das ZDF da auf die Zuschauerreaktionen geschaut hat. Wie kam wer etwa bei Facebook an, als er mal ein, zwei Wochen moderiert hat? Ich denke, mein Vorteil war, dass ich über meine 'Besserwisser'-Rubrik einfach schon seit 15 Jahren ein bekanntes 'Volle Kanne'-Gesicht bin. Und da wir sehr treue Zuschauerinnen und Zuschauer haben, ist Konstanz schon wichtig", erinnert sich Florian Weiss. Er bekam den Moderationsjob.

Im vergangenen Jahr zog er schließlich um. Er beendete seine Tätigkeit bei Antenne Bayern, lebt inzwischen etwas außerhalb von Düsseldorf. "Radio vermisse ich immer dann, wenn ich eine Kollegin oder einen Kollegen höre, der in mir innerhalb weniger Sekunden etwas auslöst – wenn etwa ein Song so transportiert wird, dass ich motiviert bin, doch noch ein Workout zu machen. So etwas schafft auch nur Radio", erzählt Florian Weiss, der betont, sich eine Sendung wie "Volle Kanne" schon sehr lange gewünscht zu haben. Der klassische Casting-Tourist, also einer, der quasi überall vorstellig wird, nur um den Sprung vom Hörfunk ins visuelle Medium zu schaffen, sei er dennoch nie gewesen. Und irgendwie hatte er sich auch damit abgefunden, dass der richtige Sprung ins Fernsehen vielleicht nie stattfindet. Zirka 2014 hatte er, so berichtet er heute, diesen Traum beerdigt.

Ein leidenschaftlicher Talker

"Ich hatte eine Talkshow bei Antenne Bayern und war absolut zufrieden. Dann kam das Angebot, hin und wieder 'Leute heute' zu moderieren. So hat sich das also zu einem Zeitpunkt entwickelt, als ich den Wunsch dazu losgelassen hatte." Jetzt ist er also quasi der neue Nommsen – auch wenn er sich nie Gedanken gemacht habe, wie er dessen Platz am Besten einnehmen könne. Vielleicht auch, weil er um die Unterscheide weiß. Im klassischen Sinne könne er das "Volle Kanne"-Urgestein also gar nicht ersetzen. "Ingo singt gerne, spielt Gitarre, hat ein Faible für Comedy. Ich gehe hingegen in Gesprächen auf, bin leidenschaftlicher Talker. Deshalb wollte ich 'Volle Kanne' auch so gerne moderieren, denn im Fernsehen gibt es nicht so viele Formate, in denen man fünf Mal die Woche mit Gästen oder in Schalten talken kann."

 

"Das Bedürfnis nach hochwertigem Journalismus ist gestiegen in Zeiten der Klimakrise und der Pandemie." Florian Weiss


In diesem Punkt, findet Florian Weiss, hat sich die Vormittagssendung auch weiterentwickelt. Nachrichtlicher geworden sei das Format über die Jahre, sagt der gebürtige Ulmer. "Das Bedürfnis nach hochwertigem Journalismus ist gestiegen in Zeiten der Klimakrise und der Pandemie. Wir haben also viel mehr Schalten quer durch die Welt." Und auch die Studiogäste kommen aus inzwischen sehr unterschiedlichen Bereichen. In dieser Woche werden unter anderem Wolfgang Niedecken und Ronja Forcher am Frühstückstisch Platz nehmen, Gespräche geplant sind aber auch mit ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, Ulrich Wickert und Ulf Röller. Themen werden Krebsforschung, Olymipia und amerikanische Spannungen mit China sein. "Verändert hat sich aber auch die junge Generation. Mit Anfang oder Mitte 20 war ich noch nicht aktivistisch unterwegs." Damals hätte er noch zur "Generation Spaß" gehört – inzwischen setzt sich Florian Weiss, der hauptsächlich vegan lebt, für Tierwohl und Naturschutz ein.

 

Dafür hat Florian Weiss, der die Sendung in der Regel alle zwei Wochen und im Wechsel mit Nadine Krüger präsentiert, nun auch etwas mehr Zeit. Früher habe er teils für vier Redaktionen parallel gearbeitet – neben dem Radio und "Volle Kanne" auch noch für "Leute heute" und den "Fernsehgarten". Das sei mitunter viel gewesen, blickt der 45-Jährige zurück. Jetzt könne er sich auf eine Sendung konzentrieren. Und auf das neue Studio. Und den richtigen Weg zur Toilette im WDR-Funkhaus.