Mit viel Rückenwind ins vierte Jahrzehnt gestartet ist der Mitteldeutsche Rundfunk, frisch 30 Jahre alt geworden. 10,3 Prozent Marktanteil verbuchte der Sender im Vorjahr in seinem Sendegebiet, so viel wie nie. Am Freitag berichtete MDR-Intendantin Karola Wille zudem auch Zuwächse in den Bereichen Audio- und Mediathek und online sowie eine hohe Radionutzung der MDR-Wellen. Und dennoch ruckelt es im MDR-Gebiet – und manchmal knallt es leider auch. Die Pandemie, sagte Wille, bringe "besondere Herausforderungen" an den Journalismus mit sich. Sie sei einerseits ein Beschleuniger des digitalen Wandels, wirke andererseits aber auch toxisch und wie ein Brandbeschleuniger in sozialen Medien. Zwar würden vom MDR übermittelte Nachrichten von der "großen Mehrheit" als vertrauenswürdig eingestuft und eben jene große Mehrheit würde auch die News des MDR konsumieren. 

Aber: Auch Mitarbeitende des MDR seien zuletzt auf Demonstrationen gegen Corona-Maßanhmen angegriffen worden. Sie werden inzwischen von Polizei und Securitys geschützt, denn die Antwort des MDR auf solche Angriffe solle auch künftig sein, unabhängigen Qualitätsjournalismus zu liefern. "Wir sind in diesen unruhigen Zeiten gefordert, sorgfältig zu recherchieren." Jede und jeder habe ein Recht auf eine eigene Meinung, sagte Wille, nicht aber auf eigene Fakten. Unlängst hat sich der MDR ein neues Leitbild gegeben. Mit "MDR für Alle" will man stärker als bisher auch jene Bevölkerungsgruppen erreichen, die die Angebote der Anstalt bis dato noch wenig nutzen.

Gemeint seien beispielsweise sehr "familienorientierte Gruppen" oder Menschen, die hauptsächlich online oder On Demand schauen. "Wir werden also digitaler und jünger, bleiben aber mitten in der Gesellschaft", formulierte Wille den Spagat, den man sich in der kommenden Zeit vorgenommen habe. Selbst sieht sich der MDR weiterhin als "Stimme des Ostens" und zugleich auch als eine "Stimme des Wandels". So wie die Bundesländer im Osten einem stetigem Wandel unterzogen sind, ist es mittlerweile auch der MDR selbst. "Zu unserer DNA gehören Flexibilität und die Bereitschaft zum Wandel", erklärte Wille am Freitag.

Neue, digital verbreitete Informationsangebote sollen noch in diesem Jahr starten. MDR Sachsen-Anhalt geht hier beispielhaft voran und beginnt am 7. März ein neues werktägliches Online-Format namens "Was war heute wichtig?", das auf Instagram und der MDR-Homepage ausgespielt wird und in sage und schreibe 60 Sekunden über die drei wichtigsten Themen des Tages informieren will. Eine erste interne Testphase des Formats sei inzwischen zu Ende. Möglich ist, dass nach dem Start bei MDR Sachsen-Anhalt ein solches Format auch aus Sachsen und Thüringen komme. Futuristisch anmuten soll "WozUp", das ab Mai auf MDR Tweens und YouTube einen live-animierten Roboter-Avatar in Space-Optik zum Anchor einer Newssendung macht. Das Format wurde Sieger des Innovationswettbewerbs "MDR next" und habe bereits einen Testlauf mit "sehr positiven Reaktionen" hinter sich. Der Roboter-Avatar soll sorgfältig recherchierte Fakten und Infos an Kinder und Jugendliche herantragen, die sich sonst nur wenig für derartige Themen interessieren.

"Wir wollen das Neue aus dem Alten herauserzählen", nannte es Wille in einer Pressekonferenz und erklärte, es sei längst Ziel, die "Mitteldeutsche Lebenswirklichkeit auch bundesweit mehr sichtbar zu machen." Dazu werde aktuell schon die neue "Tagesthemen"-Rubrik "mittendrin" intensiv genutzt. Nach Angaben von Wille kamen 2021 mehr als ein Drittel der dort gezeigten Filme von den MDR-Landesstudios.

Lebensgefühl bundesweit erlebbar machen

Auch in der Fiktion will der MDR im Jahr 2022 das Publikum in "veränderte Dimensionen der mitteldeutschen Wirklichkeit" mitnehmen und das Lebensgefühl der Menschen im MDR-Sendegebiet bundesweit erlebbar machen, wie es MDR-Programmdirektor Klaus Brinkbäumer nannte. Die größten Serienhighlights des Jahres sind dabei die Ende Februar beginnende Serie "ZERV" und das wohl im Oktober gezeigte "Lauchhammer", ein in der Lausitz erzählter Krimi. Mini-Serien wie "Straight Outta Crostwitz", "Die Pflegionärin" oder die Streaming-Serie "Ollewitz" ergänzen das Angebot. Ab dem 21. April steht zudem eine fünfteilige Serie namens "Amok" in der ARD-Mediathek zur Verfügung, die sich mit dem Amoklauf an einem Erfurter Gymnasium vor 20 Jahren befasst. Sie wird – ebenfalls noch im April – auch im MDR Fernsehen laufen. Zudem werde man mit "3 Blocks" eine neue und neunteilige Serie starten, in der pro Folge die Geschichte eines Menschen an drei für ihn oder sie prägenden Orten Mitteldeutschlands erzählt wird.

 

Und "Kultur", das versicherte MDR-Programmdirektorin Jana Brandt, werde nun für den MDR "wichtiger als jemals." Innovative, junge Kultur zählt für den MDR neben Infos und Regionalität sowie Fiktionales oder dokumentarisches Erzählen zu einem der drei Kernbereiche des MDR. Ab Mitte Februar etwa dürfen freischaffende Kreative Projekte zum Thema "Was verbindet unsere Gesellschaft?" einreichen, "ostKunstWest" soll deutsch-deutsche Kunstgeschichte vereinen – und ist zudem ein Format, das für das Smartphone optimiert wurde. Das Deutsche Chorfest oder der MDR-Musiksommer runden das Angebot ab. Obendrein ist der MDR künftig auch bundesweit tonangebend. Der MDR hat die Federführung für die ARD-Kultur-Korrdination und der neuen Gemeinschaftseinrichtung ARD Kultur in Weimar übernommen. Daher werde der MDR "auch deutschlandweit eine wichtige Stimme für die Kultur", glaubt Brandt.