Es ist erst wenige Jahre her, dass die ARD-Filmtochter Degeto nur selten mit Serien zu tun hatte. Der Schwerpunkt ihres Schaffens lag auf Reihen und 90-Minütern, auf dem Donnerstag- und Freitagabend im Ersten. Das hat sich grundlegend verändert, was am Serienhunger der ARD-Mediathek liegt. "Serien für die Mediathek zu produzieren, wird für uns immer mehr zur Normalität. Die Degeto hat in ihrer Geschichte noch nie so viele Serien für die Plattform in Auftrag gegeben und produziert wie aktuell, und zwar in den verschiedensten Genres", sagt Redaktionsleiter Christoph Pellander im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Und kündigt auch gleich vier neue Projekte an.
Das wohl größte Vorhaben des Jahres ist ein Biopic-Vierteiler über den einstigen Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen, der 1989 von RAF-Terroristen ermordet wurde. "Der Herr des Geldes", eine Koproduktion von Sperl Film + Fernsehproduktion (Gabriela Sperl) und X Filme (Uwe Schott) mit Degeto, RBB und HR, soll im Sommer gedreht werden. Oliver Masucci spielt Herrhausen, Pia Strietmann führt Regie. Das Drehbuch von Thomas Wendrich konzentriert sich auf die letzten zwei Jahre im Leben des mächtigen Bankers, die nicht nur von der anhaltenden terroristischen Bedrohung geprägt waren, sondern auch von Herrhausens Eintreten für einen Schuldenerlass armer Länder gegen massiven politischen Widerstand. Im Mai fällt die erste Klappe für die deutsch-norwegische Koproduktion "Die Saat", bei der die Degeto mit Odeon Fiction und der norwegischen NRK zusammenarbeitet. In dem sechsteiligen Thriller spielt Heino Ferch den deutschen Kommissar Max, der sich in Spitzbergen zusammen mit einer norwegischen Kollegin auf die Suche nach seinem verschwundenen Neffen macht. Beide geraten in ein Geflecht aus politischen Intrigen, weil das Verschwinden offenbar mit der umstrittenen Übernahme eines Lebensmittelkonzerns zusammenhängt. Autoren sind Christian Jeltsch, Axel Hellstenius und Ivan Kneževic. Die Regie übernimmt Alexander Dierbach. Produzentin ist Britta Meyermann.
Bereits im April beginnen die Dreharbeiten zum fünfteiligen Gefängnisthriller "Der Trakt", den Kida Khodr Ramadan als Regisseur und Schauspieler gestaltet und der von Pantaleon Films produziert wird. Erzählt wird die Geschichte des 21-jährigen Libanesen und angehenden Profi-Fußballers Momo, der bei einem Raubüberfall mit seiner Großfamilie verhaftet wird und in der JVA landet. Dort baut er ein ausgeklügeltes Drogengeschäft auf. Zum Cast gehören der Rapper Xidir, Lulu Hacke, Detlev Buck, Wotan Wilke Möhring und Jan Georg Schütte. Juri Sternburg hat "Der Trakt" nach einer Idee von Katja Eichinger geschrieben. Produzenten sind Dan Maag und Frank Kusche. Die 23-jährige "Lamia" wiederum steht im Mittelpunkt der gleichnamigen Dramedy-Serie, die von der Produktionsfirma Turbokultur (Martin Danisch, David Hadda) kommt. Als Tochter von Muslimen, die aus Algerien stammen und in der DDR lebten, hat die Titelheldin mit Fragen des Glaubens, der Tradition und der eigenen Identität zu kämpfen. Suheyla Schwenk inszeniert die acht Halbstünder nach den Drehbüchern von Sarah Kilter.

Das passt auf den ersten Blick nicht ganz mit der Tatsache zusammen, dass in den vergangenen Monaten noch munter neue Krimireihen am Donnerstagabend gestartet sind. So ganz freiwillig war das offenbar nicht, wie der Degeto-Redaktionsleiter erläutert: "Für den Donnerstags-Krimi sind während der Pandemie mehr neue Reihen entstanden als ursprünglich geplant, wie zum Beispiel der 'Dänemark-Krimi' und der 'Flensburg-Krimi'." Aufgrund hoher Inzidenzen und lokaler Beschränkungen konnte etwa in Barcelona oder Irland nicht gedreht werden. Trotzdem wollten man die Anzahl an Erstausstrahlungen halten. "Mit durchschnittlich 19,7 Prozent Marktanteil im vorigen Jahr sind wir am Donnerstag ziemlich erfolgsverwöhnt und konnten so viele Zuschauerinnen und Zuschauer erreichen wie noch nie", sagt Pellander. "Wir schauen natürlich immer wieder kritisch auf unseren Sendeplatz und setzen das fort, was inhaltlich überzeugt und gleichzeitig auch unser Publikum im Ersten und in der ARD-Mediathek erreicht. Denn auch da steigen die Abrufzahlen immens."
Zu den Serien, die abgedreht sind und im nächsten Herbst/Winter in die Mediathek kommen sollen, zählen "Vaterland" von Odeon Fiction sowie die schwedisch-deutsche Koproduktion "Blackwater" von Apple Tree Productions. Eine durchaus bemerkenswerte Bandbreite im Serienportfolio der Degeto schlägt sich bereits im zweiten Quartal sichtbar nieder. Dann läuft das "Your Honor"-Remake "Euer Ehren" von SquareOne Productions, und zwar voraussichtlich an zwei April-Abenden im Ersten sowie mit allen sechs Folgen eine Woche vorher 'online first'.

Im Mai folgt eine weitere Adaption eines israelischen Formats, nämlich die fünfteilige Comedyserie "How to Dad", produziert von Keshet Tresor Fiction. Vier Väter (Vladimir Burlakov, Patrick Güldenberg, Helgi Schmid, Ugur Kaya) begegnen sich darin am Rande des Ballettunterrichts ihrer Kinder, tauschen sich über Erziehung, Rollenbilder und Paarkonzepte aus und werden schließlich selbst zu ehrgeizigen Schülern der Ballettlehrerin (Nikeata Thompson). Die deutschen Bücher stammen von Richard Kropf und Anneke Janssen, Regie führte Jakob Lass. Und auch mit der Fortsetzung des Vorjahreserfolgs "All You Need" von UFA Fiction legt die Degeto nach. "Die zweite Staffel ist noch dramatischer und sexier geworden", so Pellander. "Mich freut besonders, dass wir einige neue Rollen haben, um die Geschichten aus Staffel eins noch zu vertiefen und die queere Community mit einem gewachsenen Selbstverständnis zu erzählen."
Zu den sechs Short-Dramedy-Serien, die die ARD-Mediathek am 23. März vom Stapel lässt (DWDL.de berichtete), steuert Pellanders Team "All In" bei, eine Studienarbeit des Regiestudenten Daniel Popat von der Filmakademie Baden-Württemberg, der Hauptrolle, Drehbuch und Regie in einem abdeckt. "Junge Talente wie Daniel Popat unterstreichen unser wachsendes Engagement im Nachwuchsbereich", so Pellander. "Auch dadurch verändert sich die Wahrnehmung der Degeto bei Kreativen massiv. Bei unserem Killerstories Series Award haben wir fast hundert Einreichungen erhalten – viel mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte."
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