Anfang Dezember vergangenen Jahres veröffentlichte "Bild" gedruckt und online einen Artikel über die angeblichen "Lockdown-Macher". "Dieses Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest" stand dort, zu Fotos einer Wissenschaftlerin und zweier Wissenschaftler wurden Geschenk-Pakete montiert, die etwa mit "Kino-Verbot für Ungeimpfte" und "Familienfest nach Corona-Regeln" beschriftet waren - einen Tag, nachem vorm Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Gegner der Corona-Politik mit Fackeln aufgezogen waren, die Stimmung also ohnehin aufgeheizt war.

"Bild" sah sich massiver Kritik dafür gegenüber. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen meldete sich zu Wort und schrieb "Dass und auf welche Weise hier einzelne Forscherinnen und Forscher zur Schau gestellt und persönlich für dringend erforderliche, aber unpopuläre Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung verantwortlich gemacht werden, ist diffamierend." Man warnte dafor, dass derartige Berichterstattung zu einem Klima beitragen könne, in der auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt würden. "Solche Formen der Auseinandersetzung sind aus Sicht der Allianz in keiner Weise akzeptabel und widersprechen den Grundregeln einer freien und offenen Gesellschaft sowie den Grundprinzipien unserer Demokratie", hieß es in der Stellungnahme.

Auch der "Bild"-Chefredakteur Johannes Boie zeigte sich im Nachhinein durchaus selbstkritisch. In einer infolge der Kritik ins Leben gerufenen neuen Veranstaltungsreihe erklärte Boie, er halte den Text für "mehr als unglücklich" und würde ihn heute nicht mehr so bringen. Beim Presserat, bei dem 94 Beschwerden von Einzelpersonen sowie wissenschaftlichen Institutionen eingegangen waren, sah man nun aber keinen Grund, eine Rüge auszusprechen. Das Gremium, das über die Einhaltung journalistischer Grundsätze wachen soll, hat die Beschwerden  als unbegründet zurückgewiesen und konnte mehrheitlich weder im Bericht noch in der Bild-Collage einen Verstoß gegen den Pressekodex erkennen.

Vielmehr enthalte die Bezeichnung "Lockdown-Macher" einen "Tatsachenkern", weil die genannten Wissenschaftler Einfluss auf politische Entscheidungen gehabt hätten. Daher sei dies keine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Es handle sich um eine "zulässige Zuspitzung, die pointiert und streitbar sein mag, jedoch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist". Auch in der Bild-Collage sah man nichts, was das Ansehen der Presse an sich beschädige. Durch ihre Auftritte in den Medien während der Corona-Pandemie hätten sich die Experten selbst in die Öffentlichkeit begeben und müssten es aus Sicht des Gremiums daher auch hinnehmen, auch persönlich kritisiert zu werden.

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