Die Hoffnung auf das nächste globale Hit-Format ist in Zeiten einer weltweit diversifizierten Bewegtbild-Landschaft schon länger nicht mehr die Erwartungshaltung mit der die TV-Branche ins südfranzösische Cannes reist. Je nach Werbedruck schaffen es einige Formate oder Serienprojekte zwar, sich bei der MIPTV ins Gespräch zu bringen, doch haben in den Vorjahren die Monate danach oft gezeigt, dass die größte Werbekampagne noch keine Verkaufs- geschweige denn Publikumserfolge erzeugt.
Was also lässt sich ablesen an diesen Tagen in Cannes? Es ist die Gewichtung in den Katalogen der großen internationalen Distributoren und die Vielzahl der Produktionen in den diversen Genres, die einen Einblick geben in die gerade offenbar vielversprechendsten Programme. Bei der deutlich geschrumpften MIPTV 2022 spielen in diesen Tagen beispielsweise Highend-Serien - trotz des zeitgleich stattfindenden Festival Canneseries - im Vergleich zu den letzten Messen vor der Pandemie eine vergleichsweise kleine Rolle. Ebenso unterrepräsentiert sind diesmal neue Show-Formate. Einzelne Ausnahmen mögen die Regel bestätigen.

Auch Jens Richter, Geschäftsführer von Fremantle Media International, schwärmte schon im Vorfeld der Messe von der neuen Bedeutung des Genres in seinem Portfolio. Was man sonst vielleicht fürs Image mitgeschleppt hat oder am Ende des Katalogs erwähnte, stößt inzwischen auf größeres Interesse. In hochpolitischen Zeiten durch Pandemie und Krieg scheint das erhöhte Bedürfnis nach Verständnis der Welt einerseits und das aus dem fiktionalen gelernte serielle Erzählen andererseits zu helfen. Wenn es übrigens fiktionale Stoffe sein sollen, dann sind diese bei der MIPTV 2022 so oft wie noch nie „basierend auf einer wahren Geschichte“. Realität und Relevanz punktet wie selten zuvor, gerade nach der großen Serienwelle der vergangenen Jahre.

Die Formate funktionieren in kurzen Trailern zunächst einmal über die mal opulente, mal alberne Optik. Ob das auch inhaltlich trägt, wird man in Deutschland wohl zuerst bei ProSieben verfolgen können, wo man sich schon im vergangenen Jahr das Period Dating-Format „Love is King“ von ITV Studios gesichert hat. Doch auch über das Kuppeln in historischen Kostümen hinaus mangelt es nicht an Dating-Ideen: Mal sollen die Hunde den perfekten Partner ermitteln („Dating with dogs“), mal die besten Freundinnen oder Freunde („Tunnel of Love“, Sony). MGM glaubt an Dating im Gym („Fitness Flirt“).

Vielversprechende Ausnahmen von der Regel: „The Next Restaurant“ von Fremantle wirkt wie eine zeitgemäße Weiterentwicklung von „Mein Restaurant“, was einst einmal bei Vox lief und NBC Universal hat mit „One Question“ eine zunächst mal für UK realisierte Quizshow im Gepäck, bei der nur eine einzige Frage zu beantworten ist, um 100.000 Pfund zu gewinnen. Der Haken: Es gibt 20 mögliche Antworten, die mit Geschick und etwas Hilfe reduziert werden können. Doch das sind die Ausnahmen bei dieser MIPTV 2022, deren Trends nach Volumen der angebotenen Produktionen zweifelsohne bei Dating und Factual liegen.