Es wirkt, als hätten mehrere Jahre Pandemie dafür gesorgt, dass die deutsche Fernsehbranche in sich ruht. Erstaunlich gelassen wirkten die Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Unternehmen, darunter Matthias Dang von RTL Deutschland und Susanne Aigner von Warner Bros. Discovery, auf dem "wichtigsten Mediengipfel seit drei Jahren", wie DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath zur Eröffnung der Runde auf dem Kongress der ANGA COM in Köln scherzte.

Erstaunlich deshalb, weil es an Herausforderungen für die Branche dieser Tage nicht mangelt. Die jüngste Kehrtwende von Netflix, vor dem Hintergrund stagnierender Abo-Verkäufe ein werbefinanziertes Angebot auf den Weg bringen zu wollen, zeigt, wie vermeintliche Gewissheiten binnen kürzester Zeit an Gültigkeit verlieren können. Wobei zumindest Dang davon nicht überrascht war: Dass Netflix auf Werbung setzen würde, sei "nur eine Frage der Zeit" gewesen, sagte der Co-CEO von RTL Deutschland.

Ohnehin sei es nicht schlimm, wenn Netflix nun gewissermaßen bei Null anfange, was etwa den Werbezeitenverkauf angeht. "Vielleicht ist das sogar für alle gut", so Dang, dessen Haus mit RTL+ schon jetzt auf einen Mix aus Abo-Modell und Werbung setzt. Mehr als drei Million zahlende Abonnentinnen und Abonnenten zählt der Streamingdienst inzwischen, der noch im Laufe des Jahres etwa um Musik, Hörbücher und E-Paper erweitert werden soll. "So ein Bundle gibt es auf keinem Markt der Welt", sagte Dang, räumte aber zugleich ein: "Das ist eine Wette."

Auch Susanne Aigner, als Geschäftsführerin von Discovery nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern auch für Benelux verantwortlich, hat in nicht allzu ferner Zukunft große Herausforderungen zu bewältigen. Im frühen bis mittleren Teil des Sommers" werde Discovery+ auf den deutschen Markt kommen, übrigens auch in einer werbeunterstützten Version. "Auch Werbekunden sind auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, ihre Messages in den Markt zu bringen", zeigte sich Aigner von der Doppelstrategie der Refinanzierung überzeugt.

 

"Wir wollen uns nicht gegenseitig die Leute wegnehmen."
Christoph Schneider, Geschäftsführer Prime Video

 

Gleichwohl stellt sich die Frage, welchen Stellenwert eigentlich noch Joyn besitzt, jene Plattform, die Discovery gemeinsam mit ProSiebenSat.1 betreibt. Doch auf der ANGA COM beteuerte Aigner, dass Joyn nach wie vor zur Strategie passe. "Wir haben großes Interesse daran, dass Joyn erfolgreich ist", so die Discovery-Chefin.

Wie wichtig das Thema Werbung für den Streamingmarkt werden dürfte, lässt sich indes auch daran ablesen, dass selbst Amazon mittlerweile kurz davor, mit FreeVee einen werbefinanzierten Dienst nach Deutschland zu bringen. Dieser soll komplementär zu Prime Video aufgestellt sein, stellte Christoph Schneider, Chef von Prime Video in Deutschland, auf dem ANGA-Kongress klar, ohne jedoch Details zu nennen. "Wir wollen uns nicht gegenseitig die Leute wegnehmen", sagte er. Vielmehr biete FreeVee eine zusätzliche Möglichkeit, neue Kundinnen und Kunden an Prime Video heranzuführen. Schneider selbst hat bereits "sehr, sehr viel Potenzial" ausgemacht.

Eine Frage der Auffindbarkeit

Bei so vielen Angeboten stellt sich allerdings mehr denn je die Frage der Auffindbarkeit – eine Frage, die Sky etwa mit der Plattform Sky Q zu beantworten versucht. Das Unternehmen sehe sich daher gleichermaßen als "Kurator und Kreator von Programmen", stellte Elke Walthelm, EVP Content & MD bei Sky Deutschland, klar – wohl wissend, dass Sky mit seinem zunehmenden Plattform-Gedanken etwa in Konkurrenz zu Vodafone geht, das mit GigaTV ebenfalls für Orientierung sorgen will. Andreas Laukenmann, Geschäftsführer Privatkunden von Vodafone Deutschland, formulierte wiederum sein Ziel wiefolgt: "Wir helfen, dass der Content die Kunden erreicht."

Eigene Inhalte spielen für Vodafone dagegen, anders als für den Mitbewerber Deutsche Telekom, hingegen weiter keine Rolle. "Das war unsere Strategie und das bleibt unsere Strategie", betonte Laukenmann in Köln. Angesichts einer Vielzahl an schon jetzt existierenden Inhalten ist das wohl auch keine schlechte Idee. Zumal RTL-Chef Matthias Dang davon überzeugt ist, dass sich die Fragmentierung noch weiter fortsetzen wird. "Es wird noch kleinteiliger", zeigte sich Dang überzeugt.

Die Frage sei daher auch, mit wem man Kooperationen eingehen wolle. "Die Zeiten, alles alleine zu können, sind vorbei", so der TV-Manager, der davon ausgeht, dass der Zusammenschluss großer Medienhäuser perspektivisch auch in Deutschland ein Thema werden dürfte. "Die Frage wird früher oder später auch hier auf dem Tisch liegen", sagte Dang – ein stiller Gruß an ProSiebenSat.1, wo man sich bekanntermaßen, angesprochen auf mögliche Fusionspläne mit RTL, seit Monaten betont entspannt gibt. Aber das passt ja zu dieser in sich ruhenden Branche. Aller Herausforderungen zum Trotz.