Das zweite Quartal des Jahres brachte für Netflix nach eigenen Angaben gute und schlechte Neuigkeiten, wie man es im Brief an die Aktionäre formuliert, der am Dienstagabend nach Börsenschluss über die aktuelle Performance informiert: „Q2 war besser als erwartet in Bezug auf das Mitgliederwachstum und die Wechselkurse waren schlechter als erwartet (stärkerer US-Dollar), was zu einem Umsatzwachstum von 9 Prozent führte.“ Der Umsatz im zweiten Quartal lag am Ende bei 7,97 Milliarden Dollar, doch die viel kritischere Kennziffer auf die alle Marktbeobachter warteten, war die Anzahl der Abonnentinnen und Abonnenten. 

Sie war es, die im April für den "Netflix-Schock" gesorgt hatte. Mit dem ersten Rückgang in der Streaming-Geschichte des Unternehmens, hatte Netflix bei der Bekanntgabe der Geschäftszahlen des 1. Quartals jene Marktbeobachter geschockt, die der lange erzählten Geschichte vom grenzenlosen Wachstum im Streamingmarkt verfallen waren. Der Aktienkurs brach ein. Dabei vermeldete Netflix im April nur einen Rückgang von 200.000 Abos, befürchtete beim Ausblick auf Q2 jedoch selbst möglicherweise zwei Millionen Abos weniger. 

Nach dieser Schockprognose vor drei Monaten konnte Netflix am Dienstagabend nach Börsenschluss positiv überraschen: Global verlor der Streamingdienst nur 970.000 Abos, also weniger als befürchtet, und hat weltweit derzeit 220,67 Millionen bezahlte Mitgliedschaften. Schaut man sich das nach Regionen aufgeschlüsselt an, lässt sich festhalten: In Nordamerika (-1,3 Mio. Abos) sowie Europa, Nahem Osten und Afrika (-0,77 Mio. Abos) hat Netflix weiter Mitglieder verloren. In Südamerika blieben die Zahlen konstant. Dass ein weiterer Schock ausblieb, hat man dem stetigen Wachstum (+1,08 Mio. Abos) in Asien zu verdanken. 

Kleiner Haken: Einerseits liegt der Durchschnittsumsatz pro Netflix-Abo im Wachstumsmarkt Asien bei nur 8,83 Dollar - im Vergleich zu 15,95 Dollar in den USA. Die internationale Performance kann Verluste auf dem Heimatmarkt eben nicht gleichermaßen ausgleichen. Andererseits schmälert der aktuell so starke Dollar bei einem global agierenden Streamingdienst das effektive Umsatzwachstum, was währungsbereinigt bei 13 statt nur 9 Prozent läge. Diese Ungewissheit der Wechselkurse prägt auch den finanziellen Ausblick aufs dritte Quartal. Beim Blick auf die Zahl der angepeilten Abos wiederum sieht Netflix aber wieder einen Zuwachs und erwartet im nächsten Quartal eine Million Abos mehr.

Werbung rein, Account-Sharing raus

Mehr Wachstum und eine zusätzliche Einnahmequelle erhofft sich der Streamingdienst durch die Einführung eines werbefinanzierten Tarifs. Am Donnerstagabend bestätigte Netflix erstmals den Zeitrahmen für die Markteinführung des neuen Abos für das mans ich die technische Unterstützung von Microsoft gesichert hat: „Wir planen, diesen Tarif Anfang 2023 einzuführen“, heißt es im Brief an die Aktionäre. Eine weitere Ankündigung wird auch in Deutschland aufhorchen lassen: Das werbefinanzierte Angebot soll gleich zum Start in mehreren Ländern verfügbar sein. 

„Wir werden wahrscheinlich in einer handvoll Märkten beginnen, in denen viel Werbegelder stecken“, teilt Netflix mit ohne konkreter zu werden. Dennoch könnte das durchaus auch Deutschland beinhalten. Dass der Aufbau einer Werbevermarktung eine Mammut-Aufgabe ist, räumt Netflix gleich ein: „Wie bei den meisten unserer neuen Initiativen ist es unsere Absicht, es einzuführen, zuzuhören und zu lernen und schnell anzupassen, um das Angebot zu verbessern. Daher wird unser Werbegeschäft in ein paar Jahren wahrscheinlich ganz anders aussehen als am ersten Tag.“

Das zweite große Thema neben dem werbefinanzierten Tarif ist die Monetarisierung von Haushalten, die bislang über Account-Sharing Netflix-Inhalte konsumieren. In Südamerika experimentiert Netflix bereits seit März, wie das aussehen könnte. „Wir wissen, dass das eine Umstellung für unsere Mitglieder bedeutet“, räumt Netflix ein und ergänzt mit Blick auf alle anderen Märkte: „Unser Ziel ist es, ein nutzerfreundliches kostenpflichtiges Sharing-Angebot zu finden, von dem wir glauben, dass es für unsere Mitglieder und unser Unternehmen funktioniert und das wir 2023 einführen können.“