Bittere Bescherung vor der Weihnachtszeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bild TV, doch überraschend kommt sie nicht mehr wirklich: Schon seit August kursieren bei Bild TV die Pläne, aus der großflächigen Live-Berichterstattung im Programm auszusteigen. Am 9. November berichtete der „Spiegel“ darüber und jetzt war es der Branchendienst „Medieninsider“, der zuerst über die Bestätigung des Aus berichtet hat. Ende des Jahres ist Schluss.

An diesem Donnerstag wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bild TV über die "Programmplanung 2023" informiert, die künftig keine Live-Strecken mehr im Tagesprogramm vorsieht. Das bestätigt ein Sprecher von Axel Springer auf Anfrage des Medienmagazins DWDL. Zur genauen Anzahl der vom Aus des Live-Betriebs betroffenen Arbeitsplätze macht das Unternehmen selbst keine Angaben. Gemessen an früheren Angaben zur Größe des Teams sollen jetzt aber um die 80 Menschen betroffen sein, fast alle davon mit befristeten Arbeitsverträgen, die nach Ende der derzeitigen Laufzeit nun nicht verlängert werden.

Weniger Bild in Bild TV

Erhalten bleiben sollen einzelne Formate wie „Viertel nacht Acht“, „Die richtigen Fragen“ und auch „Reif ist live“ sowie generell die Sportberichterstattung am Sonntag. Den Rest des Programms von Bild TV will man mit Dokumentationen füllen. Darunter sind einige, die Bild selbst produziert hat. Davon abgesehen aber wird künftig weit weniger Bild in Bild TV stecken - und dafür umso mehr vom Schwestersender Welt. Der soll Bild TV künftig nach DWDL-Informationen auch unmoderierte Kurznachrichten liefern, damit der „Aktualitätscharakter“ des Senders erhalten bleibt. Auch mit Dokumentationen soll Welt Bild TV aushelfen. 

Damit hat man bei WeltN24, der Springer-Tochter, die die TV-Programme des Konzerns verantwortet, schon Erfahrung. Neben Welt wird auch der Sender N24 Doku bereits aus dem Programmstock bestückt. Braucht Axel Springer wirklich drei lineare Fernsehsender? Ein Sprecher erklärt am Donnerstag gegenüber DWDL.de, an der klassischen TV-Verbreitung von Bild TV festhalten zu wollen. Auch werde man weiter ein Studio vorhalten, um in außergewöhnlichen Breaking-News-Situationen für den Sender aber auch die Website live gehen zu können - wie einst schon vor dem Start des 24-Stunden-Fernsehkanals.

Bitter für Strunz und Ronzheimer

Claus Strunz © Christian Spreitz
Doch aus dem Wettbewerb der Nachrichtensender verabschiedet sich Bild TV mit der Einstellung der täglichen Live-Strecken. Die TV-Ambitionen der Boulevard-Marke waren einst das Prestige-Projekt des früheren Chefredakteurs Julian Reichelt, wurden dann weiterverfolgt von Claus Strunz (Foto), Chefredakteur Bild TV & Video. Für ihn ist das Aus eine bittere Niederlage. Vor nicht einmal neun Monate malte er im DWDL-Interview noch ein rosa rotes Bild für die Zukunft von Bild TV, liebäugelte mit einem Ausbau des Live-Programms auf bis zu 13 Stunden.

Bitter ist das Aus für Bild TV auch für den stv. "Bild"-Chefredakteur Paul Ronzheimer, der als Krisen- und Kriegsreporter in der kurzen Zeit der TV-Ambitionen das prominenteste Gesicht des Senders wurde, was zunächst seinen Reportagen und Berichten aus Afghanistan und dann der umfangreichen Berichterstattung aus der Ukraine geschuldet ist. Am Donnerstag wandte er sich mit einer Rundmail an die vom Aus des Live-Programms betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Paul Ronzheimer © imago / Sven Simon
"Ich möchte an diesem so schweren Tag einmal sagen, wie dankbar ich Euch bin, wie fantastisch die Zusammenarbeit mit Euch war – und wie wichtig das, was Ihr insbesondere seit Russlands Angriff auf die Ukraine gemacht habt. Eure Arbeit hat eine enorme politische Bedeutung in der größten Krise unserer Zeit gehabt", heißt es in der E-Mail, die DWDL vorliegt. "Unzählige Male habt ihr den Unterschied gemacht: Großartige Schalten, weltexklusive Interviews, um die uns alle TV-Sender insbesondere in den ersten Kriegstagen beneidet haben."

"Ihr habt aus unserem - manchmal sehr eilig gefilmtem Material - hochwertige Beiträge gemacht. Ohne Euch hätten wir nie so intensiv über die Ukraine in den schwersten Tagen berichten können. Ich Danke Euch von Herzen", schreibt Ronzheimer. "Und auch die Menschen in der Ukraine tun das." Auch wenn es unausgesprochen bleibt, gehört nicht viel dazu, sich vorzustellen, wie Ronzheimer als das TV-Aushängeschild der Marke Bild über die Kehrtwende bei den TV-Ambitionen denkt. 

DJV fordert Weiterbeschäftigung 

Erwartungsgemäß hat sich inzwischen auch der Deutsche Journalisten-Verband geäußert. Man fordert die Verantwortlichen des Springer-Konzerns auf, den geplanten personellen Kahlschlag beim Privatsender Bild TV sozial abzufedern. "Springer muss seiner Verantwortung als Arbeitgeber gerecht werden und den betroffenen Kolleginnen und Kollegen alternative Arbeitsplätze im Konzern anbieten“, fordert DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.